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Fünffach-Mutter schreibt Ratgeber für Großfamilien

Fünffach-Mutter schreibt Ratgeber für Großfamilien

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Foto: Stefanie Brandeburg
Für die Kölnerin Daniela Nagel stand immer fest, viele Kinder haben zu wollen. Weil sie auch den richtigen Mann dazu hat, ist sie heute Mutter von fünf Kindern. Allen Vorurteilen zum Trotz hat die Romanautorin ein Mütter-Mutmachbuch geschrieben, ein Plädoyer für Toleranz auf allen Seiten: „Fünf Kinder? Sie Ärmste!“

Köln. 

Drei Kinder wollte Daniela Nagel immer haben, mindestens. Als die 38-Jährige mit dem fünften Kind schwanger war, setzte sie sich vor den Computer und googelte „Großfamilie“. Von Wikipedia wurde sie als „Randgruppe“ eingestuft, akut armutsgefährdet, die Kinder mit sozialen Defiziten belastet. Mehrheitlich tauchte im Internet das Wort „asozial“ auf. In nachmittäglichen TV-Doku-Soaps sah Daniela Nagel „Frauen mit dunklen Augenringen, die die erste von fünf täglichen Waschmaschinen beladen, die aussahen, als reiche es bei ihnen selber nur für eine Katzenwäsche“. Deshalb setzte sie sich, als Söhnchen Benni geboren war, hin und schrieb ihr Müttermutmachbuch, ein Plädoyer für Toleranz auf allen Seiten – ob mit, ohne, oder mit vielen Kindern. Titel: „5 Kinder? Sie Ärmste!“.

Das Leben ist kein Kindergeburtstag

Auch das geht zum internationalen Frauentag – eine Geschichte über eine glückliche Fünffach-Mutter. Daniela Nagel ist mit zwei Schwestern aufgewachsen, die beide noch keine Kinder haben, aber die besten Patentanten der Welt sind. Weil sie keine Brüder hat, stand für sie fest, selbst für eine große Familie zu sorgen. Glücklicherweise für ihren Mann, einen Bauingenieur, auch: „Das ist die Voraussetzung, aber längst nicht selbstverständlich“, sagt sie. Nebenher und hauptsächlich studierte sie Philosophie und Neuere deutsche Literatur und arbeitet als Schriftstellerin gerade an ihrem zweiten Roman, einer Fortsetzung vom Erstling: „Das Leben ist kein Kindergeburtstag“. Da geht es um eine völlig überforderte Drillingsmutter, die Freundschaft schließt mit einer ungewollt schwangeren Karrierefrau.

Da stecken nur ein bisschen die Erfahrungen der echten Daniela Nagel drin, das meiste ist Fiktion, denn die Autorin ist weder überfordert, noch war sie jemals ungewollt schwanger, im Gegenteil: Sie schreibt, wenn Alex (14), Emilia (12), die Zwillinge Georg und Luis (8) und Benni (3) in Schule und Kindergarten sind und sieht die Möglichkeit, trotzdem viel für die Kinder da sein zu können, als wunderbaren Kompromiss.

Haushalt als Energiefresser

Nicht, dass sie nicht auch genervt sein könnte. Von der Hausarbeit etwa, „ein wahrer Energiefresser“. Sie rät, alle Fünfe gerade sein zu lassen, die Kinderhose mit dem kleinen Fleck kommt nicht sofort in die Wäsche. Trotzdem läuft die Waschmaschine zweimal am Tag, „und wenn wir einkaufen, ist das eine logistische Meisterleistung!“

Klar, die Familie ist vergleichsweise privilegiert, knapp ist das Budget für sieben Köpfe doch. Daniela Nagel würde gerne Haus- und Erziehungsarbeit besser verteilt wissen, aber „die finanzielle Situation fordert, dass wir zu zweit arbeiten und davon einer eben Vollzeit – mein Mann“. Dass man kinderreichen Familien unterstellt, sich mit dem Kindergeld gesundzustoßen, stört sie gewaltig. Die Nagels sind nicht arm, doch wenn man den Kindern Ballett und den Turnverein ermöglicht, muss eine Patentante den Gitarrenunterricht für die Zwillinge sponsern.

Daniela Nagel schafft es, sich mit Freundinnen zu treffen und zum Sport zu gehen. Sie macht es einfach. Auch als Paar nehmen sie sich gemeinsam Auszeiten. Und doch wird ein Ehepaar mit fünf Kindern zum Organisationsteam mit verteilten Rollen, das sich irgendwann zwischen 22 Uhr und Mitternacht trifft. Das muss man wissen.

Je älter man als Mutter sei, weiß sie, umso perfekter will man sein. Die Autorin weiß aber auch, dass viele junge Frauen sich Kinder wünschen, sich dann doch anders entscheiden, dass viel von Männern abhängt, die keine Väter sein wollen, dass Paare sich trennen, Karrieren wichtiger sind.

Ihr waren eben Kinder wichtig. Und so hat sie es erstaunt zur Kenntnis genommen, dass „ich mit drei oder vier Kindern um mich herum von Fremden etwas einfältig eingeschätzt werde, bis ich sage, dass ich studiert habe.“ Als sie mit dem fünften Kind schwanger war, musste sie feststellen, dass es ihrem ältesten Sohn zeitweise etwas peinlich war, in der Schule oder mit Freunden darüber zu reden.

Unterm Strich aber bleibt ein dickes Plus: „Großfamilie heißt, dass sich die Phase, die man mit Kindern verbringt, verlängert.“ Die Kinder erziehen sich gegenseitig, haben mehrere enge Bezugspersonen, seien gewiss auch freier, weil nicht ständig der Aufmerksamkeit der Eltern ausgeliefert.

Eltern sein wird nicht genug gefördert

Und die Nachteile? „Eltern sein wird einfach nicht genug gefördert. Wer beruflich zurücksteckt, bekommt weniger Rente, kann weniger zurücklegen und so weiter“, sagt Daniela Nagel: „Warum nicht so ein Modell, wie es Familienministerin Schwesig angestoßen hat? Eltern arbeiten jeweils 32 Stunden, bekommen Lohnausgleich aus dem Steuertopf und können sich mehr um Kinder kümmern.“

Ein Modell, für das Manuela Schwesig politische Prügel bezog. „Manches, was man sich heute nicht vorstellen kann, wird morgen Realität“, sagt Daniela Nagel. Sie habe durch die Recherche an ihrem Buch neue Sichtweisen bekommen, sie respektiere Vollzeitmütter wie vollzeitberufstätige Mütter, und dass man auch ohne Kinder glücklich sein kann, daran habe sie keinen Zweifel. Mit Ursula von der Leyen (7 Kinder) und Angelina Jolie (ebenso) möchte sie nicht tauschen, aber beides sind Protagonistinnen dafür, dass man das eine tun kann, ohne das andere zu lassen: Kinder haben und erfolgreich sein. Und ansehen tut man den Frauen die Kinderschar auch nicht: „Die Zeiten, als Mütter auf keinen Fall sexy waren, sind vorbei“, sagt Daniela Nagel. Und das ist gut so.