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Initiativkreis Ruhr setzt auf systematische Talentförderung

Initiativkreis Ruhr setzt auf systematische Talentförderung

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Foto: Ingo Otto / Funke Foto Services
Der Initiativkreis Ruhr will sich verstärkt um Nachwuchsförderung kümmern. Gerade im Ruhrgebiet gebe es Potenzial, sagt BP-Europachef Michael Schmidt.

Bochum. 

Michael Schmidt ist Vorstandschef der BP Europa SE (Aral) in Bochum und Bildungsbeauftragter des Wirtschaftsbündnisses Initiativkreis Ruhr. Wie sich Schmidt Talentförderung im Ruhrgebiet vorstellt, erläutert er im Interview.

In einer Broschüre des Initiativkreises Ruhr heißt es, Schwachstellen prägen das Bild des Reviers. Beherrschend seien Themen wie Arbeitslosigkeit, Armutsrisiko, Schulabbrecher und Firmeninsolvenzen. Ist es in einem solchen Umfeld schwierig, Fachkräfte ins Ruhrgebiet zu locken?

Michael Schmidt: Das Ruhrgebiet wird häufig als Defizit-Region wahrgenommen. Davon müssen wir wegkommen. Ich würde mir wünschen, dass wir nicht eine Defizit-, sondern eine Potenzial-Denke bekommen.

Wie soll das gehen?

Schmidt: An vielen Stellen im Ruhrgebiet gibt es gute Angebote in Sachen Bildung. Die Hochschullandschaft ist ungewöhnlich dicht. Auch die Wirtschaft engagiert sich in erheblichem Maße. Ich denke an die zahlreichen Stiftungen und Arbeitgeber, die Talente fördern. Diese Stärken müssen wir mehr hervorheben.

Gibt es denn eine systematische Talentförderung im Ruhrgebiet?

Schmidt: Als Initiativkreis Ruhr wollen wir einen Anfang machen. Mit dem TalentMonitor Ruhr haben wir eine Plattform geschaffen, um die vielfältigen Aktivitäten für jeden Interessierten auf einen Blick sichtbar zu machen. Ich denke an Lehrer, die eine Begegnung mit Unternehmen organisieren möchten, oder Studierende, die auf der Suche nach einem Stipendium sind, oder Schulabbrecher, die wissen wollen, wie sie wieder auf den Weg kommen.

Gerade im Ruhrgebiet gibt es viele junge Leute ohne Berufsausbildung. Wie groß ist die Gefahr, diese Menschen für den Arbeitsmarkt abzuschreiben?

Schmidt: Es gibt keinen talentfreien Menschen. Jeder Mensch hat Begabungen, die man fördern kann. Gerade im Ruhrgebiet schlummern Talentreserven. Wir dürfen Jugendliche nicht zurücklassen, nur weil sie nicht auf Anhieb die Voraussetzung für eine Ausbildung oder ein Studium erfüllen.

Aus der Wirtschaft ist häufig die Sorge zu vernehmen, dass der Fachkräftemangel zum Problem wird. Steckt auch Eigennutz in den Bemühungen der Unternehmen, mehr Menschen für den Arbeitsmarkt zu aktivieren?

Schmidt: Klar ist: Es gibt einen Fachkräftemangel, im Ruhrgebiet ebenso wie in ganz Deutschland. Insbesondere Mittelständler bekommen in einigen Regionen Schwierigkeiten, Lehrstellen adäquat zu besetzen. Aber auch für die großen Arbeitgeber dürfte es zunehmend schwieriger werden, schnell die richtigen Leute zu finden. Der demografische Wandel wird jedes einzelne Unternehmen treffen. Unabhängig davon finde ich aber auch: Als Unternehmen sollte man etwas dafür tun, dass die Region, in der man sich befindet, prosperiert. Wir dürfen uns nicht aus der Verantwortung stehlen.

Lässt sich der Fachkräftemangel durch mehr Zuwanderung beheben?

Schmidt: Qualifizierte Zuwanderer für die Wirtschaft zu gewinnen, ist ein Weg. Doch allein durch Zuwanderung werden wir unser Fachkräfteproblem auf Dauer nicht lösen. Wir müssen daher an vielen Stellen ansetzen – in den Schulen und Hochschulen, aber auch ganz früh im Kindergarten und im Elternhaus.

Können die Flüchtlinge, die derzeit nach Deutschland kommen, den Arbeitsmarkt bereichern?

Schmidt: Grundsätzlich sehe ich hier Potenziale. Natürlich befinden sich auch hoch qualifizierte Menschen auf der Flucht, die mit einer guten Ausbildung ausgestattet sind. Eine entscheidende Frage ist also die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen. Wer unsere Sprache beherrscht, lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit integrieren. Die Sprache ist die Eintrittskarte.