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Sparkassen an Rhein und Ruhr fürchten um ihr Filialnetz

Sparkassen an Rhein und Ruhr fürchten um ihr Filialnetz

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Handwerk repariert die Leuchtreklame an einer Filiale der Sparkasse in Berlin , Personen , Objekte; 2008, Berlin, Deutschland, kaputt defekt Ausfall; , quer, Kbdig, Einzelbild, Banken, Wirtschaft, Schriftzug, Logos, , , Europa Foto: imago/Gerhard Leber
Wegen der Zinsflaute sorgen sich die 105 NRW-Sparkassen um ihre Erträge und in der Folge auch um ihr Filialnetz. Die Gebühren steigen.

Essen. 

Die historische Zinsflaute nimmt den Sparkassen in Nordrhein-Westfalen zunehmend den Wind aus den Segeln. Zwar konnten die in den beiden Landesverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe organisierten 105 öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute in NRW auch im abgelaufenen Geschäftsjahr 2014 noch auskömmlich wirtschaften. Bei allen wichtigen Kennziffern der Bilanzen blieb man im Schnitt auf Vorjahresniveau oder konnte sich sogar leicht verbessern. Inzwischen aber wird nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand darüber gesprochen, dass bei anhaltendem Zinstief die fetten Jahre bald vorbei sind.

Das Zinsergebnis wird weiter abschmelzen

Spürbar besorgt äußerte sich jetzt der Rheinische Sparkassen- und Giroverband in Düsseldorf. Verbandspräsident Michael Breuer und Geschäftsführer Helmut Schiffer fanden für Branchenverhältnisse ungewöhnlich deutliche Worte. Das historische Zinstief setze die Sparkassen betriebswirtschaftlich zunehmend unter Druck, so die Sparkassen-Manager bei der Vorstellung der Bilanz 2014. Das Zinsergebnis, das im abgelaufenen Geschäftsjahr noch einmal Vorjahresniveau erreicht habe, werde in den kommenden Jahren abschmelzen. Darauf deuteten alle Prognosen hin. Schon 2015 würden die Auswirkungen der nahe der Nullgrenze verlaufenden Zinsen in den Bilanzen der Institute erkennbar sein „und 2016, 2017 zuschlagen.“

Verbandsgeschäftsführer Schiffer hält es gar „für nicht unwahrscheinlich“, dass der so genannte Zinsüberschuss – die mit Abstand wichtigste Erlösquelle der Sparkassen – in den nächsten drei bis fünf Jahren um 20 Prozent einbrechen könnte. Wie die Sparkassen „auf der Kostenseite“ darauf reagieren würden, sei zwar Spekulation. Für Sparkassen-Manager Schiffer steht jedoch fest: „Es kommt.“

1,2 Prozent – oder auch schon mal eine Null vor dem Komma

Tatsächlich ist im Zinsgeschäft für Banken bald kaum noch etwas zu verdienen. Bei Baufinanzierungen sind Zinsen von 1,2 Prozent im Zehn-Jahres-Bereich nicht mehr unüblich. Einzelne Kreditinstitute locken im Internet bereits mit einer Null vor dem Komma. Noch profitieren die Kreditinstitute von langfristigen Kreditverträgen aus der Vergangenheit. Das erklärt auch die guten Bilanzen im Jahr 2014.

Doch die Zinsbindungen beginnen jetzt nach und nach auszulaufen. An Neuabschlüssen verdienen die Banken wegen der niedrigen Zinsen dann erheblich weniger. Das freut Häuslebauer und Konsumenten, sorgt bei Bankern aber für Verdruss. „Die Marge quetscht sich“, sagt Schiffer. Für die Sparkassen mit ihrem dichten Filialnetz ist das noch einmal eine besonders große Herausforderung. Anders als die Großbanken, die einen Gutteil ihrer Gewinne auf dem Börsenparkett erzielen, leben die Sparkassen zu rund 80 Prozent von den Zinsüberschüssen. Den Rest steuern Provisionen und Gebühren bei.

Ein weltweit einmalig dichtes Filialnetz

Finanziert werden muss daraus das weltweit einmalig dichte Filialnetz. Zum Vergleich: Den 2449 Sparkassenfilialen in NRW stehen rund 700 Geschäftsstellen des Branchenprimus’ Deutsche Bank gegenüber – in ganz Deutschland.

Immer wieder sorgen deshalb Spekulationen über ein flächendeckendes Filialsterben der Sparkassen für Unruhe bei Bürgern und Lokalpolitikern. Noch sind die Zahlen der Geschäftsstellen aber stabil. Im westfälischen Landesteil wurde in den beiden letzten Jahren keine einzige der 1427 Sparkassenfilialen geschlossen. Im Rheinland waren es gerade einmal 17 von über 1000. Doch Sparkassenmann Schiffer ist sicher: „Es werden weniger werden.“ Zur Modernität in der digitalen Welt gehöre nun mal die Erkenntnis, Nähe zum Kunden anders definieren zu müssen als nur durch die Filiale vor Ort.

Der Kunde muss es bezahlen – Geldinstitute erhöhen die Gebühren 

Bottrop erhöhte zu Jahresbeginn. Essen will ab 1. Juli die Preise für vier von sechs Girokonto-Modellen heraufsetzen. Viele Sparkassenkunden müssen sich in Zukunft auf höhere Bankgebühren einstellen. Davon geht die Verbraucherzentrale NRW aus. „Schon seit Längerem beobachten wir, dass die Bankenwelt vom Trend zum billigen bis kostenlosen Konto wieder abrückt“, sagte Annabel Oelmann, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale, unserer Redaktion. Die Kreditinstitute versuchten offenbar, durch höhere Gebühren die sinkenden Einnahmen aus dem Kreditgeschäft zu kompensieren.

Dem verständlichen Ärger der Bankkunden darüber hält Verbraucherschützerin Oelmann entgegen, dass es ein kostenloses Girokonto eigentlich nicht gibt. „Service kostet Geld, Filialen kosten Geld“, so Oelmann. Wer also eine Sparkassenfiliale in der Nachbarschaft haben wolle, dem müsse klar sein, dass das seinen Preis habe.

Ärgerlich sind die versteckten Kosten

Die Finanzexpertin rät dazu, die Angebote der Banken genau zu prüfen. Besonders ärgerlich seien versteckte Kosten. Oelmann: „Plötzlich gibt es die Kreditkarte nicht mehr kostenlos.“ Wie teuer ein Girokonto sein dürfe, komme auf den Einzelfall an. „Wer keine Filiale um die Ecke braucht und seine Bankgeschäfte ohnehin nur online tätigt, ist bei einer Direktbank möglicherweise besser aufgehoben.“ Oft wechselten Kunden die Bank aber aus reiner Bequemlichkeit nicht. Achten sollten Verbraucher auch auf die Dispozinsen, die angesichts des historisch niedrigen Zinsniveaus immer noch viel zu hoch seien.