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Ukraine-Flüchtlinge: Gruppe aus Deutschland fährt nach Osteuropa – und erlebt eine Höllen-Reise

Ukraine-Flüchtlinge: Gruppe aus Deutschland fährt nach Osteuropa – und erlebt eine Höllen-Reise

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Ukraine-Flüchtlinge: Gruppe aus Deutschland fährt nach Osteuropa – und erlebt eine Höllen-Reise

Ukraine-Flüchtlinge: Gruppe aus Deutschland fährt nach Osteuropa – und erlebt eine Höllen-Reise

EU verspricht fliehenden Ukrainern "unbürokratische Hilfe"

Nach dem Einmarsch russischer Streitkräfte in die Ukraine sind hunderttausende Menschen auf der Flucht. EU-Katastrophenschutzminister Janez Lenarcic warnte in Brüssel vor der größten humanitären Krise in Europa seit langem und versprach den Fliehenden unbürokratische Hilfe.

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine fliehen unzählige Menschen vor russischen Raketen, Panzern und schwer bewaffneten Soldaten. Tausende Ukraine-Flüchtlinge sind aktuell auf dem Weg in Richtung Westen.

Viele Menschen in Deutschland empfangen die Ukraine-Flüchtlinge an Bahnhöfen, Notunterkünfte stehen in vielen Städten bereit. Manch freiwilliger Helfer geht aber noch einen Schritt weiter und holt geflüchtete Menschen direkt in Polen ab. Auch eine Gruppe aus Hamburg ging auf diese gefährliche Mission – und wir waren mit dabei.

Ukraine-Flüchtlinge in Not

Bei einem Gespräch und einer Flasche Wein entwickelten zwei Frauen innerhalb kurzer Zeit die Idee für eine großartige Hilfsaktion, die in Hamburg ihren Anfang nahm (wir berichteten): „Mothers for Ukraine“.

Die Organisation, die schließlich von freiwilligen Ehrenamtlichen auf die Beine gestellt wurde, verfolgte zunächst das Ziel, 90 Personen mit einem Doppeldeckerbus aus dem polnischen Warschau nach Hamburg zu holen. Doch mittlerweile haben die Initiatoren größere Pläne.

Die Helfergruppe bekam viel Unterstützung – viel mehr als erwartet. Schließlich fuhr eine Kolonne unter dem Namen „Hamburghilft“ mit einem vollbeladenen 40-Tonnen-LKW mit Hilfsgütern und Sachspenden, drei kleinen Bussen, und einem Doppeldeckerbus in Richtung Warschau. Es sollte eine Reise werden, die anders läuft als geplant…

Ukraine-Flüchtlinge: Die Rettungsaktion beginnt

Von Warschau aus wollen die Helfer Menschen nach Hamburg holen, so ist es vorgesehen. Doch auf dem Weg erhält die Crew ein Update, das die Situation sehr emotional werden lässt. Die Kolonne darf nun sogar bis in die Ukraine fahren und soll von dort knapp 120 Personen evakuieren dürfen, die sich alleine nicht trauen, das Land zu verlassen.

Dieses Konzept haben Politiker aus Hamburg zusammen mit ukrainischen Politikern organisiert. Der Konvoi soll eine grüne Welle bekommen und ohne Probleme die Grenze überqueren, berichtete Danny Hellrung, ein Helfer von „Hamburghilft“.

Doch an der polnisch-ukrainischen Grenze kommt es zum Drama: Die Entscheidung, dass das Team in die Ukraine fährt, kam so unvermittelt, dass manche Freiwillige von der „Hamburghilft“-Aktion merken, dass sie nicht richtig vorbereitet sind. Einige fühlen sich mental nicht in der Lage dazu weiterzureisen, andere haben keinen Pass dabei. Doch die Gruppe muss schnell entscheiden.

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Ukraine und Russland im Vergleich:

  • Die Ukraine hat rund 41,8 Millionen Einwohner und eine Fläche von 576.800 Quadratkilometern (jeweils abzüglich der von Russland annektierten Krim)
  • Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 155 Milliarden US-Dollar lag die Ukraine im Jahr 2020 auf Platz 58 der Welt
  • Die Russische Föderation hat eine Bevölkerungszahl von rund 146,8 Millionen sowie eine Fläche von 17.102.344 Quadratkilometern (jeweils mit der annektierten Krim)
  • Das Bruttoinlandsprodukt lag im Jahr 2019 bei 1.702 Milliarden US-Dollar und damit auf dem weltweit elften Platz

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Schließlich treten fünf Gruppenmitglieder die Reise an. Die Kolonne kommt noch am Nachmittag an der polnisch-ukrainischen Grenze an. Am Durchlass im polnischen Dorohsk geraten die Helfer unter Druck – sie müssen die Fahrt zum Evakuierungsort in der Ukraine vor der Sperrstunde am Abend schaffen. 200 Kilometer liegen noch vor ihnen.

„Ich bin sehr aufgeregt, ich merke das. Das Adrenalin in mir ist extrem hoch, ich habe in den letzten Tagen kaum geschlafen. Aber ich freue mich darauf, die Familien mit ihren Kindern zu sehen und sie in Sicherheit zu bringen“, erzählt Tatjana Sosin von „Mothers for Ukraine“ noch vor der Grenze.

Die Durchfahrt verzögert sich, da nicht alle Reisenden ihren Pass dabei haben. Weil die Ukraine kein EU-Staat ist, geht ohne das Dokument eigentlich nichts.

Ukraine: Die Fahrt geht nicht weiter

Ein Krisenstab aus Hamburg kontaktiert einige Politiker in Kiew – das Fazit: Die Helfer dürfen ohne Reisepässe weiterfahren. Doch dann macht ihnen die Sperrstunde einen Strich durch die Rechnung. Die Fahrt geht an diesem Abend nicht weiter.

Die Freiwilligen stehen enorm unter Druck. Schon am nächstem Tag sollen sie den Ort zwischen Lwiw und Kiew (aus Sicherheitsgründen bleibt der Name geheim, Anmerkung der Redaktion) pünktlich erreichen, um ihre Rettungsmission beginnen zu können.

Ukraine

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Schließlich müssen alle im Bus übernachten. Am nächsten Tag darf der Konvoi endlich weiter. Auf ukrainischem Boden angekommen, durchlebt die gesamte Gruppe gemischte Gefühle: Freude, Angst, Stolz und große Aufregung.

Je weiter sich die Gruppe in die Ukraine bewegt, desto deutlicher sind die Spuren des Krieges zu sehen – und zu fühlen.

Die Fahrt endet schließlich in einer Stadt, die vergleichsweise ruhig daliegt. Trotzdem wurde dort wenige Tage zuvor ein Flughafen komplett zerbombt. Erschreckende Bilder, die manche Helfer in ihrem Leben zum ersten Mal sehen und wohl nie vergessen werden.

„Was mich sehr berührt und zum Nachdenken gebracht hat, ist, als eine Frau in der Ukraine gesagt hat, hier könnten wir uns hinlegen zum Schlafen. Der zerbombte Flughafen war nur ein paar Kilometer weit entfernt, ich konnte dort nicht schlafen. Die Einwohner hatten sich aber einfach schon an die Bombardierung gewöhnt“, sagt Angela Christina Schubert von „Hamburghilft“ später.

Einige Ukraine-Flüchtlinge steigen vorzeitig aus

Die Reise ins Kriegsgebiet versetzt auch Danny Hellrung in Angst. Der Mann hat schon Erfahrung als Notfallsanitäter in Afghanistan gesammelt. Dort war er allerdings von vielen Soldaten begleitet worden – in der Ukraine ist er nur mit Zivilisten unterwegs.

„Wir haben viele Schwierigkeiten auf unserer Fahrt, wir haben alle kaum geschlafen, wir müssen viel organisieren und umplanen, die Situation in der Ukraine ändert sich minütlich, damit müssen wir umgehen. Das ist eine Fahrt durch die Hölle“, sagt Hellrung.

Schließlich kann die Kolonne knapp 110 Personen aus der Ukraine herausholen. Manche verlassen den Bus bereits in Polen. Sie hoffen, dass der Krieg bald beendet sein wird und sie wieder in ihre Häuser in ihrem Heimatland zurückkehren können. Die anderen fahren weiter nach Norddeutschland.

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Das Team „Hamburghilft“ hat die Fahrt durch die Hölle erfolgreich durchgestanden und vielen Menschen helfen können. Nun plant die Organisation weitere Fahrten in die Ukraine, um so viele Menschen wie möglich aus der Ukraine zu retten.

Hier lest ihr in den nächsten Tagen noch weitere Geschichten über die Menschen, die diese Reise organisiert haben, und über die, die aus der Ukraine gerettet wurden.