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Studie: Kinderlose Frauen im Job benachteiligt

Studie: Kinderlose Frauen im Job benachteiligt

London. Kinderlose Frauen werden bei Beförderungen übergangen, weil Chefs sie für `kalt, komisch und emotional fehlerhaft“ halten. Diese Beobachtung der englischen Wissenschaftlerin Dr. Caroline Gatrell sorgt im Königreich für hitzige Kontroversen und einen neuen Grabenkrieg in der Bürowelt.

Kinder und Job zu vereinbaren, das ist ein Balanceakt, nebenbei Karriere zu machen ein noch größeres Problem. Doch offenbar kämpfen nicht nur Mütter im Büro mit Schwierigkeiten – auch Kinderlosigkeit bremst laut Gatrell Frauenkarrieren aus. Vorgesetzte `verteufeln“ Kolleginnen ohne Nachwuchs, stellen sie ungern ein und befördern sie seltener, weil sie das `Gefühl“ haben, ihnen fehle es an „grundlegender Menschlichkeit“. „Frauen, die offen und explizit lieber eine Karriere verfolgen als Mutter zu werden, werden im Job verschmäht und leiden an enorm unfairer Behandlung“, erklärt die Forscherin von der Lancaster University Management School.

„Oft ist dies der Grund, warum ihnen keine Führungsverantwortung für andere übertragen wird.“ Kinderlose Frauen sehen sich offenbar gleich an mehreren Fronten diskriminiert: „Im gebärfähigen Alter übergeht man sie für Leitungspositionen, weil sie zumindest theoretisch ein Baby bekommen könnten“, so Gatrall. Bekommen sie keines, gelten sie schnell als „herzlose Freaks“. In der Zwischenzeit aber müssten sie oft gar härter und mehr arbeiten als Männer, um die Fehlzeiten jener Mütter auszugleichen, die wegen kranker Kinder Zuhause blieben.

„Die Untersuchungsergebnisse legen nahe, dass berufstätige Frauen einfach immer verlieren, egal, für welche Option sie sich entscheiden“, resümiert die Wissenschaftlerin. Sie hat sechs Jahre lang Frauen in der Arbeitswelt erforscht und Tausende Internetforen durchforstet, in denen sie sich im Schutz der Anonymität über Büroprobleme austauschen.

Das Kapitel über Kinderlose sollte eigentlich nur „ein bisschen Balance“ in ihre Studie bringen, die sie Müttern gewidmet hat – Gatrell wollte zeigen, das auch ihr Berufsleben „nicht immer ein Rosengarten“ sei. Doch die wenigen, nicht repräsentativen Eindrücke haben für eine heftige Neuauflage feministischer Debatten gesorgt.

„Es scheint, als ob den Alltagsbeobachtungen vieler Frauen plötzlich eine akademische Stimme gegeben worden wäre“, sagt Gatrell, die selber Mutter ist. Chefinnen haben sich seitdem in Gastbeiträgen zu Wort gemeldet und kinderlose Mitarbeiterinnen als ewig verkaterte, faule und übersensible Zicken beschrieben: „Mütter kommen wenigstens nicht zur Arbeit, um den Vorgesetzten schöne Augen zu machen, sondern weil sie froh sind, mal aus dem Haus zu kommen.“ In der BBC konterte hingegen eine Mittelständlerin mit dem Eingeständnis, nur noch Kinderlose zu beschäftigen, weil sie zuverlässiger seien. Etwaige Diskriminierungsklagen umgeht sie, indem sie sich ihr Personal ohne Stellenausschreibung sucht.

Welche Konflikte Gatrell so arglos angebohrt hat, zeigen auch britische Internetforen, in denen sich Frauen aus der ganzen Welt zu Wort melden. Einige berichten, eher von Kolleginnen mit Kindern als männlichen Chefs schlecht behandelt zu werden: „Büro-Mütter haben mich vor versammelter Mannschaft über meine Kinderlosigkeit ausgefragt“, sagt eine. „Für das Maß an ungläubigen Nachfragen, Hochnäsig- und Respektlosigkeit von Müttern finde ich kaum Worte.“

Andere berichten, für Kolleginnen einspringen zu müssen, die früh nach Hause gehen, „um Karnevalskostüme für die Kleinen zu basteln“ oder zu spät zur Arbeit kommen, weil „die Nanny, das Au-Pair-Mädchen oder die Putzfrau unpünktlich war“.

Eine Chefin und Mutter hat einer Bewerberin wegen deren Kinderlosigkeit die „Fähigkeit zum Multi-Tasking“ abgesprochen. Mütter allerdings bejubeln Gatrells Beitrag: „Juchee“, freut sich eine, „endlich merken die Chefs mal, was sie an uns haben.“ Die aufgebrachte Gegenwehr der Kinderlosen entlarve diese wahlweise als „wütende, merkwürdige Monster“ oder als „Schwarm gefühlskalter Fische“.

Unzählige Angestellte kritisieren in den Foren jedoch vor allem dies: „Ich bin es satt, wegen Eurer Schulferien immer im Sommer und über Weihnachten arbeiten zu müssen. Das ist übrigens nicht kaltherzig, sondern selbstlos von uns.“

Um Geringschätzung zu vermeiden, geben einige gar an, aus medizinischen Gründen kinderlos zu sein. Feministinnen plädieren derweil für völlig neue Begriffe: „Wie sind ‚kinderfrei‘, nicht kinderlos.“ Aufgrund der Resonanz will Gatrall das Thema nun weiter erforschen – neue Kapitel in diesem Disput sind also vorprogrammiert.