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Kerstin Gier – Die Patin der „Mütter-Mafia“

Kerstin Gier – Die Patin der „Mütter-Mafia“

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Foto: dpa
Mit der „Mütter-Mafia“ gelang dem ZDF ein Quoten-Hit. Am Sonntag kommt der zweite Teil. Aber wer steckt dahinter? Und: Wie tickt die Autorin?

Kürten. 

Kerstin Gier

ist eine erfolgreichsten Autorinnen im deutschsprachigen Raum. So erfolgreich, dass sich das ZDF bei der 48-Jährigen bedient hat. Am Sonntag, 20.15 Uhr, läuft der zweite Teil der „Mütter-Mafia“ mit Annette Frier. Jürgen Overkott erwischte die fleißige Schreiberin in einer kreativen Pause.

Sie befinden sich gerade in Schreibklausur. Woran arbeiten Sie?

Kerstin Gier: Ich schreibe gerade den dritten Band der „Silber“-Trilogie, ein Jugendbuch, in dem sich Figuren gegenseitig in ihren Träumen besuchen können.

Wir haben einen frühen Gesprächstermin ausgemacht. Sind Sie ein Morgenmensch?

Gier: Wenn, wie jetzt, der Abgabetermin für ein Buch naht, bin ich eher ein 24-Stunden-Mensch. Für manche Dinge habe ich dann einfach keine Zeit. Ich müsste mal zum Zahnarzt. Aber das kommt später.

Sind Sie ein Mensch, der unter Zeitdruck besser arbeiten kann?

Gier: (lacht) Alle sagen, du brauchst das irgendwie. Obwohl ich selbst sagen würde: Nein. Viele Kollegen machen das besser als ich. Sie schreiben diszipliniert von neun bis fünf und haben immer ihr gleiches Seitenpensum. Das bewundere ich sehr. Aber ich bin eher der Typ: ganz oder gar nicht. Ich muss in eine Geschichte eintauchen, 24 Stunden am Tag, drei Monate am Stück, das und nichts anderes. Das ist ganz schlimm, auch für meine Umwelt. Man kann, beispielsweise, nicht auf den Geburtstag einer guten Freundin gehen, und wenn doch, ist man nur körperlich anwesend…

Dann sagen die Romanfiguren: Halt, hier geblieben.

Gier: Noch schlimmer. Manchmal erwische ich mich dabei, dass ich in der Schreibphase so spreche wie eine Figur aus meinem Buch. Die Menschen, mit denen ich umgehe, müssen dafür Verständnis haben. Oder Verrückte mögen.

Brauchen Sie zum Schreiben Rituale?

Gier: Ich brauche keine Rituale, nur das Gefühl, nach hinten raus Zeit zu haben. Wenn ich nachmittags Termine habe, ist der Tag eigentlich schon gelaufen, weil ich immer den Termin im Hinterkopf habe. Ich kann mich dann nicht ins Manuskript fallen lassen. Andere schreiben im Café oder im ICE – aber das schaffe ich auch nie. Am liebsten schreibe ich zuhause, an meinem Schreibtisch. Nur Ruhe und Zeit, mehr brauche ich nicht.

Das klingt nach Schreibkloster.

BuchbesprechungGier: Oder Gefängnis (lacht). Ich gehe in dieser Zeit nicht unter Leute. Selbst die Einkäufe macht mein Mann. Wenn ich in einer Schreibphase einkaufen muss, weil der Kühlschrank leer ist und mein Sohn was zu essen braucht, stehe ich im Supermarkt wie ein Alien.

Machen Sie beim Schreiben keine Pause?

Gier: Doch, doch. Ich gehe zwischendurch mal aufs Laufband. Und ab und zu schlafe ich, esse oder dusche. Aber ansonsten – nur schreiben. Das ist für viele Leute unvorstellbar.

Das Laufen macht den Kopf frei.

Gier: Ja, und es ist allemal besser, als immer nur verzweifelt auf den Bildschirm zu starren. Nach ein paar Minuten laufen ist plötzlich der Satz da, der mir nicht einfallen wollte, oder der Übergang, an dem ich den halben Tag gebastelt habe.

Was brauchen Sie am Schreibtisch?

Gier: Viel, viel Wasser. Gelegentlich gönne ich mir eine Cappuccino-Pause. Wenn’s mal etwas romantischer werden soll, habe ich’s auch schon mal mit Wein versucht…

Funktioniert das?

Gier:…ich dachte, das würde mich lockerer machen – ich kann nämlich nicht so gut romantisch. Aber: Alkohol beim Schreiben ist nicht das Wahre – das macht nur müde.

Romantik nicht so gut, okay. Aber dafür können Sie lustig, wie ich bei der „Mütter Mafia“ sehen kann.

Gier: Lustig und romantisch verträgt sich allerdings gar nicht so gut. Da muss man auf einem schmalen Grat wandern, damit es nicht lächerlich wirkt.

Die Drehbücher für die „Mütter-Mafia“ haben Sie nicht selbst geschrieben. War es für Sie schwer, das Baby loszulassen?

Gier: Tatsächlich war das gar nicht mehr schwer. Ich habe die Bücher ja schon vor vielen Jahren geschrieben. Da habe ich dann zu den Figuren einen gewissen Abstand. Das Drehbuch von Johannes Wünsche hat die Charaktere sehr gut eingefangen, den Geist des Buches, die Stimmung. Und das ist nicht selbstverständlich. Ich habe auch schon schlechte Erfahrungen mit der Umsetzung von Romanen in Filmstoffe gemacht, weil es genau das nicht gelingt. Auch die Bilder, die der Regisseur gefunden hat, die Darsteller, natürlich, das Licht, die Musik, die vielen Details– all das hat mich sehr begeistert.

Wie finden Sie Annette Frier in der Jacky-Kennedy-Optik?

Gier: Ich finde Annette Frier in jeder Optik toll. (lacht). Das Styling haben viele Fans aber bemängelt; sie fanden das künstlich und wenig lebensecht, wie im Film „Die Frauen von Stepford“. Aber mir gefällt dieser Retro-Style gut. Als hätte der Regisseur hier noch mal zweite Ebene in der Geschichte versteckt. Das hat auch etwas Augenzwinkerndes.

Hat Sie das selbst auch zum Retro-Look inspiriert?

Gier: Nee, das muss man ja auch tragen können. Jetzt, wo ich schreibe, kommt es eh nicht drauf an, was ich trage. Ich glaube, wenn ich dem Postboten aufmache, kriegt er einen Schreck. Er guckt jedenfalls immer ganz mitleidig.