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Keine Angst vorm bösen Wolf

Keine Angst vorm bösen Wolf

Schneverdingen. 

Eiskalt ist es an diesem Morgen im Stall. Es ist Lämmersaison in Lüneburger Heide, die arbeitsreichste Zeit des Jahres. Josefine Schön verteilt Silage, der Laie würde es für Heu halten. Die 20-Jährige will Schäferin werden.

„Schäfer ist ein unglaublich vielseitiger Beruf“, schwärmt Schön. Kurz stützt sich die junge Frau auf die Forke, dann geht es weiter. „Wir sind Landschaftsgestalter, Hebamme, Tierarzt, Zimmermann und Bauer“, sagt sie. „Dafür muss man geboren sein, sonst klappt das nicht“, sagt Uwe Storm (53), Schäfer seit mehr als drei Jahrzehnten. „Das ist kein leichter Job.“ Schön macht ihre Ausbildung auf dem abgelegenen Landschaftspflegehof Tütsberg in Niedersachsen. Neun Schäfer und zwei Auszubildende hüten sechs Schafherden und eine Ziegenherde – das heißt: rund 2000 Mutterschafe der Rasse „Graue gehörnte Heidschnucke“ und etwa 300 Ziegen.

Deutschlandweit sinkt die Zahl der Schafe. Wurden im November knapp 1,6 Millionen gehalten, waren es fünf Jahre zuvor noch mehr als 2,3 Millionen. Ein Grund für den Schafsschwund sind die preiswerteren Konkurrenzprodukte wie Lammfleisch und Wolle aus Neuseeland. Mit den Schafen nimmt auch die Zahl der Wanderschäfer ab. Aktuell sind es bundesweit 1500.

Josefine Schön ist die einzige Frau, im Sommer 2014 hat sie ihre Lehre begonnen. „Eine Verbindung mit den Tieren und Liebe zur Natur sind Grundvoraussetzungen“, sagt die junge Frau. „Ich habe ein Praktikum auf einem Milchziegenhof gemacht, das hat mir gefallen. Da kam der Wunsch, in der Richtung was zu machen.“ Körperlich schlaucht der Job, etwa das Scheren der Schafe. Auch psychisch könne er belastend sein. „Wenn man tagelang ein Flaschenlamm aufpäppelt und es das Tier dann doch nicht schafft, das nimmt einen manchmal mit. Aber man muss wirtschaftlich denken.“ Ein Großteil der Lämmer werde in den nächsten Monaten geschlachtet. Das gehöre eben dazu.