Veröffentlicht inWirtschaft

Wo Rösler spart – und wo nicht

Wo Rösler spart – und wo nicht

34772981--543x199.jpg

Essen. 

Mit zwei Reformen will Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) elf Milliarden Euro sparen: Mit dem Arznei-Spargesetz und dem Gesetz zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung. Eine Übersicht, wen es wie trifft.

Die Pharmaindustrie

Die Hersteller müssen bis 2013 Zwangsrabatte von 16 statt bisher sechs Prozent gewähren. Ihr Preismonopol wird – zum Teil – gebrochen. Konnten sie bisher für neue Arzneien so viel verlangen, wie sie wollten, müssen sie künftig den Preis mit den Krankenkassen aushandeln. Grundlage dafür ist eine Bewertung der Arzneiprüfer des Iqwig-Instituts. Nur, wenn es feststellt, dass ein neues Medikament besser wirkt als die herkömmlichen, darf der Preis höher liegen. Wird kein Zusatznutzen bescheinigt, darf es nicht mehr kosten als vergleichbare. Aber: Im ersten Jahr darf der Hersteller weiter den Preis selbst bestimmen.

In dem ursprünglichen Gesetzentwurf wurden noch Änderungen zugunsten der Pharmaindustrie eingefügt. So sind Pillen für seltene Krankheiten bis zu einem Umsatz von 50 Millionen Euro von der Nutzenbewertung befreit. Zudem können zugelassene Arzneien nicht mehr von der Erstattung durch die Krankenkassen (GKV) ausgeschlossen werden – selbst wenn sich zeigt, dass sie doch nicht so gut oder sogar schlechter wirken. Es sei denn, das Iqwig kann das beweisen. Nach eigener Aussage kann es das nicht, weil es dafür negative Studien der Industrie bräuchte. Doch die wäre dumm, eigenes Versagen nachzuweisen.

Bewertung: Dass die Pharmaindustrie über ihre Preise verhandeln muss, ist ein großer Fortschritt. Er wird jedoch ohne Not dadurch geschmälert, dass die Hersteller im ersten Jahr nach wie vor das Preismonopol haben. Sie werden noch höhere Preise verlangen als bisher, um späteren Einbußen vorzubeugen. Hinzu kommen Geschenke an die Industrie. Die im Ansatz gute Reform wird dadurch arg verwässert.

Die Bürger

Der allgemeine Beitragssatz steigt von 14,9 auf 15,5 Prozent. Arbeitgeber und Versicherte tragen je 0,3 Prozentpunkte. Weitere Erhöhungen müssen die Bürger allein zahlen. Kassen, die mit dem Geld nicht mehr auskommen, können Zusatzbeiträge erheben. Bisher durfte der Zusatzbeitrag höchstens ein Prozent des Bruttoeinkommens betragen, künftig sind ihm keine Grenzen mehr gesetzt. Wer mehr als zwei Prozent seines Gehalts dafür aufwenden müsste, erhält das Geld über einen Sozialausgleich zurück.

Bewertung: So widersinnig es auch klingt – diese Beitragserhöhung ist für die Bürger buchstäblich halb so schlimm, weil ein letztes Mal die Arbeitgeber mit im Boot sind. Auf lange Sicht entscheidend sind die Zusatzbeiträge. Sie werden immer weiter steigen und allein die Bürger treffen – und zwar vor allem die Mittelschicht. Ein schlechtes Signal.

Die Ärzte

Aus der angestrebten Nullrunde für die niedergelassenen Ärzte ist ein Honorarplus von einer Milliarde Euro geworden. Das Privileg der Hausärzte, über ihre Hausarztverträge zusätzliches Honorar auszuhandeln, wird begrenzt. Allerdings gilt für bestehende Hausarztverträge Bestandsschutz bis 2014. Die Zahnärzte müssen auf 20 Millionen verzichten — ihre Preise dürfen nur halb so stark steigen wie die allgemeinen Löhne.

Bewertung: Ein Großteil der Honorarerhöhung ist gerechtfertigt, weil er in die Regionen fließt, die bei der letzten Reform benachteiligt wurden. Die Ärzte in NRW profitieren davon zu Recht. Dumm nur: Damit bügelt die Politik einen Fehler der Ärzteschaft aus, die ihre Gelder in Eigenregie aufteilt. Das wird nicht gerade die Selbstkritik der Selbstverwaltung fördern.

Die Krankenhäuser

Der Sparbeitrag der Krankenhäuser liegt unterm Strich bei rund 450 Millionen Euro. Sie müssen pauschale Abschläge auf Preise insbesondere für teure Behandlungen hinnehmen, die das übliche Maß der GKV sprengen.

Bewertung: Pauschale Kürzungen sind immer willkürlich. In den Kliniken treffen sie aber vor allem die schwächsten Glieder, nämlich die Angestellten. Die Kliniken werden noch mehr am Pflegepersonal sparen und noch öfter ganze Gruppen wie Reinigungskräfte als Leiharbeiter auslagern.

Die privaten Krankenversicherungen


Die Wartezeit für einen Wechsel aus der gesetzlichen in die private Krankenversicherung (PKV) wird von drei Jahren auf eines verkürzt. Das kostet die GKV nach eigenen Schätzungen 400 Millionen Euro jährlich an Beiträgen von Gutverdienern. Von Rabattverträgen, die in der GKV mit Pharmaherstellern ausgehandelt werden, profitiert künftig auch die PKV. Das spart ihr rund 200 Millionen Euro im Jahr.

Bewertung: Pure Klientelpolitik. Das weltweit einmalige Privileg, junge, gesunde Gutverdiener der Solidarkasse abzuwerben, wird gestärkt. Dass die rein marktwirtschaftlich geführten Privaten auch noch von der Marktmacht der GKV bei Preisverhandlungen, einem ihrer wenigen Vorteile, profitieren sollen, ist absurd.