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Transrapid – Das Aus einer milliardenschweren Zukunftsvision

Transrapid – Das Aus einer milliardenschweren Zukunftsvision

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Dieser Schnellzug steht zum Verkauf. Foto: Friso Gentsch/dpa.
  • Magnetschwebebahn Transrapid sollte als Metrorapid Pendler durchs Ruhrgebiet befördern
  • Projekt wurde nach Unglück auf Teststrecke eingestellt
  • Bis zum 25. Oktober kann der letzte Prototyp des Transrapid ersteigert werden

Essen. 

Es war einmal ein Milleniums-Traum. Als Punktlandung zur Jahrtausendwende präsentierten Siemens, ThyssenKrupp und die nordrhein-westfälische Landesregierung eine hübsche Zukunftsvision. Der Pendler sollte von Dortmund nach Düsseldorf zwischen Fahrbahnen der A40 mit Tempo 200 reisen. Zwanzig Minuten zwischen dem Ost-Revier und der Landeshauptstadt – welch weltweit attraktives Spektakel! Alle zehn Minuten hätte an Stationen in Bochum, Essen, Mülheim und Duisburg der „Metrorapid“ leise angedockt, um nach dem Einstieg der Fahrgäste – 34 Millionen jährlich waren prognostiziert – durch überbreite Türen dem Ziel entgegenzuschweben.

War alles nichts. Schon 2003, drei Jahre vor der geplanten Inbetriebnahme zur WM 06, ließ Peer Steinbrück, der Nachfolger des Metrorapid-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement, das Projekt beerdigen. Zu teuer. Zu unrealistisch. Was soll Tempo 200, wenn im dichtbesiedelten Ruhrgebiet alle paar Kilometer ein Halt eingelegt werden muss? Und: Die angedachten 3,4 Milliarden Euro Kosten waren nie realistisch gewesen. Am Ende fehlten 1,5 Milliarden.

Transport des Prototypen müsste auf eigene Kosten erfolgen

Jetzt dürfen die älter gewordenen Fans und Planer der Magnetbahn ruhig ein Tränchen vergießen – und vielleicht mitbieten? Bis zum 25. Oktober ist bei der Frankfurter Vebeg, dem Verkaufs- und Abwrackunternehmen des Bundes, das Gebot für den Kauf des letzten Prototyps des Zuges namens TR 09 einzureichen. Geeignet für jeden größeren Garten, wenn der potenzielle Käufer in der Lage ist, das rote, knapp 80 Meter lange und 170 Tonnen schwere Gerät vom langjährigen Parkplatz im Emsland auf eigene Kosten nach Hause zu bringen.

Stoiber-RedeHier weit im Nordwesten, gerade zehn Kilometer vor Hollands Grenze, rosten noch andere Reste des teuren Technologie-Abenteuers vor sich hin. Das war: Mit Tempo 500 durch die ganze Republik zu schweben. Von Nord nach Süd. Von Dortmund nach Düsseldorf eben, aber auch vom Münchner Hauptbahnhof zum Franz Josef Strauß-Airport und von Hamburg zum Theaterabend nach Berlin in nur 52 Minuten.

Es war so eine Illusion der 80er und 90er Jahre, als im wiedervereinigten Deutschland am Ende viele blühende Landschaften möglich schienen. Wer damals durch die Ems-Auen nördlich von Meppen stromerte, sah ein weißes Band auf Stelzen, hörte ein Surren, spürte den Windzug, vor dem die kreischende Vogelwelt rechtzeitig in Deckung gegangen war. Der „Transrapid“ auf Testfahrt.

In der Kabine – breiter angelegt als die eines ICE 3 – reisten bequem und in „Flugrichtung“ die interessierten Investoren aus dem Ausland mit vielen Fragen: Konnte der radlose deutsche Superzug auch zwischen New York und Boston, Rio und Sao Paulo, zu den Moskauer Flughäfen und zwischen Kuala Lumpur und Singapur in Asien unterwegs sein? Dürfte man ihn ohne Stelzen bauen? Wäre sein stabiles Magnetfeld, aufgebaut durch starke Elektromotoren, in der Lage, Güter von A nach B zu bringen? Einmal ließen die Verantwortlichen sogar japanische Besucher nicht zusteigen. Die Angst vor dem Abkupfern deutscher Hochtechnologie des vormaligen Erfinders Hermann Kemper saß tief.

Der Traum wurde irgendwann zum Albtraum 

Alle Euphorie zwischen 1980 und der Jahrtausendwende hat nichts gebracht. Der Traum wurde irgendwann zum Albtraum. Spätestens mit der Katastrophe vor jetzt zehn Jahren. Am 22. September 2006, um 9.30 Uhr morgens, krachte der ferngesteuerte Waggon 08 mit 30 Fahrgästen an Bord bei Tempo 200 in einen Werkstattwagen, der die Trasse säubern sollte. 23 Menschen starben. Beim Prozess stellte sich heraus, dass zwar keine zwei Schwebezüge kollidieren konnten, der Werkstattwagen aber nicht ins Sicherheitssystem integriert war. Die Technik hatte funktioniert, der Mensch nicht. Der Ruf war endgültig ruiniert.

Die Teststrecke nahe Lathen, 32 Kilometer lang mit zwei Wendeschleifen an Nord- und Südende, ist heute lebloses Terrain. Nur zwischen der chinesischen Metropole Shanghai und ihrem Flughafen ist der Transrapid verwirklicht worden. Lädiert stehen die fünf Meter hohen Pfeiler und die Magnetschiene in den nordwestdeutschen Wiesen.

Selbst der Abriss zieht sich hin

Denn Deutschland ist nicht nur nicht in der Lage gewesen, die superschnelle Magnetbahn für den Regelbetrieb im eigenen Land zu bauen. Es ist mit seinen komplizierten staatlichen Strukturen und der Neigung seiner Politiker und Manager, sich über falsche Kostenprognosen zu zerlegen, mehrere Jahre nach der letzten Fahrt nicht mal fähig, den Fehlschlag ordentlich abzuschließen.

Sicher, auch das ist ein Mammutjob. 18 Meter in die Erde getriebene Stelzenfundamente sind dafür zeitgerecht auszugraben, 200.000 Tonnen Beton, 36.100 Tonnen Schrott und 500 Tonnen Kupfer abzuräumen und die Fläche ist dem nächsten hier anvisierten Zukunftsprojekt-Test zu überlassen: Dem des E-Auto, das künftig in Lathen getestet werden soll und für das man logischerweise die gestelzte Piste nicht braucht . Nur wenige erste Arbeiten haben stattgefunden. Ein Streit, wie die Räumung zu bezahlen ist, hat alles verzögert.

Denn es zeichnet sich ab, dass der Abriss der Teststrecke die hohen Kosten ein letztes Mal höher treiben wird. Er ist derzeit mit 40 Millionen Euro ausgerechnet. Für den Steuerzahler bedeutet das: Die Summe wird zumindest teilweise auf die staatliche Subvention von zwei Milliarden Euro aufzuschlagen sein, die seit dem Beginn der Schwebetechnik-Entwicklung und des Baubeginns der Anlage 1980 in das Gesamtprojekt geflossen ist. Weitere neun Milliarden haben die Industriekonzerne in das Vorhaben gesteckt, Züge schweben zu lassen. Siemens, Thyssen, Krupp machten bei der aufwendigen, kostspieligen Entwicklung über viele Jahre mit, bis sie die Lust verloren.

Wirtschaftliche und politische Einwände machen Pläne zunichte

Das System hat ja durchaus Vorteile, auch heute noch. Pläne der Japaner bestätigen das. Die hohe Beschleunigung. Die enorme Steigleistung. Die Attraktivität des Tempos der 500 Stundenkilometer an sich. Doch schon die Furcht vor einer „Insellösung“ – eine Schwebebahn passe nicht ins europäische Bahnnetz, habe bauliche Probleme, die Stadtzentren zu erreichen – hatte die Zahl der Kritiker wachsen lassen. Dazu kam der Protest der Naturschützer. Letztlich haben wirtschaftliche und politische Einwände alle drei diskutierten Deutschland-Trassen zu Fall gebracht.

Kaum eine Zukunft zudem haben die Pläne der Provinzregierung der spanischen Kanaren, 120 Kilometer Magnetbahn-Strecke mit der deutschen Technologie entlang der Küste Teneriffas zu bauen. Der Zug wäre für die Insel-Topografie fast ideal, weil er starke Steigungen überwinden kann. Aber jetzt macht die EU nicht mit, das drei Milliarden Euro teure Projekt zu finanzieren. Selbst der realisierte Flughafenzubringer in China lockt weit weniger Fahrgäste als erwartet. Er fährt zum Luxustarif. Eine parallel laufende U-Bahn ist preiswerter.

Wenn bis zum 25. Oktober, 13 Uhr, keiner den Prototypen kaufen will, ist ihm wohl die Schrottpresse sicher.