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Griechischer Wein überrascht im Test

Griechischer Wein überrascht im Test

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Verkostung von griechischem Wein in Gladbeck Foto: Martin Möller/WAZ-FotoPool
Der griechische Wein kämpft gegen sein schlechtes Image, das nicht zuletzt durch den geharzten Retsina geprägt ist. Dafür kamen die Winzer nach Gladbeck und präsentierten Originalität und Qualität. Das Ergebnis überrascht. Griechischer Wein ist durchaus trinkbar.

Gladbeck. 

Retsina, der geharzte Weißwein aus Griechenland, kann wunderbar sein. Nämlich dann, wenn man an einer Strandpromenade auf Kreta sitzt, die Sonne gerade untergeht und gegrillter Octopus auf dem Teller liegt.

Retsina kann furchtbar sein. Nämlich dann, wenn er im griechischen Restaurant um die Ecke neben der Dionysus-Platte lauwarm im Glas schwappt und draußen Schneeregen fällt. Im Supermarkt gibt es die Zwei-Liter-Flasche für 4,98 Euro. Geschmack: Harz Vier! Manche glauben tatsächlich, so müsste Griechenland schmecken.

„So ein Quatsch“, sagt Martin Darting. Darting ist ein Wein-Profi. Er ist Winzer, hat sich zum Sensorik-Experten weiter gebildet und fliegt als Weinmacher um die Welt. Südafrika, Frankreich, USA, an diesem Abend: Gladbeck.

„Als das Thema Griechenland aufkam, dachte ich erst: Ach nee, lieber nicht. Dann bin ich zwei Wochen losgezogen und habe mit vor Ort soviel wie möglich angesehen“, erzählt er. Er hat Sachen gesehen, die ihm als Winzer einen Schreckens-Schauer über den Rücken jagten. Und er hat Sachen gesehen, die ihn begeistert haben.

Weil das Gute überwog, hat Darting den „Griechischen Weinpreis“ mitorganisiert, und er hat griechische Winzer nach Deutschland mitgebracht, um „regionale und originelle Weine zu vernünftigen Preisen“ vorzustellen.

Es wird Zeit zum Probieren

Genug der Worte, es wird Zeit, endlich zu probieren. Was können die griechischen Winzer tatsächlich? Fangen wir mit einem Weißwein an: Assyrtiko Sur Lie von 2011 aus der Kellerei Evharis, Silber beim Weinpreis, die Flasche für 10,50 Euro.

In der Nase Apfel, Limone, frische Kräuter. Könnte ein Grauburgunder sein, ist es aber nicht. Wie der Name schon sagt: Der Wein ist zu 100 Prozent aus der Rebsorte Assyrtiko gekeltert, eine der vielen autochthonen Trauben Griechenlands. Also der Trauben, die nur in dieser Region wachsen.

Probiert man den Assyrtiko, überrascht er. Kräftig, frisch, säurebetont. Ein Powerwein, die wunderbare Alternative für den gegrillten Octopus auf dem Teller an der Strandpromenade. Oder beim Griechen nebenan.

Warum bestellen die Restaurantbesucher in der Pizzeria ohne großartig mit der Wimper zu zucken eine Flasche Wein für 30 Euro und begnügen sich beim Griechen mit einem Glas Retsina?

Nicht nur Frankreich und Italien machen guten Wein

„Es hat mit Klischees zu tun“, glaubt Evangelos Chatzivarytis. Chatzivarytis ist Winzer und ein wenig ist er auch Künstler. Er trägt einen schwarzen Schlapphut, den er selbst bei der Weinprobe nicht absetzt. Sein Biowein Goumenissa 2007 hat beim Weinpreis ebenfalls Silber gewonnen. Doch kaum einer weiß es. „Die Deutschen und alle anderen gucken nach Frankreich und Italien“, sagt er. „Dabei gibt es viele viele Nationen, die guten Wein machen. Leider ist das den meisten noch gar nicht richtig bewusst.“

Doch daran lässt sich arbeiten. So, wie es zum Beispiel Martin Darting macht. Bei seinem Besuch auf dem Weingut Evharis in Attika fragte ihn der Besitzer mit Blick auf die Weinberge voller Syrah-Trauben: Niemand will meinen Wein kaufen, was soll ich machen?

Man muss vielleicht etwas schräg und groß denken, wenn Ideen funktionieren sollen. Und so riet Darting dem Griechen: Mach’ aus den roten Syrah-Trauben einen weißen Wein, entwerfe ein modernes Etikett und gehe mit dem ungewöhnlichen Produkt werbemäßig nach vorn!

Die schräge, große Idee

Die Griechen schauten leicht irritiert, setzten die Idee aber um, und das Resultat steht in Gladbeck auf dem Tisch: „White Syrah“. Ein leichter, angenehmer Weißwein für die Sommerabende auf der Terrasse, sogar mit „Silber“ dekoriert, zum Preis für 9,90 Euro.

Aber der weiße Syrah ist mehr: Er ist ein Türöffner. „Wir wollten damit den deutschen Weingeschmack treffen“, so Darting. Das haben die Griechen geschafft, und wer den weißen Syrah mag, der schaut möglicherweise auch nach anderen Weinen aus Griechenland.

Etwa nach den Roten. Im Glas: Der „Bond 2010“ von Rira Tsitas. Ein anderer Stil, nicht aus den autochthonen Griechenlands gekeltert, sondern aus Cabernet Sauvignon und Merlot. Klingt nach Bordeaux, schmeckt ein wenig nach Bordeaux, hat nicht die Größe von Bordeaux, kostet aber auch nicht soviel wie Bordeaux: Für 8,90 Euro ein spannender Wein.

Vassilios Christodoulatos exportiert die Weine seiner Heimat in alle Welt und weiß, dass nicht von heute auf morgen alle Menschen griechischen Wein kaufen werden. „Unsere Weinkultur ist ein paar tausend Jahre alt“, sagt er. „Da werden wir doch jetzt nicht wegen ein paar Jahren mehr oder weniger die Nerven verlieren.“ Gute Einstellung, guter Wein: Jamas – Prost!