Veröffentlicht inPanorama

„Läuft bei dir“: Ausnahmsweise Lob für Jugendwort des Jahres

„Läuft bei dir“: Ausnahmsweise Lob für Jugendwort des Jahres

dpa_147DE80038D1EDC1.jpg
Über "Jugendwort des Jahres 2011" abstimmen Foto: dpa
Jedes Jahr gibt der Langenscheidt-Verlag sein „Jugendwort des Jahres“ bekannt – und im selben Rhythmus erklären Experten, wie alltagsfremd der Begriff auch diesmal wieder ist. Bei den jetzigen Gewinnern sieht das anders aus: Jugendliche und Experten loben die Wahl.

München. 

Ein Wort ist es eigentlich nicht: Doch die Redewendung „Läuft bei dir“ als Synonym für cool oder krass hat es dennoch auf Platz eins beim „Jugendwort des Jahres“ geschafft – und punktet sowohl bei Experten als auch bei den Jugendlichen selbst. „Klar, kenne ich das“, sagt Hannah-Katharina Kiennen. Die 19-Jährige ist Landesschülervertreterin in Rheinland-Pfalz und weiß: „Das Wort benutzen wirklich viele.“

Am Montag verkündete der Langenscheidt-Verlag die Sieger des Wettbewerbes. Auf dem zweiten Platz landete „Gönn dir!“, als Ausdruck für „Viel Spaß dabei“. Auf Rang drei liegt „Hayvan“: Das türkische Wort für Tier könne sowohl positiv als auch negativ verwendet werden – entweder als Synonym für „Muskelpaket“ sowie „treuer Freund“ oder für „ohne Denkvermögen“.

Nur Lob von allen Seiten

Für gewöhnlich melden sich nach der Bekanntgabe Sprachwissenschaftler zu Wort, die kritisieren, die Wahl hätte mit der Sprache von Jugendlichen wenig zu tun. Doch in diesem Jahr loben Jugendliche und Experten die Auswahl.

„Die Gefahr ist groß, dass bei der Abstimmung etwas herauskommt, was niemand kennt. Diesmal klingt aber alles realistisch“, sagt die Sprachwissenschaftlerin Heike Wiese über die Gewinner-Wörter. Und auch Sprach-Experte Nils Bahlo findet: „Im Gegensatz zu den Wörtern der letzten Jahre kommt mir „Läuft bei dir“ authentisch vor.“

Der Begriff ist ein Treffer

Doch ist das wirklich Jugendsprache, wenn die Begriffe jeder zu kennen scheint? „Ich kenne wenige Erwachsene, die wissen was mit der Redewendung gemeint ist“, erklärt Schülervertreterin Kiennen. Auch Bahlo sagt: „Diese Kurzformel trifft den Charakter von Jugendsprache.“

Dass der Langenscheidt-Verlag mit der Wahl die Werbetrommel für sein Buch „100% Jugendsprache“ rührt, findet Bahlo legitim. „Es ist interessant und amüsant, zu sehen, was wir denken, was Jugendsprache ist“, sagt er. Diesmal hätte die Jury sich bemüht, ein Wort auszuwählen, dass tatsächlich im Kern der Jugendsprache vorkomme und deutschlandweit bekannt sei, sagt er. „Wörter wie Yolo oder Babo – die Gewinner der letzten Jahre – haben einen Großteil der Jugendlichen dagegen nie erreicht.“

Das sieht auch Kiennen so – zumindest für Platz eins und zwei. „Die Begriffe werden durchgängig von fast allen Jugendlichen verwendet“, sagt sie. Nur mit dem Begriff „Hayvan“ könne sie nichts anfangen.

Türkisch fließt zunehmend in die Alltagssprache ein

Dennoch tauchen plötzlich verstärkt türkische Begriffe unter den „Jugendwörtern des Jahres“ auf: Im letzten Jahr siegte „Babo“ als ein anderes Wort für „Chef“. Jetzt liegt „Hayvan“ weit vorne. Kein Wunder, meint Sprachforscherin Wiese: „Türkische Begriffe kommen immer häufiger in unserer Alltagssprache vor. Das ist kein Zufall, der Anteil mehrsprachiger Kinder, die neben Deutsch auch Türkisch sprechen, ist groß. Es muss nicht immer nur das Englische sein, das ins Deutsche einfließt.“

Klingt beinahe nach Einstimmigkeit bei Jury, Jugendlichen und Experten – wenn es nicht immer wieder Kritik an dem Verfahren der Wahl gäbe. „Wissenschaftlich betrachtet, ist die Datenlage der Wahl problematisch: Jede Altersklasse kann an der Umfrage im Internet teilnehmen“, meint Bahlo.

„Fappieren“ fiel durch

In der Vorabstimmung hatte sich gezeigt, wie Ergebnisse manipuliert werden können: Das Webforum „4chan“ hatte dazu aufgerufen, für das Wort „fappieren“ zu stimmen. Angelehnt an das englische Verb „to fap“ soll es die jugendliche Art sein, über Masturbation zu sprechen. Das Wort lag am Ende deutlich vorne. Doch die Jury ignorierte das Ergebnis. „Die Abstimmung im Internet ist immer manipulierbar“, erklärt ein Verlagssprecher. „Deshalb ist die Jurywahl auch nötig.“

Mit dem „Jugendwort des Jahres“ wirbt der Münchner Langenscheidt-Verlag Jahr für Jahr für sein Buch „100% Jugendsprache“. In den vergangenen Jahren wurden „Babo“ (2013), „Yolo“ (2012), „Swag“ (2011), „Niveaulimbo“ (2010) und „hartzen“ (2009) gekürt. (dpa)