Der Blinddarm hat womöglich doch eine wichtige Funktion
Foto: Getty Images
Schon sein Name zeigt, wie wenig man ihm zutraut: Der Wurmfortsatz (oder Blinddarm) pflegt das Image eines nutzlosen Würmchens, das völlig bedeutungslos am Ende des Darms herumhängt. Doch US-Forscher wollen in einer Studie jetzt das Gegenteil herausgefunden haben: Der Blinddarm hat womöglich doch eine wichtige Funktion.
Essen.
Seinen „schlechten Ruf“ hat der Wurmfortsatz des Blinddarms Charles Darwin zu verdanken: Der Evolutionstheoretiker hatte die These geäußert, der Appendix sei der verkümmerte Rest eines größeren Organs, das seine Funktion inzwischen verloren habe. Er wertete dies als einen Beweis für die Entwicklung der Arten.
Wissenschaftler wiesen jetzt in einer Studie nach, dass sich der Appendix bei verschiedenen Säugetieren mehr als 30 Mal unabhängig voneinander entwickelt hat – zu häufig, als dass es ein Zufall gewesen sein könnte.
Wurmfortsätze entwickelten sich unabhängig
Die Forscher um die Evolutionsbiologin Heather Smith von der Midwestern-Universität in Glendale im US-Staat Arizona und der Mediziner William Parker von der Duke-Universität verglichen 361 Säugetiere, darunter 50 Arten, die einen Appendix besitzen. Die biologische Entwicklung bei diesen 50 Arten, fanden sie heraus, verlief zumeist so unterschiedlich, dass sich in mindestens 32 Fällen, wenn nicht sogar in 38, die Wurmfortsätze unabhängig voneinander herausbildeten.
Der Analyse zugrunde lag ein Vergleich unter anderem des Ernährungsverhaltens, des Verdauungssystems oder des Sozialverhaltens. Die Arbeit wurde in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift „Comptes Rendus Palevol“ veröffentlicht. Nach Einschätzung der Autoren der Studie ist dies der bislang stärkste Beweis dafür, dass der Appendix nicht überflüssig ist, sondern eine Funktion im Körper erfüllt. Welche, ist allerdings noch unklar.
Appendix als Schutzraum für Darmbakterien?
Parker hatte in einer Studie 2007 die These aufgestellt, dass der enge Schlauch am Ende des Blinddarms ein Rückzugsgebiet – eine Art Schutzraum – für Darmbakterien ist. Dort suchten sie Schutz im Falle von Infektionen wie Durchfallerkrankungen. Sei die Infektion überstanden, verbreiteten sie sich wieder im Darmsystem.
Diese These sei plausibel, sagte der Kinderarzt Indi Trehan vom Institut für öffentliche Gesundheit der Washington-Universität in St. Louis, der sich mit dem Thema Darmbakterien bei Menschen mit Unterernährung beschäftigt hat. Dafür spreche zum Beispiel die Lage des Appendix im Körper.
Zweifel an der Schutzraum-These
Der Evolutionsbiologe Randolph Nesse von der Universität von Michigan äußerte sich zurückhaltender: Zwar klinge die „Schutzraum“-These nachvollziehbar, erklärte er, gab aber zu bedenken, dass nur 50 von mehr als 360 in der Studie berücksichtigten Säugetieren einen Appendix besäßen. „Es erstaunt, warum so eine Eigenschaft mit einer solchen Funktion nicht allgemein verbreitet ist“, betonte er. (dapd)