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Essens Alt-OB Wolfgang Reiniger rechnet mit Reinhard Paß ab

Essens Alt-OB Reiniger rechnet mit seinem Nachfolger Paß ab

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Übergabe Amtskette Foto: Ulrich von Born
Keine Gestaltungskraft, falscher Umgang mit Skandalen: In einer scharfen Rede beim CDU-Nominierungsparteitag ließ Essens Alt-Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger an seinem Nachfolger Reinhard Paß (SPD) kein gutes Haar.

Essen. 

Der Vorgang ist ungewöhnlich, Wolfgang Reiniger weiß das selbst: „Ich bin generell der Meinung, dass frühere Amtsinhaber gut beraten sind sich selbst zurückzunehmen und das Feld den Nachfolgern zu überlassen“, sagte Essens Alt-Oberbürgermeister am Freitag Abend beim OB-Nominierungsparteitag der CDU in der Philharmonie zu Anfang seine Rede. Aber er sei schließlich besorgter „Bürger dieser Stadt“. Was dann folgte, war eine Abrechnung mit seinem Nachfolger Reinhard Paß (SPD), die in ihrer Schärfe womöglich auch manchen Delegierten der CDU überraschte und jedenfalls für einen Vorgänger ungewöhnlich ist.

Die Amtsführung von Reinhard Paß sei geprägt durch das Nicht-Wahrnehmen von Verantwortung, durch Lamentieren, durch fehlendes Gestalten und das Schmücken mit fremden Federn, donnerte der Alt-OB. Reiniger knöpfte sich insbesondere die Formulierungen aus Paß’ Bewerbungsschreiben an die SPD-Mitglieder im Zweikampf mit seiner parteiinternen Konkurrentin Angelika Kordfelder vor. Dort hieß es, das „Selbstzweckviererbündnis“ – gemeint ist die vergangene Rats-Kooperation von CDU, Grünen, FDP und EBB – habe ihn am Regieren der Stadt gehindert, ihn „ausgebremst“.

„Selten einen solchen Unfug gehört“

„Selten einen solchen Unfug gehört“, ließ Reiniger den CDU-Parteitag wissen. „Es war doch das Viererbündnis unter der Führung von Thomas Kufen, das dem Oberbürgermeister erst die Mehrheiten für die Verabschiedung der Haushalte verschafft hat.“ Auf die SPD-Ratsfraktion sei in dieser Hinsicht nachgewiesenermaßen kein Verlass gewesen.

Reiniger erkannte an, dass es Paß gemeinsam mit Stadtkämmerer Lars Martin Klieve gelungen sei, den Haushalt auf Konsolidierungskurs zu bringen. „Aber, wo wird denn gestaltet?“, fragte Reiniger. „Aufbruchstimmung? Fehlanzeige! Wofür steht dieser Oberbürgermeister? Der hochgradig theoretische Stadtentwicklungsprozess Essen 2030 reicht ganz sicher nicht.“ Selbst wenn Paß für sich zu Recht in Anspruch nehme, die Kinderbetreuung in Essen verbessert zu haben, so sei der Ursprung auch dieser Erfolge bei der Vorgänger-Stadtregierung, also bei ihm zu suchen, meinte Wolfgang Reiniger.

Paß sei längst nicht immer fürs Sparen eingetreten

Paß sei im übrigen längst nicht immer fürs Sparen eingetreten. Reiniger erinnerte an den SPD-Slogan „Hesse ist überall“ bei der Kommunalwahl 2009, die Paß an die Stadtspitze brachte. „Ausgerechnet der Mann, der den fatalen Eindruck erweckt hat, Sparen müsse nicht sein, es sei alles halb so schlimm, will eine Art Urheberrecht für den heutigen Sparkurs für sich beanspruchen“, höhnte Reiniger.

DemokratiePeinlich sei Paß’ „Lamento“, er habe in seiner ersten Amtsperiode nicht vernünftig regieren können, weil er „im SPD-fernen Verwaltungsvorstand immer auf andere Mehrheiten angewiesen“ gewesen sei. „Im Verwaltungsvorstand gibt es keine Mehrheitsentscheidungen. Bei Meinungsverschiedenheiten mit den Beigeordneten entscheidet der Oberbürgermeister“, stellte Reiniger klar. Paß offenbare hier ein seltsames Rollenverständnis, davon abgesehen habe er, Reiniger, in seiner Amtszeit auch mit jenen Mitarbeitern gute Erfahrungen gemacht, die keine CDU-Mitglieder waren. „Freiraum geben, Kreativität zulassen und fördern – so erreicht man am meisten für die Stadt. Nicht das Parteibuch zählt, die Leistung zählt“, so der Alt-OB.

Im Skandal-Gewitter gebe die Stadtspitze ein „diffuses Bild“ ab

Reiniger beklagte ferner das „diffuse“ Bild, das die Stadtspitze im Skandal-Gewitter abgebe, und das sei „noch sehr glimpflich“ beschrieben. „Der Umgang mit Skandalen – ich sage nur EBE – und Skandälchen dominiert die Wahrnehmung nach außen.“

Die eigene SPD habe Paß zudem „dem Gespött preisgegeben“, als die heutige Parteichefin Britta Altenkamp befand, er sei als OB die falsche Person.

OB-Kandidat Kufen erhielt 178 von 179 Stimmen

Reiniger sang dann das hohe Lied auf Thomas Kufen, der alle nötigen Fähigkeiten für das OB-Amt mitbringe, darunter auch die der angemessenen Kommunikation mit Mitarbeitern und der Öffentlichkeit. „Geben wir ihm heute ein eindrucksvoller Ergebnis mit – auf dem Weg zum Oberbürgermeister unserer Stadt“, forderte Reiniger die CDU-Delegierten auf.

Der Parteitag tat wie ihm geheißen: Kufen erhielt 178 von 179 möglichen Stimmen.