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Nizaqete Bislimi – Vom Flüchtlingskind zur Anwältin

Nizaqete Bislimi – vom Flüchtlingskind zur Anwältin

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Nizaqete Bislimi kam im Alter von 14 Jahren als Flüchtling nach Deutschland. Heute ist sie Anwältin in Essen und kämpft gegen die Diskriminierung von Roma. Foto: Kai Kitschenberg/Funke Foto Services
Sie ließ sich nicht unterkriegen, im Kosovo nicht, im Flüchtlingsheim, in der Uni nicht. Die Juristin hat dabei ihre Wurzeln nicht vergessen.

Köln. 

Es war diese eine Begegnung im Juli, von der mancher sagt, dass sie Angela Merkel zur Flüchtlingskanzlerin gemacht hat, die Begegnung, in der die Regierungschefin auf die Lebenswirklichkeit Abertausender Menschen in Deutschland traf. Reem hieß das palästinensische Mädchen, das die Kanzlerin rührte, seit einigen Jahren in Deutschland, eifrig in der Schule, ständig von Abschiebung bedroht. Nizaqete Bislimi kennt sich in dieser Gefühlswelt nur zu gut aus. Auch sie war einmal ein Flüchtlingsmädchen wie Reem. Jetzt ist sie Anwältin in Essen und kämpft für die Rechte von Flüchtlingen.

Nizaqete Bislimi kam mit 14 Jahren nach Deutschland, zusammen mit ihrer Mutter und den vier Geschwistern, zwei Brüdern, zwei Schwestern. Der Vater blieb zurück im sich auflösenden Jugoslawien, genauer – im Kosovo, wo die Zeichen schon 1993 auf Krieg standen und der Druck auf Minderheiten zunahm. Die Bislimi-Kinder gehörten gleich zwei Minderheiten an, der Vater ein Hashkali, die Mutter eine Romni. „Magjup“, dieses Schimpfwort hatten die Geschwister immer häufiger gehört, „Zigeuner“. „Ich habe meine Identität damals verleugnet“, sagt Bislimi.

Ein langer, ein mühevoller, manchmal quälender Weg

Heute kämpft Nizaqete Bislimi gegen die Diskriminierung von Roma, sie ist Vorsitzende des „Bundes Roma Verbandes“, eine junge, selbstbewusste, engagierte Frau, die ihre Identität gefunden hat. Bis sie sich selbst fand, war es aber ein langer, ein mühevoller, manchmal quälender Weg.

FlüchtlingshilfeNach ihrer Ankunft in Deutschland geriet die Familie in die Mühlen der deutschen Asylgesetzgebung. Erstaufnahmeeinrichtung, ein Schiff auf dem Rhein, ungewohntes Essen, das Bauchschmerzen und Übelkeit verursachte, dann eine vollgepferchte Kaserne in Xanten, junge Männer, die sich prügelten, schließlich ein Containerdorf in Oberhausen, wo die Familie jahrelang auf kleinstem Raum lebte. Gute Begegnungen mit deutschen Helfern, schlechte Begegnungen auf Ämtern, wo Mitarbeiter so taten, als seien sie gar nicht da.

Der Berufsberater riet ihr, zu heiraten

Der abgelehnte Asylantrag, immer wieder die Briefe in den gelben Umschlägen, in denen in schwer verständlichem Bürokratendeutsch die nächste Duldung erklärt wurde. Die Mutter, die jeden Abend eine große Düsternis befiel, weil nicht klar war, ob die Familie am nächsten Morgen abgeschoben wird. „Was, wenn sie uns heute Nacht holen kommen?“ Diese Frage „überschattete meine Jugendjahre in Deutschland“, schreibt Nizaqete Bislimi in ihrer Biografie.

FlüchtlingeSie lernte eifrig Deutsch, strengte sich in der Schule an – „und das mit dem Wissen im Kopf, dass einem das alles womöglich überhaupt nichts nützen wird, wenn man ohnehin samt seiner Familie früher oder später wieder zurückgeschickt wird“ – , kämpfte sich auch dank der Unterstützung von Lehrern auf die Gesamtschule. Bislimi biss sich durch, gegen alle Widerstände, gegen die Angst vor der Abschiebung, gegen den Berufsberater, der ihr lapidar beschied, sie solle heiraten, „sonst hast du keine Chance“. Auch weil da immer wieder Menschen waren, die an sie glaubten, die ihr Mut machten, ihr Anwalt, heute ihr Kollege, das deutsche Ehepaar, das die Familie begleitete.

„Niemand flieht aus Spaß“

1998 das Abitur, danach das Jurastudium. Auch das war überschattet von der ständigen Furcht vor der Abschiebung, bis zum 27. Dezember 2006, als Nizaqete Bislimi den unbefristeten Aufenthaltstitel in den Händen hielt. 2009 bekam sie schließlich die Zulassung als Anwältin. Seitdem arbeitet sie für Menschen, die ein ähnliches Schicksal haben wie sie, und sie setzt sich für eine andere Zuwanderungspolitik ein, gegen die Unterscheidung zwischen „guten“ und „schlechten“ Flüchtlingen, also Kriegs- und sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen, einem Begriff, den es laut Genfer Flüchtlingskonvention gar nicht gibt. Sie sagt: „Niemand flieht aus Spaß.“