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Doggln und Prügeltorte: Altes Handwerk im Alpbachtal

Doggln und Prügeltorte: Altes Handwerk im Alpbachtal

Sägerei von Andreas Moser
In der Sägerei von Andreas Moser werden Balkone und Inneneinrichtungen noch in Handarbeit hergestellt. Foto: Bernd F. Meier
Im österreichischen Alpbach wird Wert auf Tradition gelegt. In vielen Werkstätten können Touristen hier fast vergessene Handwerkskünste bestaunen.

Alpbach. 

Der besondere Alpbacher Baustil ist kein Zufall. Im Jahr 1953 legte der Gemeinderat eine strenge Bauordnung für das Bergdorf oberhalb des Inntales fest: Ab dem ersten Stockwerk sind alle Häuser mit Holz zu verkleiden, wenn sie nicht ohnehin komplett aus Holz sind. Satteldächer in Grau sind Pflicht, für die Fenster Holz- oder Bleisprossen. Bei so viel Tradition wundert es nicht, dass sich in Alpbach und den umliegenden Orten alte Handwerke erhalten haben. Für Besucher sperren die Handwerker ihre Werkstätten auf.

Ein Kerl wie ein Baum: „So arbeitet vermutlich keiner mehr“, sagt Sägemeister Andreas Moser. Schon Vater und Großvater waren die Säger von Inneralpbach, und Sohn Andreas nutzt die gleichen Gerätschaften wie damals. Die Sägepresse ist Jahrgang 1867. Früher hat Andreas Moser pro Jahr bis zu 20 Dachstühle geliefert, heute ist es einer. Er sägt jetzt eher Zäune und Balkone zurecht oder Interieur für Nobelwohnungen. „Manches geht bis in die Schweiz. Da spielt Geld angeblich keine Rolle“, sagt der 46-Jährige.

Hier gibt es Doggln statt Fliflops

Zierliches Zickzack: Der Federkielsticker Georg Leitner führt einen winzigen Faden geschickt durchs Leder. Ungefähr 200 Stunden wird es dauern, bis das Stück fertig ist: ein kohlschwarzer Trachtengürtel mit feiner Stickerei, auch Ranzen genannt. Leitner ist einer der letzten Federkielsticker in Österreich. Das Handwerk erlernte der 49-Jährige vom Vater. Sorgen um die berufliche Zukunft muss sich der Handwerker nicht machen: Gürtel mit Federkielstickereien gelten heute als wertvolle Prestigeobjekte, die je nach Aufwand bis zu 3000 Euro kosten können. Auf eine Stickerei warten Kunden etwa ein Jahr.

Trucker und Tüftler: Der Händedruck von Bierbrauer Jos Moser ist kräftig. Der 53-Jährige hat in seinem Leben schon viel gemacht: Sattelanhänger für Lkws konstruieren, mit dem Truck von Duisburg nach Italien fahren. Mit Malz fuhr er zu Brauereien, wo er seine Leidenschaft entdeckte – er wurde Braumeister. Seit diesen Tagen kommen aus der Alpbacher „Kristallbrauerei“ fünf untergärige Biere, etwa süffiges Helles, Dunkles und dazu klassisches Weizen. Und die liefert der Brauer unter anderem für VIP-Partys nach Kitzbühel. Oder nach Sylt, in die „Sansibar“.

Filz und Leder: Drei Stufen hinab, dann stehen die Gäste in der winzigen Schusterwerkstatt von Otto Marksteiner. Flipflops oder derlei modisches Zeug stellt der 86-jährige Meister nicht her – sondern Doggln, das sind typische Tiroler Hausschuhe. Bis zu sieben Stunden benötigt der Schuster für ein Paar, vier Varianten gibt es. „Niemand macht die Doggln so aufwendig wie ich“, findet der Meister. Die Brandsohle ist nämlich aus Filz und die zusätzliche Zwischensohle aus Leder. Meistens schustere man dort einfach Pappe hinein. „Die Touristen lieben Doggln, die halten die Füße im Winter richtig warm.“

Darstellungen der zehn Todsünden

Der rechte Dreh: Die Prügeltorte ist die Spezialität in Brandenberg, einem der Orte im Alpbachtal-Seenland. Mit Gewalt hat die dem Baumkuchen ähnliche Torte gar nichts zu tun. Bloß die konische, mit Pergament umwickelte Walze, die nennen sie hier Prügel. Bei ihrem urigen Gasthof „Kaiserhaus“ führen die Wirtsleute Angelika und Hannes Larch den Touristen vor, wie die Prügeltorte über den Flammen gebacken wird. Mehr als eine Stunde dauert das Backen über dem Feuer, gefühlvolles Drehen und gleichmäßiges Beträufeln sind wichtig. Nur auf diese Weise wächst die Torte Schicht für Schicht, und die typischen Teigspitzen entstehen.

Kunst mit der Kettensäge: Übermannshoch sind die Skulpturen, die Erich Ruprechter erschafft. „Es sind Darstellungen der zehn Todsünden. Ein Auftrag aus Alpbach für eine private Gedenkstätte“, sagt er. Mit der Kettensäge bearbeitet Ruprechter den Baumstamm aus Zirbenholz. Weil es mit der Landwirtschaft immer weiter bergab ging, gab der Vater dem Sohn einen Rat: „Geh‘ doch auf die Schnitzerschule! Da kannst du Herrgottsschnitzer werden und hast dein Auskommen.“ (dpa)