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„War stets bemüht“ – Was im Arbeitszeugnis wirklich steht

„War stets bemüht“ – Was im Arbeitszeugnis wirklich steht

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Foto: picture alliance / dpa-tmn
Ist das Zeugnis gut oder nur mäßig? Mit versteckten Floskeln bewerten Personalchefs ihre Angestellten. Eine Übersetzungshilfe für Arbeitszeugnisse.

Essen. 

In vielen Arbeitszeugnissen steht auf den ersten Blick nur Gutes. Doch was bedeuten die vielen Floskeln und Formulierungen eigentlich? Was gut klingt, entspricht manchmal trotzdem nur der Note befriedigend oder ausreichend.

„Glauben Sie wirklich, Sie haben gute Zeugnisse?“ – die Frage musste sich ein Bewerber vom Personalchef während eines Vorstellungsgesprächs gefallen lassen – ein späterer Klient von Günter Huber. Der Freiburger Rechtsanwalt hat mehrere Bücher zum Thema „Arbeitszeugnisse“ verfasst. Er kennt die Floskeln: „Laien sind sie oft jedoch nicht geläufig“.

Das kleine Wörtchen „stets“

Auf solche Standard-Phrasen gilt es zu achten:

„Stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ ist eine glatte Note Eins.

„Stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ entspricht der Note Gut.

„Stets zu unserer Zufriedenheit“ ist gleichbedeutend mit Befriedigend.

In der Beurteilung wird dem kleinen Wörtchen „stets“ ein großes Gewicht gegeben. Wem ein „stets vorbildliches“ Benehmen attestiert wird, hat sich im Unternehmen immer sehr gut verhalten. Wer sein Verhalten als mit „einwandfrei“ beschrieben sieht, wird vom Chef mit einer Drei bewertet.

Auf eine eher unterdurchschnittlich schlechte Bewertung deutet die Formulierung „ohne Tadel“ oder „hat den Erwartungen entsprochen“ hin. Mit einem Mangelhaft ist die Beschreibung „war bemüht“ gleichzusetzen. Heißt es im Zeugnis: „über sie/ihn ist nichts Nachteiliges bekannt geworden“, kommt dieser Teil der Bewertung einem Ungenügend gleich.

ArbeitszeugnisGenauer hinschauen sollte man auch bei der Reihenfolge von Formulierungen. „Er wurde von seinen Kollegen und Vorgesetzten stets geschätzt“ – eine Floskel, die bedeutet, dass es dem Mitarbeiter wichtiger war, die Kollegen bei Laune zu halten als seine Vorgesetzten. Dies verrät Marta Böning. Die Expertin von der DGB Rechtschutz GmbH hat noch mehr Tipps parat: „Die Schlussformel ist wichtig. Man hat zwar keinen Anspruch darauf, aber dennoch sagt sie einiges aus“. Steht dort nämlich – „Wir bedauern sehr (oder außerordentlich), dass wir mit Frau xy eine sehr engagierte und erfolgreiche Mitarbeiterin verlieren müssen und wünschen ihr für ihre Zukunft alles erdenklich Gute“ – bedeutet dies, dass der Arbeitgeber es schade findet eine so kompetente Mitarbeiterin zu verlieren.

Ein Schlusssatz kann aber auch einfach so formuliert werden: „Wir wünschen Ihnen für die berufliche Zukunft alles Gute!“ Ein Bedauern wird hier jedoch nicht zum Ausdruck gebracht.

Bewusstes Auslassen

Von der „Technik des bewussten Auslassens“ weiß auch Huber zu berichten. In manchen schlechten Zeugnissen würden unwichtige Fähigkeiten in den Vordergrund gerückt und die wichtigen einfach weggelassen. „Da wird beispielsweise einer Führungskraft im Zeugnis Pünktlichkeit attestiert, was nichts Gutes heißt“, meint er. Auch bei der Floskel: „Sein persönliches Verhalten zu Kollegen und Mitarbeitern war immer gut“, fehlt etwas – die Nennung der Vorgesetzten. Das lässt darauf schließen, dass es Probleme mit den Chefs gab.

Generell empfiehlt er, das Arbeitszeugnis kritisch zu lesen. Es seien viele Informationsquellen vorhanden, um die verwendeten Floskeln zu kontrollieren, so wie beispielsweise das Internet. Wer sich als deutlich zu schlecht beurteilt sieht, sollte das Zeugnis monieren. „Meistens machen es die Arbeitgeber schon“, so Huber, „nur etwa fünf Prozent sind hartnäckig und lassen es auf einen Gerichtsstreit ankommen.“

Tjark Menssen von der DGB Rechtsschutzabteilung empfiehlt außerdem bei einem Kündigungsschutzverfahren immer auch auf das Arbeitszeugnis einzugehen: „Es ist höchst ratsam, sich in diesem Vergleichsverfahren auch über Zeugnisformulierungen zu unterhalten“.