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Wie ein Bürger die Untätigkeit der Stadt karikierte

Wie ein Bürger die Untätigkeit der Stadt karikierte

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Foto: WAZ FotoPool
Die Verrottung des öffentliche Raumes, besonders der Straßen, hat ein Maß angenommen, dass manchmal nur noch Sarkasmus hilft.

Essen. 

Das war eine hübsche Aktion, mit der jüngst der Heisinger Bürger Meinolf Thies auf einen Skandal aufmerksam machte, der schon so gewöhnlich ist, dass er gar nicht mehr jedem auffällt. Auf der Heisinger Straße, einer besonders berüchtigten Schlaglochpiste, forderte Thies den Oberbürgermeister zu einer Partei Minigolf auf. An den erforderlichen 18 Löchern werde es nicht scheitern, so Thies.

Recht hat der Mann, und solche Gelegenheiten gäbe es viele in Essen. Die Verrottung des öffentlichen Raumes, gerade auch der Straßen, hat ein solches Ausmaß erreicht, dass die von Thies zelebrierte Flucht in den Sarkasmus wie innere Notwehr wirkt. Man würde sonst womöglich der Verzweiflung anheimzufallen.

Wie um dies zu illustrieren, ließ die Stadt im konkreten Fall auf WAZ-Anfrage mitteilen, das seit mindestens einem Jahrzehnt bestehende Problem an der Heisinger Straße sei erkannt und schon in drei Jahren nahe die Sanierung – wenn alles klappt. Tatsächlich weiß jeder, dass der Raubbau an der Substanz weitergehen wird, egal, ob in Heisingen das DDR-Straßengefühl wirklich irgendwann behoben wird. Denn Heisinger Straßen gibt es Hunderte in Essen, und die vorgesehenen Erhaltungsmittel reichen nicht einmal annähernd, den Verfall zu stoppen.

Nun könnte man sagen: Wenn die öffentliche Hand kein Geld hat, muss der Bürger eben mit wenig zurechtkommen. Doch Geld ist durchaus da, es wird nur anders ausgegeben. In Essen gibt es beispielsweise eine Reihe nagelneuer Radwege, die mancher als Quantensprung für die Lösung der Essener Verkehrsproblem betrachtet. Das könnte sich als Illusion erweisen, aber darum soll es hier nicht gehen. Zwar gibt es ideologische Gründe, weshalb für den Erhalt von Straßen so wenig Geld übrig ist. Genauso wichtig dürfte die Neigung vieler Politiker sein, lieber stolz immerzu neues einzuweihen, statt sich zumindest in gleichem Maß dem Substanzerhalt zu widmen.

Bürger wie Meinolf Thies sind für derlei Verstiegenheiten weniger anfällig und wollen einfach nur, dass die Politik ihren Alltag erleichtert. Sie verbringen halt nicht so viel Zeit in ideologiegetriebenen, auf „Gestaltung“ versessenen Apparaten. Der Sarkasmus dieser Bürger ist ein Warnzeichen und sollte zu denken geben. Gerade an einem Tag wie heute, da sich die politischen Eliten aus einem weitaus größeren Anlass mal wieder wortreich über des Bürgers vermeintliche Dummheit beklagen. Die Distanz wächst – im Großen wie im Kleinen. Gut ist das nicht.