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Italienische Technik in deutschen Autos (mit Bild)

Italienische Technik in deutschen Autos (mit Bild)

Autos haben Gesichter: Den Mund markiert der Lufteinlass, der Stoßfänger ähnelt einer Unterlippe. Und die Augen sind die Scheinwerfer, wohlgeformt von Designerhand.

Turin (dapd). Autos haben Gesichter: Den Mund markiert der Lufteinlass, der Stoßfänger ähnelt einer Unterlippe. Und die Augen sind die Scheinwerfer, wohlgeformt von Designerhand. Wenn einen so ein Audi A4 oder eine C-Klasse von Mercedes anschaut, denkt man sicher nicht an Italien. Oder vielleicht doch? Haben nicht die Mittelklasse-Bestseller aus Stuttgart und Ingolstadt bei allen Unterschieden so einen typisch italienischen Blick gemeinsam? Leicht verschmitzt mit einer Prise Frechheit, dazu ein Schuss Abenteuerlust und bei alledem eine Portion Ehrlichkeit.

Die Scheinwerfer beider Modelle stammen von einer wohl nur Fachleuten bekannten italienischen Firma, die wenige Kilometer von Stuttgart entfernt in Reutlingen ihre deutsche Dependance bezogen hat. Automotive Lighting heißt sie und beliefert zahlreiche Autohersteller mit ihren Produkten. Was viele nicht wissen: Die Firma gehört zu Magneti Marelli aus Italien, einem Tochterunternehmen des Turiner Autoriesen Fiat.

Das erste dynamische Kurvenlicht stammt aus Italien

Italienische Technik für deutsche Edelmarken? In der globalisierten Welt ist trotz des harten Wettbewerbs die Zusammenarbeit von Konkurrenten nicht selten. Dennoch ist es eher eine Ausnahme, wenn Unternehmen wie Daimler, BMW oder auch General Motors sich bei Tochterfirmen eines direkten Konkurrenten bedienen. Vor allem dann, wenn es um Innovationen geht, die eigentlich unter strenger Geheimhaltung hinter verschlossenen Werkstoren ausgetüftelt werden. Beispiel Audi R8: Als erstem Serienmodell weltweit spendierten die Ingolstädter ihrem Rennpferd Scheinwerfer, die ausschließlich auf LED-Technologie setzen. Als Partner für diesen ehrgeizigen Plan wählte die VW-Tochter eben jenes Reutlinger Unternehmen, das seine Gewinne nach Turin überweist. Kein anderer Zulieferer konnte Audi das bieten, was Automotive Lighting bereithielt. Alle Funktionen eines herkömmlichen Scheinwerfers sollten ausschließlich durch die LED-Lampen übernommen werden. Fern- und Abblendlicht, Blinker, Positionslampen und das so typische Tagfahrlicht, durch das man einen R8 schon im Rückspiegel erkennt. Der Rest ist bekannt, bei der Vorstellung des Super-Audis sprach alles über dessen neuartige Scheinwerfer.

Die Firma wurde 1999 von der Fiat-Tochter Magneti Marelli zusammen mit Bosch gegründet. Schon vier Jahre später ging sie ganz in den Fiat-Besitz über. Da hatte sie schon durch die Entwicklung des ersten dynamischen Kurvenlichts im BMW 3er Cabrio auf sich aufmerksam gemacht. Heute liest sich die Kundenliste der Italiener, die mittlerweile über 20 Standorte in aller Welt verfügen, wie ein Who’s who der Luxusmobile: VW Passat CC, Mercedes CLS sowie B- und C-Klasse, Opel Ampera oder Range Rover.

Und wer, außer Fachleuten, kennt Comau? Der Begriff ist die Abkürzung für „Consorzio-Macchine-Utensili“, ein im Jahr 1973 gegründeter Zusammenschluss mehrerer kleinerer Firmen. Grund war der Bau einer modernen Autofabrik im russischen Togliatti. Dort sollte der Fiat 124 unter dem Namen Lada die Motorisierung der Sowjetbürger voranbringen. Die Eigner von Comau hatten alle mit der Herstellung von Produktionsanlagen für Automobile zu tun. Technisches Know-how aus Italien für das kommunistische Riesenreich. Heute gehört Comau zur großen Fiat-Gruppe, hat in 13 Ländern 24 Standorte (drei davon in Deutschland) und ist Weltmarktführer im Bereich moderner Fertigungssysteme nicht nur im Automobilbau. Vor allem bei der Entwicklung von Robotern spielt Comau eine wichtige Rolle, hält eine große Zahl von Patenten. Flugzeuge, Baumaschinen, Eisenbahnen – das und viel mehr wird von Comau-Robotern zusammengebaut, von Schweißautomaten zusammengeführt oder von großen Walzanlagen formgerecht zusammengefaltet.

Erfahrungen aus der Formel 1

Sichtbar wird das weitverzweigte Fiat-Netz beispielsweise auch an jedem zweiten Wochenende, wenn ein Ferrari bei der Formel 1 in Großaufnahme gezeigt wird: Magneti Marelli steht auf den roten Rennern aus Maranello. Der italienische Elektronikspezialist liefert die komplexe Technik, ohne die heutzutage kein Formel-Renner mehr siegen kann. Ob Telemetrie (Daten werden zwischen Box und Auto ausgetauscht), das Kers-System (beim Bremsen wird eine Batterie aufgeladen, die dann für zusätzliche PS sorgt), das halbautomatische Getriebe (geschaltet wird ohne Kuppeln über Paddels am Lenkrad) oder intelligente Einspritzsysteme, die den Durst der PS-Monster zügeln – überall ist Italien mit drin.

Erfahrungen, die den Serienautos zugutekommen. Halbautomatische Getriebe aus Corbetta bei Mailand schalten bei Aston Martin, Lamborghini oder Audi. Hochmoderne Motoren mit direkter Benzin- oder Dieseleinspritzung arbeiten mit ausgeklügelten Einspritzsystemen aus dem Süden Europas. Die elektronische Regelung von Stoßdämpfern und Federung, Abgassysteme oder Instrumententafeln in vielen Autos stammen von Magneti Marelli. Das Unternehmen ist Partner der meisten Autohersteller von USA über Europa bis nach Asien, hat heute in 18 Ländern mehr als 34.000 Mitarbeiter in 83 Produktionsstätten und zwölf Forschungszentren. In Deutschland ist sie vor allem durch das schon erwähnte Automotive Lighting vertreten.

Es steckt also viel Fiat in vielen Modellen, was selbst ausgewiesene Autokenner kaum wissen. Der Turiner Multi, zu dem inzwischen auch Chrysler in den USA gehört, ist – für viele Beobachter eher unbemerkt – zu einem der großen Player herangewachsen, der über ein Netz von Tochterfirmen auch seine Konkurrenten mit zahlreichen Produkten rund ums Automobil beliefert.

dapd

2012-11-28 08:13:52.0