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„Man muss Menschen mögen“

„Man muss Menschen mögen“

Werl. 

Ihr Fahrrad, mit dem sie täglich zur Justizvollzugsanstalt (JVA) Münster gefahren ist, bleibt zu Hause. Seit ihrem offiziellen Dienstantritt in Werl am 17. September muss Maria Look den Weg zur Arbeit mit dem Auto absolvieren. Was heißt „muss“? Die 60-Jährige hat sich voller Überzeugung auf die Stelle der Leiterin von Westfalens bekanntestem Männer-Gefängnis beworben.

„Ist weitläufig hier“, sagt Maria Look und führt den Besuch in ihr Arbeitszimmer („größer als mein altes in Münster“). Sie hat den Schreibtisch versetzen lassen, kann so Menschen, die in ihren Raum treten, direkt in die Augen schauen. Wichtig für jemanden, der gerne mit anderen kommuniziert und einem sofort als umgänglich erscheint. Der Besprechungstisch steht jetzt links neben der Tür, auf ihm leuchtet ein Blumenstrauß – auf den man unwillkürlich blickt, als die neue Chefin sagt, dass das Werler Gefängnis „einen Blumenstrauß an verschiedenen Menschen“ hat.

„Keine einfache Klientel“

„Eine nicht leichte Klientel an Häftlingen“, wie es NRW-Justizminister Kutschaty bei ihrer Amtseinführung sagte? Maria Look will ihrem obersten Dienstherrn nicht widersprechen, aber: „Ich kenne keine Anstalt, die eine einfache Klientel hat.“ Dabei seien Gefängnisinsassen mit langen Haftstrafen nicht per se schwieriger als andere. „Nehmen Sie junge Männer, die erstmals eine Strafe absitzen“, sagt Maria Look. „Man kann oft nicht genug auf sie aufpassen, weil sie starken Stimmungsschwankungen unterlegen sind.“

Ob sie alle Bilder wieder aufhängt, die in ihrem alten Büro in der JVA Münster hingen, weiß Maria Look noch nicht. „Nach 13 Jahren dort ist das schon ein Schnitt“, sagt sie. Die gebürtige Westfälin hat sich mit 60 Jahren noch einmal beruflich verändert. In einem Alter, in dem andere an den (Vor-)Ruhestand denken. Im Justizministerium war man überrascht über ihre Bewerbung – schnell war man sich aber sicher, dass sie die Idealbesetzung ist.

Maria Look gehört, so ein erster Eindruck, nicht zu denen, die einen Aufstieg für das eigene Ego, für die eigene Eitelkeit brauchen. Es sei das Hin und Her um eine Erweiterung bzw. einen Neubau der JVA Münster gewesen, die sie zum Wechsel animiert hätte. Immer wieder neue Pläne und Verzögerungen. Sie hätte die Umsetzung in ihren verbleibenden fünf Dienstjahren nicht zu Ende bringen können. Kein glücklicher Zustand für jemanden, der keine halben Sachen mag. Und der offen für Neues ist: „Ich will in Werl nicht verwalten, sondern etwas machen.“

Die JVA-Chefin lächelt, wie so oft in dem Gespräch. Bei ihrer Verabschiedung nach 13 Jahren in Münster wurde über sie gesagt, dass sie unkompliziert sei. „Bin ich“, sagt sie, „aber nicht immer bequem.“ Wenn sie von einer Sache überzeugt sei, kämpfe sie darum und versuche, andere zu überzeugen. „Das soll aber nicht heißen, dass ich nicht offen für gute Argumente bin.“

Die Radfahrt zur Arbeit fehlt

Vorgänger Michael Skirl hat der 60-Jährigen unter anderem mit auf den Weg gegeben, dass mit dem Neubau eines Hauses für Sicherungsverwahrte („die Arbeiten liegen im Zeitplan“) eine Menge auf sie zukomme – und dass sie eine motivierte Mannschaft vorfinde. Die ersten Wochen haben dies bestätigt: „Ich habe in wohlwollende Gesichter geschaut.“

Maria Look arbeitet seit vielen Jahren im Strafvollzug. Sie hat angefangen, als mit dem neuen Strafvollzugsgesetz die Resozialisierung der Gefängnisinsassen in den Mittelpunkt rückte. „Es herrschte eine Aufbruchstimmung.“ Heute sehe die Bevölkerung es immer weniger als Aufgabe des Gemeinwesens an, Häftlingen eine Perspektive für ein Leben in Freiheit zu geben. „Für immer wegsperren – mit einer solchen Haltung macht es sich die Gesellschaft zu einfach.“

Die neue Werler JVA-Chefin wird ihre Aufgabe mit Durchsetzungskraft und Einfühlungsvermögen bewältigen. „Man muss Menschen mögen. Auch die, die Fehler gemacht haben – auf Seiten der Gefangenen und auch der Bediensteten.“ Maria Look scheint nichts zu fehlen an ihrer neuen Wirkungsstätte. Bis auf die Radfahrt zur Arbeitsstelle. „Ich suche noch eine Möglichkeit der Bewegung für mich“, sagt sie, „bei der Bewegung an der frischen Luft bekommt man die Gedanken frei.“