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Zwangsarbeiter in der DDR fertigten Möbel für Ikea

Zwangsarbeiter in der DDR fertigten Möbel für Ikea

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Foto: imago
Auch politische Häftlinge mussten im Osten für West-Firmen wie Möbel- und Versandhäuser produzieren. Im Gegensatz zu anderen Konzernen stellt sich der schwedische Konzern Ikea nun seiner Verantwortung und entschuldigte sich bei den Betroffenen.

Berlin. 

Das schwedische Möbelhaus Ikea hat in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Häftlinge und auch politische Gefangene in der DDR zur Produktion ihrer Stühle und Regale eingesetzt. Das ergab eine Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young im Auftrag des Unternehmens.

„Ich drücke im Namen unseres Unternehmens unser tiefstes Bedauern darüber aus“, entschuldigte sich der Geschäftsführer von Ikea Deutschland, Peter Betzel, gestern vor ehemaligen Gefangenen in der Berliner Stasi-Behörde. Der Konzern will nun die wissenschaftliche Aufarbeitung der Zwangsarbeit in Ostdeutschland finanzieren.

Wer nicht spurte, bekam Dunkelarrest

Ikea hat damals mit den der Stasi unterstellten Außenhandelsbetrieben zusammengearbeitet. Diese wiederum gaben die Aufträge an einzelne Betriebe weiter, die dann auch Sträflinge zur Fertigung zwangen. Nach der Auswertung von Tausenden Unterlagen aus den Archiven von Ikea, der Stasi-Unterlagenbehörde sowie öffentlicher Archive stand für die Gutachter fest, dass am Ende der Produktionskette wohl auch zu Unrecht festgehaltene politische Gegner des Regimes mitarbeiten mussten.

Wie massiv dabei Zwang ausgeübt wurde, schildert der frühere Häftling Alexander Arnold, der als Friedensaktivist 1983 elf Monate in Naumburg inhaftiert war. „Es gab Mumpe, also Dunkelarrest“, erinnert er sich mit stockender Stimme an die Strafe für zu geringe Leistungen an der Stanzmaschine, mit der Stühle für die Schweden produziert wurden.

Höhere Arbeitsnorm für Häftlinge

Die Arbeitsnorm lag seiner Aussage nach bei 250 Prozent der üblichen Leistung. „Das haben die Maschinen gar nicht geschafft“, berichtet er. Eine komplette Arbeitsverweigerung wurde demnach noch härter betraft. Bis zu sechs Wochen lang wurden aufsässige Gefangene in Einzelhaft an Händen und Füßen ans Bett gefesselt.

Ikea hat sich zwar vergewissert, dass keine politischen Häftlinge für die Fertigung eingespannt wurden. Doch spätestens 1981 wusste die Einkaufsabteilung des Konzerns davon, zog sich aber nicht sofort zurück, sondern vereinbarte mit dem Partnerunternehmen, dass „nicht in geschlossenen Anstalten für Ikea produziert werden“ dürfe. Die Kontrollen hätten nicht ausgereicht, gesteht Betzel nun ein.

Ikea führt unangemeldete Kontrollen bei den Betrieben durch

Das Möbelhaus hat nach eigenen Angaben inzwischen strenge Richtlinien für die Zusammenarbeit mit den weltweiten Zulieferern erlassen. Rund 1000 meist unangemeldete Kontrollen der Betriebe würden jährlich durchgeführt.

Bei den Opferorganisationen kam die Offenheit des Konzerns im Umgang mit der Vergangenheit gut an. Sie fordern auch weitere Unternehmen auf, sich zur Beschäftigung von Zwangsarbeitern zu bekennen. „Die meisten anderen Unternehmen haben auf Durchzug geschaltet“, kritisiert Rainer Wagner von der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG). Insbesondere die Versand- und Warenhäuser hätten auch in Gefängnissen Waren anfertigen lassen.