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Erdnussbutter-Phobie? Experte räumt mit Mythen auf

Erdnussbutter-Phobie? Experte räumt mit Mythen auf

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Foto: imago
Fast jeder zehnte Deutsche leidet unter einer Phobie, die meisten haben Angst vor bestimmten Situationen. Therapien versprechen hohe Erfolgsquoten.

Essen. 

Angst vor schönen Frauen, Angst vor nackten Bäuchen oder Angst davor, dass Erdnussbutter am Gaumen kleben bleibt – Venustraphobie, Gymnogasterphobie und Arachibutyrophobie nennen sich diese außergewöhnlichen Phobien, die sich einreihen in eine Liste vieler weiterer verrückt klingender Angst-Bezeichnungen. Was den Nicht-Betroffenen vielleicht amüsiert, kann für Erkrankte starke Einschränkungen im Alltag bedeuten. Aber wie häufig sind solche sonderlichen Ängste wirklich?

„Das ist eine Verballhornung. Als Diagnose kennen wir die meisten dieser skurrilen Begriffe gar nicht“, erklärt Christian Rupp, klinischer Psychologe bei der Christoph-Dornier-Stiftung in Münster. Man nehme einen Begriff, hänge „Phobie“ dahinter und schon habe man eine neue Bezeichnung. Fünf Typen von spezifischen Phobien unterscheide die Psychologie:

  • den Tiertypus (zum Beispiel Phobie vor Spinnen)
  • den Umwelttypus (zum Beispiel Höhenphobie)
  • den Blutspritzen-Verletzungs-Typus (zum Beispiel Ohnmachtsanfälle beim Anblick von Blut)
  • den situativen Typus (zum Beispiel Flugphobie, Phobie vor Fahrstühlen)
  • den anderen Typus (zum Beispiel Phobie vor dem Erbrechen oder Ersticken)

Von einer Phobie spreche man, wenn sie ein „klinisch bedeutsames Ausmaß“ annimmt, erklärt Rupp. Betroffene seien in ihrem Alltag stark beeinträchtigt, sie vermeiden Aktionen oder Gegenstände, vor denen sie sich fürchten. Das kann so weit führen, dass manche ihre Wohnung nicht mehr verlassen. Die Phobie müsse sechs Monate anhalten, um als solche diagnostiziert zu werden. „Nicht selten versteckt sich hinter einer der vermeintlich sehr spezifischen Phobien eine andere psychische Störung“, erklärt der Psychologe. Die skurrilste Angst, die einer seiner Kollegen je behandelt hat, sei die vor Stahlbrücken mit rechteckigem Aufbau gewesen. „Je spezifischer die Phobie, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie von einer anderen Störung herrührt.“ Viele Patienten hätten auch mehrere Phobien gleichzeitig.

Jeder elfte Europäer leidet unter einer Phobie

„Sechs bis neun Prozent der Bevölkerung in Europa leiden unter einer Phobie“, erklärt Rupp. Dabei seien Frauen doppelt so häufig betroffen wie Männer. Diese Verteilung gelte bei fast allen psychischen Erkrankungen, sagt Rupp, „außer bei Suchterkrankungen“. Warum das so ist, sei immer noch ein Streitthema in der Psychologie: „Es kann an hormonellen Unterschieden liegen oder am andersartigen Aufbau des Gehirns.“ Der häufigste Phobien-Typus ist der situative, gefolgt vom Tiertypus und dem Patienten, der Angst vor Blutspritzen und Verletzungen hat.

Die gute Nachricht: Phobien sind sehr gut zu behandeln. „Die Erfolgsquote nach einer Therapie liegt bei 70 bis 90 Prozent“, sagt Rupp. Von Erfolg spricht man, wenn die Angst und das Vermeidungsverhalten deutlich abnehmen. Dabei werde in der Regel eine Konfrontationstherapie angewandt, das heißt, der Patient wird seinem Angstobjekt oder seiner Angstsituation immer wieder für einen längeren Zeitraum ausgesetzt „bis er die Erfahrung macht, dass die Angst von selbst nachlässt“. Das könne schon nach einer Sitzung funktionieren, in der Regel brauche es fünf bis zehn Behandlungen. „Wichtig ist es, dass die Patienten sich danach auch immer wieder mit ihrer Phobie konfrontieren“, so Rupp. Denn: Wer seiner Angststörung nachgeht und sich von ihr einschränken lässt, verstärkt sie.