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Fahrschüler mogeln mit Hightech bei der Führerscheinprüfung

Fahrschüler mogeln mit Hightech bei der Führerscheinprüfung

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Foto: picture alliance / dpa
Betrugsversuche bei theoretischen Führerscheinprüfungen nehmen laut TÜV Rheinland zu. Immer öfter nutzen Mogler dazu technische Ausrüstung.

An Rhein und Ruhr. 

65 Fehlerpunkte leistete sich der junge Mann aus dem Libanon beim ersten Anlauf in der theoretischen Führerscheinprüfung. Irrwitzige 110 im zweiten Versuch – mehr geht nicht. Noch mehr beeindruckte die Prüfer aber der dritte Anlauf: 0 Fehlerpunkte. Die Führerscheinbehörde wurde stutzig, lud ihn vor, stellte ihm einfachste Fragen – und bekam falsche Antworten. Die Prüfung wurde annulliert. Es war zu offensichtlich, dass Betrügereien im Spiel waren. Arne Böhne, Geschäftsfeldleiter Führerschein beim TÜV Rheinland, kennt Gründe für Tricksereien: „Oft sind es enorme Sprachschwierigkeiten der Prüflinge. Hinzu kommt privater Druck, unbedingt den Führerschein haben zu müssen.“

Gerade einmal etwas mehr als 60 Euro investieren die Betrüger. Dafür bekommen sie in fast jedem gut sortierten Elektronik-Fachgeschäft alles, was sie für ihre Masche benötigen: Mini-Kamera, Sender, Empfänger, Signalgeber. So ausgerüstet schicken sie ihre „Kunden“ in den Prüfungsraum, wo diese auf Hilfe von außen warten. Seit 2010 registriert der TÜV Rheinland steigende Zahlen bei derart hochtechnischen Betrugsversuchen.

„Bei jeder 1000. Prüfung decken wir einen solchen Betrugsversuch auf“, erklärt Böhne. Für 250.000 Prüfungen in Berlin, NRW, Rheinland-Pfalz und dem Saarland sind die Prüfer des TÜV Rheinland zuständig, weitere 1,25 Millionen Prüfungen werden von anderen Institutionen abgenommen. Über das Internet oder direkten Kontakt nach Prüfungen kommen „Anbieter“ und „Kunde“ zusammen. Offensichtlich enttäuschte Prüflinge werden angesprochen und sind für die Betrüger „leichte Beute“.

Prüfung ist durch Digitalisierung schwerer geworden

Seit Januar 2009 wird die Prüfung nicht mehr auf Papierbögen, sondern elektronisch abgelegt – und ist dadurch schwerer geworden. „Auf den Bögen waren die Antwortmöglichkeiten immer gleich angeordnet. Das gibt es heute nicht mehr“, erläutert Böhne. Mit der Digitalisierung der Prüfung sind auch die Betrugsversuche technischer geworden. Ausgestattet mit einer Minikamera – versteckt im Knopfloch oder an der Brille –, einem Sender, um die Bilder aus dem Prüfungsraum nach draußen zu übertragen und einem Empfänger – ein Knopf im Ohr oder sogar ein kleiner Elektroschocker befestigt am Bein –, sitzt der Prüfling vor dem Monitor. „Er fährt dann mit der Maus ganz langsam über die Antwortmöglichkeiten. Ist er bei der richtigen angekommen, bekommt er ein Zeichen von seinem Komplizen und klickt die richtige Antwort an“, erläutert Böhne das Vorgehen.

Entdeckt die Prüfungsaufsicht den Betrugsversuch, haben aber weder Prüfling noch Betrugshelfer drakonische Strafen zu befürchten – um eine gesetzlich festgeschriebene Straftat handelt es sich nicht. „Es gibt eine Wiederholungsprüfung frühestens in sechs Wochen. Die Fahrerlaubnisbehörde entscheidet bei schwerwiegenden Täuschungshandlungen über die Beibringung eines Gutachtens einer Begutachtungsstelle für Fahreignung. Die Fahrerlaubnisbehörde ordnet für die Wiederholungsprüfung in der Regel eine Einzelprüfung an“, sagt eine Sprecherin des NRW-Verkehrsministeriums.

Prüfer wollen härtere Strafen

Für die Betrugshelfer, die oft in einem Auto vor dem Prüfungsgebäude sitzen, ist ein enttarnter Betrugsversuch fast gänzlich ohne Folgen. „Neue Gerätschaften sind schnell wieder beschafft“, sagt Böhne. Und der Gewinn ist auskömmlich. „Wir haben von Ertappten erfahren, dass sie bis zu 1500 Euro für die Hilfe gezahlt haben.“

Um Betrügen unattraktiver zu machen, hoffen Prüfungsinstitutionen auf härtere Strafen – auch für die Helfer. Andere Chancen sehen sie fast nicht. Böhne: „Weder können wir Prüfungsräume mit Alufolie tapezieren noch dürfen wir Störsender einsetzen. Das verbietet das Telekommunikationsgesetz.“

Eine Rückkehr zum Test auf Papier wünscht sich aber niemand. Auch im NRW-Verkehrsministerium ist man von der Umstellung auf die digitale Prüfung überzeugt. „So ist jetzt etwa eine verbesserte Wissensabfrage möglich, da jeder Bogen unterschiedlich ist, so dass das Auswendiglernen, ohne den Inhalt der Frage zu verstehen, wenig bringt. Das Prüfmedium genießt eine hohe Akzeptanz auch bei den Prüflingen“, heißt es aus dem Ministerium. Zudem seien 2016 auch Fragen mit Videosequenzen eingearbeitet worden, um Täuschungsversuche weiter zu erschweren.

Mangelnde Sprachkenntnisse als Hauptgrund für die Betrügerein, kann Böhne nicht verstehen: „In Deutschland ist die theoretische Führerscheinprüfung in zwölf Sprachen ablegbar.“ Dann hilft nur noch lernen…