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Wenn ein Reporter sich den Bart trimmen lässt…

Wenn ein Reporter sich den Bart trimmen lässt…

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Essen - Bartmode - Barbier Guido Bösherz Foto: Lars Heidrich
Die Kerle lassen wieder die Gesichter zuwachsen. Leonardo DiCaprio zum Beispiel trägt Vollbart. Franck Ribery kickt mit zugewachsenem Kinn. Wie schon die alten Lateiner sagten: Der Bart macht den Mann. Wir haben unseren bärtigsten Reporter zum Barbier geschickt. Einmal bitte trimmen, ganz modern.

Essen. 

Es ist nicht zu übersehen. Die jungen Kerle lassen wieder die Gesichter zuwachsen. Nicht nur so ein zartes Schnäuzerlein, nein, voll der Bart, dass es nur so rauscht. Die Promis sind auch dabei, Leonardo DiCaprio ist hinter seinem fast verschwunden, Franck Ribery kickt die Mode gerade in die Bundesliga, und die alten Lateiner wussten es eh schon immer: „Barba decet virum. Der Bart macht den Mann.“ Wir wollten dem Phänomen an die Wurzel gehen und haben unseren bärtigsten Reporter zum Barbier geschickt. Einmal bitte trimmen. So, wie man ihn jetzt trägt, den Bart, ganz modern.

Vielleicht zunächst meine ganz persönliche Bart-Historie. Ich habe ihn in meiner Jugend Anfang der 70er einfach wachsen lassen, als das damals im Ausklang des Hippie-Zeitalters schon mal richtig Mode war, ich habe ihn dann über Jahrzehnte nur alle paar Wochen abgesemmelt oder gestutzt, wie es mir gerade in den Sinn kam. Gammlerbart nannten die Alten das damals, und Guido Bösherz findet heute auch eher distanzierte Worte für meine Wolle: „Tja, typischer Hotzenplotz. Aber da lässt sich was machen.“

Der schöne Mann aus der Werbung

Und er kippt den Barbiersessel nach hinten, und dann dringt heftiges Scherengeklapper an mein Ohr, ich entspanne, der Mann muss es wissen, er ist der Experte. 30 Jahre hat er als Friseur gearbeitet, bis er sich dann im April seinen Traum erfüllte: einen Barbier-Salon alter Schule in Essen. „Ganz im Stil der 20er bis 50er Jahre. Nur für Herren. Für Männer.“

Bei der Eröffnung hatte er noch keinen Schimmer, „was ich da für ein Fass aufmache“. Der Laden ist jetzt gut ausgebucht, nicht nur, aber auch wegen des wachsenden Bart-Marktes. Ich höre jetzt ein verdächtiges Schaben an meinem Hals vorne, dennoch beginne ich mutig ein Interview: Woher diese Begeisterung der Jungen für den Bart gerade jetzt? „Einer der Auslöser war Christian Göran aus der TV-Werbung für das Reiseportal Trivago vor einigen Jahren.“ Jau, ich erinnere mich. Der junge schmucke Mann stieg da in einen Lift und lächelte keck zwischen dem rabenschwarzen Vollbart durch.

Da kann ein Bart helfen

„Außerdem glaube ich, dass Männer heute gerne wieder mehr als Männer wahrgenommen werden wollen. Da kann so ein Bart helfen.“ Achdujeh, da trage ich den seit 40 Jahren und hatte keine Ahnung. Was sagen denn die Frauen dazu? „Die eine Hälfte liebt ihn, die andere hasst ihn. Das sind dann die, die mehr den Knaben im Mann suchen.“ Da müssen wir dann doch beide schmunzeln, so weit man das bei uns sehen kann, denn mein Barbier trägt ja auch mächtig Haare im Gesicht. Sein Bart erinnert mich ein wenig an den von Karl Marx, aber vielleicht ist das nicht hip, und so sage ich mal besser nichts.

Über den Bart und seine Geschichte kann Guido herrlich erzählen. Über die Wikinger, die sich Bernstein einflochten, über die Indianer, die viel häufiger Bart trugen, als Winnetou erahnen lässt. Aber es gab und gibt doch auch böse Bärte, oder? „Klar, das haben wir Hitler, dem kleinen Spacko zu verdanken. Dabei war dessen Bart eine Folge des Ersten Weltkrieges. Die Männer trugen zu Beginn volle Bärte wie der Kaiser, die passten aber nicht unter die Gasmasken, da sie aber nicht ganz auf die Zierde verzichten wollten, entstand dieser Oberlippenbart.“

Heiße Kompressen

Guido ist jetzt fertig mit dem Messer, meine Bartkonturen stimmen, der Hals ist bis über den Adamsapfel vom Wildwuchs befreit. So wie es sein soll. Der Meister legt mir jetzt eine heiße Kompresse auf das Gesicht, und das ist ein ganz wunderbares Gefühl. Dazu der Geruch des After Shaves. Guido hat ein Arsenal an Duft-Fläschchen wie in einer Parfümerie. Dann noch den Schnäuzer gezwirbelt… fertig.

Herrlich. Auch männlich? Ich weiß es nicht. Bart oder nicht Bart? Haarspalterei. Da bediene ich mich doch lieber wieder bei den Lateinern: Barba non facit philosophum… Ein Bart allein macht nicht weise…