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Auf den letzten Metern ein Genießer

Auf den letzten Metern ein Genießer

Planica. 

Die schräge Blasmusik ist der Hit unter den Skispringern. „Planica, Planica, du Königin des Schnees“, dröhnt es ab Freitag wieder bei jedem 215-Meter-Flug aus den Lautsprechern, nur die tollkühnsten Adler bekommen im slowenischen Wintersport-Mekka die „Planica-Hymne“ zu hören. Für Michael Neumayer sollte das kein Problem sein. Der Routinier springt mit 34 Jahren nicht nur die beste Saison seiner Karriere, sondern hält nebenbei auch den deutschen Skiflug-Rekord.

231 Meter sprang Neumayer im Januar auf dem „Monster-Bakken“ im norwegischen Vikersund. Der Bayer pulverisierte damit nicht nur Richard Freitags ein Jahr alte Bestmarke, sondern schaffte mit Platz zwei auch das beste Ergebnis seiner Laufbahn. „Ich lerne wohl etwas langsamer“, sagt Neumayer mit einem Augenzwinkern zu seinem späten Höhenflug: „Ein Geheimnis gibt es jedenfalls nicht. Außer harter Arbeit und Freude am Sport.“

Vor dem Saisonfinale in Planica liegt Neumayer in der Gesamtwertung auf Platz acht. Was fast schon einen Quantensprung bedeutet: Bisher war Rang 16 seine beste Platzierung am Ende eines Winters, das war vor fünf Jahren. „Bei Michi läuft es. Er genießt die letzten Jahre“, so Bundestrainer Werner Schuster über den Oldie, der nach Olympia 2014 in Sotschi aufhören will. „Dann ist ein guter Zeitpunkt, um in das Leben nach dem Sport zu wechseln“, sagt der gelernte Steuerberater.

Warum aber gerade jetzt der Knoten geplatzt ist? Michael Neumayer zuckt mit den Schultern. Er habe im Sommer früher mit dem Training begonnen, sagt er, andere Sprungschuhe ausprobiert. Eine richtige Erklärung sei das alles aber nicht. „Ich bin immer noch derselbe Typ, ich heiße noch immer Michi Neumayer und habe noch immer meine Ecken und Kanten. Und die sind nicht so klein“, sagt der einst so ungeduldige Skispringer.

Besonders mit den Sprungrichtern stand und steht der Oberbayer auf Kriegsfuß, Olympia 2006 verfolgt ihn bis heute. „Von den Weiten war ich in Turin Olympiasieger“, sagt der Flugkünstler: „Am Ende bin ich aber nur Achter geworden.“ Bundestrainer Schuster kritisierte die traditionell schlechten Haltungsnoten seines Schützlings öffentlich, geändert hat sich nicht viel. Am vergangenen Wochenende in Oslo bekam Neumayer eine 15,5, ein Sturz wird nicht viel schlechter bewertet. Und dennoch: Am Ende war der älteste DSV-Adler auch der beste. Nicht zum ersten Mal.

Nun also Planica, die zweitgrößte Schanze der Welt. Neumayer hat dort unzählige Flüge absolviert, 2005 sprang er einmal 227,5 Meter, damals deutscher Rekord. „Michi hat ein wenig die Vaterrolle übernommen. Er nimmt eine wichtige Position im Team ein“, sagt Schuster.

In Planica soll Neumayer der Mannschaft vor allem sportlich helfen. In der Nationenwertung kann das DSV-Team noch immer Österreich einholen, das seit acht Jahren Platz eins nicht mehr hergegeben hat. Und Severin Freund hat noch Chancen auf Rang drei der Gesamtwertung, das erreichte zuletzt 2002/2003 Sven Hannawald.

Nicht nur für Michael Neumayer könnte es am Wochenende in Slowenien also Grund zu feiern geben. Ob mit oder ohne Blasmusik.