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Toskana-Flair in der Lausitz: Weinanbau als Kulturlandschaft

Toskana-Flair in der Lausitz: Weinanbau als Kulturlandschaft

Toskana-Flair in der Lausitz
Die Weinberge vom Unternehmen Weinbau Wobar an den IBA-Terrassen am Großräschener See. Auf dem Weinberg an den IBA-Terrassen wachsen seit 2012 Rebstöcke in drei verschiedenen Sorten. Foto: Patrick Pleul/dpa
Mit dem Ende der Kohle haben sich die Landschaften in der Lausitz zu Kulturlandschaften entwickelt. Brandenburg ist auch zum Weingebiet geworden.

Großräschen. 

Durch die Weinreben glitzert der dahinter liegende Großräschener See in der Morgensonne – ein besonderer Ausblick. «Manche nennen das hier die Toskana des Ostens», sagt Cornelia Wobar und schaut auf die steilen Hänge, auf denen weiße und rote Trauben wachsen.

Geschiebemergelboden mit Lehm und Kalksand aus der Eiszeit, der See als UV-Licht-Reflektor und etwa 2000 Sonnenstunden im Jahr sorgen für enorme Aromeneinlagerungen und hohe Fruchtzuckergehalte in den Trauben. Die Bedingungen könnten durchaus mit einzelnen Lagen in Anbaugebieten wie Baden mithalten, erklärt die Agrarökonomin.

Kohleförderung hat klaffendes Loch hinterlassen

Wie eine Mondlandschaft habe das Gebiet vor 10 Jahren ausgesehen – zerfurcht und wild, erinnert sie sich. Die Kohleförderung im Tagbau Meuro bei Großräschen hatte nach ihrem Ende ein klaffendes Loch hinterlassen, das durch Flutung zum See werden sollte. Tief hatten sich die Bagger in die Landschaft gegraben, aber auch einen Steilhang mit 33 Prozent Gefälle stehengelassen. Der Hang am ehemaligen Tagebau wurde zum Großprojekt der Familie.

2010 erhielt die Familie das Rebrecht und war danach zwei Jahre in vielen Rebschulen Deutschlands unterwegs, um Erfahrungen zu sammeln. 2012 wurden auf dem Steilhang in Großräschen auf einem Hektar die ersten der inzwischen 5000 Pflanzen gesetzt. Skeptiker gab es anfänglich viele. «Die Ersten kamen sofort und sagten: Das wird doch nichts, was macht ihr hier?», erinnert sich Cornelia Wobar. Weinproben von anderen Brandenburger Winzern und Feste wurden organisiert – da stand noch keine einzige Rebe. «Wir wollten eine Weinkultur mit den Bewohnern entwickeln. Menschen in der Kohle sind andere als in einer Weinanbaugegend», weiß die Winzerin.

Der Fokus lag bereits damals auf modernen Neuzüchtungen, die zu sich verändernden Klimabedingungen passten und umweltschonend sind. «Wenn ich hier Wein mache, dann aber mit Sorten, die in die Zeit passen», beschreibt der promovierte Diplomagraringenieur Andreas Wobar die damaligen Ziele. Der Betrieb setzte auf pilzwiderstandsfähige Sorten (PIWI) wie Cabernet blanc und Pinotin. «Wir waren hier vor zehn Jahren Weinbaupioniere und wollten zeigen, dass aus PIWI Rebsorten Weine mit Zukunft gemacht werden können.»

Weinbau als naturnahe Bewirtschaftung

Nach Angaben des Vereins PIWI Deutschland kann durch die hohe Widerstandsfähigkeit dieser Sorten gegen Pilzkrankheiten der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert werden. Aber wie sieht das in der Praxis aus? «Diese Sorten passen zu Boden und Klima», erklärt Winzer Andreas Wobar. Der Anbau dieser Sorten bedeute bis zu 80 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel als bei herkömmlichen Weinsorten, weniger Bodenverdichtung, weniger Traktorüberfahrten und mehr Handarbeit. «Der Weinbau bei uns ist naturnahe Bewirtschaftung.»

Allerdings läuft Weinanbau in Brandenburg auch Jahre nach dem Erleben seiner Renaissance häufig noch unter der Rubrik Exotik. Die Wobars, die bereits national und international für ihre PIWI-Weine ausgezeichnet wurden, können nur den Kopf schütteln, vermuten aber eine Ursache. Nach der Wende sei vergessen worden, ein eigenständiges Weinanbaugebiet Brandenburg festzulegen, eine Weinverordnung für das Land gab es nicht, erzählt Winzerin Cornelia Wobar. «Mit den Vorurteilen kämpfen wir noch heute», so ihre Erfahrung. Wobar fordert auch deshalb: «Wir wollen, dass die Herkunft – so wie es das neue EU-Weinrecht will – etikettiert werden darf und der Weinfreund merkt: Er ist in der Lausitz oder im Havelland.»

Dabei hat Brandenburg eine lange Tradition beim Weinanbau. Straßennamen wie «Am Weinberg» oder «Weinbergsweg» weisen noch heute darauf hin. Nach Angaben des Agrarministeriums wurden bereits im 16. Jahrhundert die Weinqualitäten der einzelnen Weinbauorte bewertet, mit Herkünften aus Ungarn, vom Rhein und sogar aus dem Mittelmeergebiet verglichen und für gut befunden. Erst mit der industriellen Entwicklung im 19. Jahrhundert wurde es lukrativer, auch Tafeltrauben für die Lieferung nach Berlin anzubauen.

Größter Teil des Anbaugebiets gehört zu Brandenburg

Nach Informationen der «Lausitzer Weinfreunde», einem Zusammenschluss von Winzern, sei Wein aus der Lausitz, vor allem aus Guben, Schlieben und Senftenberg, bis in die Baltischen Staaten und an den russischen Zarenhof geliefert worden.

Aktuell werden nach Angaben der Fachgruppe Weinbau des Landes auf etwa 37 Hektar von 51 Betrieben und Weinbauvereinen Wein angebaut. Davon sind zirka 1,16 Hektar Sachsen zugehörig, zirka 10,82 Hektar gehören zum Anbaugebiet Saale-Unstrut. Der größte Teil liegt mit etwa 28 Hektar in Brandenburg.

Rund 25 Kilomter vom Großräschener Steilhang entfernt ragt aus einer Tagebauwüste eine weitere Kulturlandschaft. Der Weinanbau auf dem 30 Meter hohen Wolkenberg entstand auf dem Reißbrett – als Rekultivierungsmaßnahme des damaligen Tagebaubetreibers Vattenfall am Tagebau Welzow Süd. Nach anfänglicher Testphase wird auf dem 2010 geschütteten Weinberg großflächig Wein angebaut. Inzwischen stehen 26 600 Rebstöcke auf rund sechs Hektar. «Wir hatten anfänglich keine Erfahrung, der Boden war zunächst mausetot», berichtet Weinanbauerin Bettina Muthmann. Eine Humusschicht aufzubringen, habe nicht ausgereicht. Der pH-Wert musste angehoben werden.

Inzwischen stellen Muthmann und Kellermeister Martin Schwarz aus Meißen etwa 31.000 Flaschen Wein im Jahr her – für den Fachhandel und Restaurants. Auch aus den alten Bundesländern kämen Bestellungen, sagt die Weinanbauerin nicht ohne Stolz. Nun startete die diesjährige Ernte auf dem Wolkenberg. Muthmann ist optimistisch, was die Erträge angeht, obwohl die Wasserversorgung in diesem Jahr durch Tröpfchenbewässerung nicht einfach gewesen sei.

Auch der Familienbetrieb in Großräschen hofft auf einen guten Jahrgang. «Qualität geht vor Quantität», sagt Winzerin Wobar. Der Betrieb produziert 10.000 Flaschen im Jahr. Die Trauben werden lockerbeerig gezüchtet, die Beeren sind oft klein, das Wasser kann durch das Stielgerüst besser ablaufen; überdies kann der Wind die Trauben gut belüften – kein Nährboden für Mehltau, beschreibt sie das Erfolgsrezept. Kürzlich ist der Familienbetrieb belohnt worden – im falstaff-Weinguide 2022 wurde das Weingut mit 2 Sternen bewertet. (dpa)