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Ukraine-Krieg: Greift Putin bald den nächsten Staat an? „Das Risiko ist größer“

Ukraine-Krieg: Greift Putin bald den nächsten Staat an? „Das Risiko ist größer“

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Ukraine-Krieg: Greift Putin bald den nächsten Staat an? „Das Risiko ist größer“

Ukraine-Krieg: Greift Putin bald den nächsten Staat an? „Das Risiko ist größer“

Wladimir Putin: Das ist Russlands Machthaber

Seit knapp einer Woche beschäftigt der UkraineKrieg das Weltgeschehen. Russland hat es wegen des erheblichen Widerstands der Ukrainer bislang nicht geschafft, die dortige Regierung mit einem Angriffs-Blitzkrieg zu stürzen und die Hauptstadt Kiew einzunehmen. Erste Friedensverhandlungen am Montag (28. Februar) kamen wie er wartet nicht zu einem Ergebnis. Und selbst wenn, kann man Putin überhaupt noch irgendetwas glauben?

Mittlerweile sprechen viele Beobachter davon, dass der UkraineKrieg viele Jahre anhalten könnte. Möglich ist aber auch, dass die russische Seite mit ihrer militärischen Überlegenheit doch noch einen Sieg erringt und eine russland-freundliche Regierung an die Macht verhilft. Doch wäre die überhaupt in der Lage, Kontrolle in dem Land auszüben, dessen Bevölkerung sich so geschlossen gegen die Invasoren zeigt?

Ukraine-Konflikt: Kriegsforscher im Interview

Viele Menschen fragen sich außerdem, was Wladimir Putin noch Schreckliches im Sinn haben könnte. Er drohte bereits weiteren Ländern in Europa, gleichzeitig spitzen sich die Auseinandersetzungen mit EU und NATO weiter zu.

An der Universität Hamburg informieren Wissenschaftler der Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) umfassend über das weltweite Kriegsgeschehen nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Daten der AKUF, ihre Kriegsdefinition und ihre Kriegstypologie bilden heute laut eigenen Angaben im deutschen Sprachraum die meistverwendete empirische Grundlage einschlägiger Publikationen. Der Leiter der AKUF, Wolfgang Schreiber, ordnet die schwierige Situation im Ukraine-Krieg im Interview ein.

+++ Alle aktuellen Entwicklungen im Krieg zwischen Russland und der Ukraine hier im News-Blog +++

Redaktion: Herr Schreiber, obwohl es seit langem Warnungen durch die USA gab, überraschte die Heftigkeit des russischen Angriffs auf die Ukraine von mehreren Seiten letztlich doch viele. Sie auch?

Wolfgang Schreiber: Auch ich war überrascht vom Ausmaß der Invasion. Was die Warnungen der USA angeht, so waren diese hinsichtlich des Ausmaßes eher unspezifisch. Zu erinnern sein daran, dass US-Präsident Biden doch etwas für Irritationen gesorgt hat, als er bei den Reaktionen zwischen der Möglichkeit einer kleinen und großen Invasion unterschieden hat.

Im Nachhinein macht es aus militärischer Sicht durchaus Sinn, dass ukrainische Militär weitgehend zu schwächen beziehungsweise auszuschalten und zum Beispiel nicht nur den selbsternannten Volksrepubliken „zur Hilfe zu kommen“ und zuzusehen, wie sich das ukrainische Militär daraufhin formiert und unter Umständen durch Waffenlieferungen gestärkt wird.

Worin liegen die Ursachen für diesen Angriffskrieg?

Offiziell hat Putin es ja in seiner Rede relativ deutlich gemacht. Für ihn ist die Ukraine danach aus historischen Gründen untrennbar mit Russland verbunden. Dazu kommen noch die Nichteinhaltung des Fahrplans der Minsker Abkommen und der Versuch des Westens, die Ukraine in dessen Einflussbereich zu ziehen.

Was für einen Eindruck hat Putin auf Sie in seinen letzten Ansprachen gemacht? Für einige Beobachter wirkte er mit seinen Warnungen vor einer „Einmischung“ des Westens schon fast wahnsinnig.

Ich schaue nicht ständig Putin-Videos. Daher habe ich keinen Vergleich, ob sich da im Verhalten etwas geändert hat. Aus einzelnen Aussagen einen „Wahnsinn“ ableiten zu wollen, halte ich für weit hergeholt. Erstens wäre ich gegenüber solchen Ferndiagnosen generell skeptisch. Wichtiger ist aber, dass die Ansprachen und Auftritte sich an ein bestimmtes Publikum richten. Wenn man nicht zu den Adressaten gehört, mag einen das als Wahnsinn oder zumindest Unsinn erscheinen.

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Nun verhandeln Russland und die Ukraine. Wie viel ist davon nach den vielen Lügen und Aggressionen der letzten Wochen zu halten? Selbst wenn es dann ein zufriedenstellendes Ergebnis geben würde: Warum sollte noch jemand Russland glauben, sich daran zu halten?

Putin hat natürlich ein massives selbsterzeugtes Glaubwürdigkeitsproblem. Dabei geht es gar nicht mal so sehr um den eklatanten Bruch des Völkerrechts durch den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Da stehen andere Großmächte auch nicht unbedingt besser da.

Darüber hinaus ist natürlich jegliche Glaubwürdigkeit als Gesprächspartner dahin, nachdem er insbesondere auch Bundeskanzler Scholz ganz offensichtlich hinsichtlich des Truppenabzugs und der Beendigung der Manöver an der Grenze zur Ukraine bei dem Treffen in Moskau schlichtweg belogen hat.

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Sollten die Russen in der Ukraine jetzt erfolgreich ein „Marionettenregime“ installieren – was verspricht sich Russland davon?

Die Frage ist, wie lange solch ein Marionettenregime Bestand haben könnte oder soll. Entweder glaubt Putin wirklich, dass die prorussischen politischen Kräfte in der Ukraine so stark sind, dass sie mit nicht allzu offensichtlichen Wahlmanipulationen und opportunistischen Politikern aus dem anderen Lager an der Macht bleiben könnten. Oder aber es geht lediglich um eine Übergangszeit und der „Beitritt“ der Ukraine und von Belarus zur Russischen Föderation in absehbarer Zeit ist das Ziel. Letztlich kann ich aber hier nur spekulieren.

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Ukraine und Russland im Vergleich:

  • Die Ukraine hat rund 41,8 Millionen Einwohner und eine Fläche von 576.800 Quadratkilometern (jeweils abzüglich der von Russland annektierten Krim).
  • Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 155 Milliarden US-Dollar lag die Ukraine im Jahr 2020 auf Platz 58 der Welt.
  • Die Russische Föderation hat eine Bevölkerungszahl von rund 146,8 Millionen sowie eine Fläche von 17.102.344 Quadratkilometern (jeweils mit der annektierten Krim).
  • Das Bruttoinlandsprodukt lag 2019 bei 1.702 Milliarden US-Dollar und damit auf Platz 11 aller Länder weltweit.

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Ist davon auszugehen, dass die Ukrainer einem „Marionettenregime“ gegenüber alles andere als hörig wären und dort ein jahrelanger Guerillakrieg entstünde?

Die Frage lässt sich kaum beantworten. Nehmen wir an, es gebe bewaffneten Widerstand, der nicht kurzfristig zerschlagen würde. Wie würde ein solcher Widerstand aussehen? Wären größere Gruppen wie in Afghanistan oder Tschetschenien möglich? Oder würde ein solcher Krieg eher dem entsprechen, was wir aus Nordirland oder dem spanischen Baskenland kennen?

Viele Menschen fragen sich: Was kommt nach der Ukraine? Wie realistisch sind Angriffe auf das Baltikum, Staaten wie Moldawien oder sogar Polen? Haben wir es womöglich mit einem „zweiten Hitler“ zu tun, wie die ukrainische Seite warnt?

Auch das lässt sich letztlich schwer sagen. Es spricht aber wenig für Angriffe auf Polen oder das Baltikum. Zwar gibt es auch im Baltikum russischsprachige Minderheiten. Auf der anderen Seite blicken Polen und die baltischen Staaten aber auf eine – wenn auch unterbrochene – Geschichte der Eigenstaatlichkeit zurück.

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Das Narrativ mit der untrennbaren (auch kulturellen) Verbundenheit zu Russland würde hier nicht greifen und Putin müsste a) eine völlig neue Begründung erfinden und b) sind diese Staaten Mitglieder der Nato. Das heißt, das Risiko einer weiteren Eskalation ist hier auch für Russland wesentlich größer und nicht kalkulierbar.

Bei Moldawien sieht es etwas anders aus. Dadurch, dass es dann in Zukunft eine gemeinsame Grenze mit der Russischen Föderation oder einem ukrainischen Satellitenstaaten Russlands hätte, würde der Transnistrien-Konflikt vergleichbar mit dem Südossetien-Konflikt in Georgien.