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Goya als Porträtmaler in Londons Nationalgalerie

Goya als Porträtmaler in Londons Nationalgalerie

Alptraumhafte Fratzen mit weit aufgerissenen Augen, gruselige Szenen in düsterem Licht – das sind Bilder, für die der spanische Künstler Francisco de Goya (1746-1828) weltberühmt ist. Doch es ist nur eine Seite seines Schaffens. „Zu Lebzeiten, im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, wurde er als brillanter Porträtmaler gefeiert“, sagt Xavier Bray, Kurator der Ausstellung „Goya: The Portraits“ an der Londoner National Gallery.

London. 

Es ist die erste Schau, die sich ausschließlich mit Goya als Porträtmaler beschäftigt – „einem der größten Porträtmaler der Geschichte“ wie Bray betont.

Ein längst überfälliges Projekt, schließlich waren ein Drittel der Bilder des Spaniers Porträts seiner Zeitgenossen. Mehr als 150 sind erhalten, etwa 70 sind von Mittwoch an bis zum 10. Januar in London zu sehen. Die großen Gemälden, Miniaturen auf Kupfer und feinen Kreidezeichnungen spiegeln die künstlerische Entwicklung Goyas wider, der das Porträtieren erst mit Ende 30 für sich entdeckte und schließlich zum Hofmaler Karls IV. wurde.

„Die Ausstellung nimmt uns mit auf die Reise mit Goya durch 50 Jahre Malerei“, sagt Gabriele Finaldi, Direktor des Museums. Der Kunsthistoriker war in diesem Jahr vom Madrider Prado nach London gekommen. Auch seinen exzellenten Kontakten ist es zu verdanken, dass die National Gallery nun Bilder zeigt, die nie zuvor Teil einer öffentlichen Ausstellung waren oder bisher nur in ihren Heimatmuseen hingen. Alleine aus dem Museo del Prado kommen zehn der Bilder.

Die Reise beginnt etwa 1780 mit einem Selbstporträt des noch recht jungen Malers und endet 47 Jahre später mit einem Bildnis seines geliebten Enkels Mariano – es ist das letzte Bild Goyas, der damals freiwillig im französischen Exil lebte. Die Besucher in der Londoner Nationalgalerie begegnen Aristokraten, intellektuellen Aufklärern, Freunden und Förderern wie der Herzogin von Alba sowie der Familie Goyas in einer Zeit dramatischer politischer Umbrüche.

Seine Kunden waren die Granden der spanischen Gesellschaft, etwa der spanische König Carlos III. und dessen jüngerer Bruder Luis de Borbón mit seiner Familie – doch der Künstler unterwarf sich nicht ihrem Diktat. „Er wollte kein Sklave der Aristokratie sein und suchte sich genau au, wen er malen wollte“, erklärt Kurator Bray.

Erwies er jemandem die Ehre, dann bildete er mehr als das Äußere ab. Pose, Mimik und Blick verraten mindestens genau so viel über die Menschen – nicht schmeichelnd, aber ohne ihnen zu nahe zu treten. Oder, wie Museumsdirektor Finaldi es ausdrückt: „In Goyas Porträts haben wir immer echte Personen vor uns.“

Wer mit Goya durch die Jahrzehnte wandert, sieht einige seiner Modelle aufwachsen. Zu den berührendsten Bildern gehört das der etwa 21 Jahre alten Marquise de Santa Cruz, abgebildet als Muse – es ist eine der Prado-Leihgaben. Der Marquise sind die Zuschauer bereits als kleines Mädchen begegnet, das sich am Rock ihrer Mutter festhält. „Für mich geht es dabei um Vertrauen“, erklärt Bray. Weil sie ihn schon als Kind kannte, habe sie Goya erlaubt, sie in so einer erotischen Pose zu porträtieren. „Es ist anders als alles, was sonst in Spanien zu dieser Zeit gemalt wurde.“