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Wo des Panzers letztes Stündlein schlägt

Wo des Panzers letztes Stündlein schlägt

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Foto: WAZ FotoPool
Peter Koch macht im thüringischen Dorf Rockensußra aus altem Kriegsgerät Mischschrott und Besteckmesser. 16 000 ausrangierte Panzer von Typen wie „Leopard“ oder „Fuchs“ sind dort schon zerlegt worden.

Rockensußra. 

Dass Satelliten aus dem Weltall einen Schrottplatz überwachen, kommt vermutlich selten vor, doch ein Panzer kommt ja so schnell weg. Fahrtüchtig, wie sie hier stehen, einer am andern, den Tiger noch im Tank, zwar ohne Munition, jedoch mit ihren Waffen – jeder Dr. Seltsam träumt doch von sowas. Weshalb auch Hubschrauber der Bundeswehr öfter den Platz überfliegen; und nachdrücklich abgeriegelt sowie privat bewacht ist er sowieso. „Wir könnten dichtmachen, wenn hier eine einzige Waffe wegkäme“, sagt Peter Koch. Außer, er macht sie selber weg, versteht sich.

Koch (56) ist eigentlich nichts als ein hochspezialisierter Schrotthändler, er führt einen „Entsorgungsfachbetrieb gemäß Entsorgungsfachbetriebsverordnung“, so eine Urkunde an der Wand. Aber entschieden besser liest sich doch: Er ist der Panzerknacker von Rockensußra.

Vorher war der Mann aus Thüringen genau das Gegenteil, nämlich Ingenieur für Instandhaltung, doch seine berufliche Spitzkehre in den frühen 90er-Jahren hat sich bestens bewährt: Die „Battle Tank Dismantling GmbH (BTD)“, die er erst besaß und heute noch leitet, hat bis jetzt nach eigener Zählung rund 16 000 Panzer zerlegt.

Als „Leopard“ oder „Fuchs“ werden sie antransportiert, als Mischschrott und Kabel und Alu, als Eisen, Elektronik und Ersatzteil verlassen sie das Gelände wieder.

Motoren vom Leopard,
Tanks vom Luchs

„Das Geschäft in Deutschland ist relativ endlich, aber wir haben schon Aufträge für weitere fünf Jahre“, sagt Koch: Denn längst zerstört er auch die Panzer der andern.

Das Firmengelände am Rande des Dorfes Rockensußra dürfte der größte einschlägige Aufmarsch sein seit der Panzerschlacht von Kursk. 400 bis 500 Schützenpanzer Marder stehen derzeit da in Tarnfarben sowie Reih und Glied, der Friedhof der Panzerwaffe reicht bis zum Horizont, jedenfalls, wenn man nicht allzu hoch klettert.

Da sind des weiteren: ein Berg Triebwerke „Leopard“, ein Haufen Tanks vom „Luchs“, Laufrollenstapel, Kupferkühlerhügel . . . Schwerter zu Pflugscharen also? Das nun auch wieder nicht: Aus den Kanonen des Leopard werden zum Beispiel Messer, wenngleich Besteckmesser.

Irgendwann kommt Panzers letzte Stunde. BTD meldet bei der Bundeswehr an, welcher Panzer wann bewegt werden soll (siehe auch: Satelliten). Ein Tieflader bringt den entsprechenden Marder dann von seinem Stellplatz zur Entsorgung, man lässt zunächst die Flüssigkeiten heraus, Hunderte Liter Öle, Diesel, Kühlflüssigkeiten. Männer montieren den Turm ab, die Ketten, dann kommt in der Demontagehalle der Motor heraus. Der letzte Schritt geschieht wieder unter freiem Himmel, der Panzer wird zerschnitten. Zwei bis drei Tage dauert es, bis eine einzige dieser 30-Tonnen-Kampfmaschinen zerlegt ist. Von Schrottplatzkerlen mit Schneidbrennern in der Hand, und das sieht alles in allem dann doch nicht viel anders aus als im Hinterhof des Autoschraubers Ihres Vertrauens. Zurück bleibt freilich eine Art Elefantenfriedhof aus Eisen.

Mittiger Standort gesuch

Begonnen hat das zerstörerische Geschäft in den frühen 90er-Jahren. Nach der deutschen Wiedervereinigung musste die ganze Volksarmee der DDR abgewickelt werden, und auch die Bundeswehr setzte sich kleiner. Man suchte einen Standort mittig in Deutschland und kam, 60 Kilometer über Erfurt, auf dieses Dorf im Kyffhäuserkreis.

Heute, 20 Jahre später, zerstört BTD Panzer für etliche Nato-Staaten. Abhanden kam tatsächlich keiner, und Koch erinnert sich noch gut, was geschah, als einmal ein Panzer auf dem Gelände bewegt wurde, ohne dass das bei der Bundeswehr angemeldet war: „20 Minuten später waren die Feldjäger aus Sondershausen hier, da kam keine Maus mehr raus.“ Und er meint natürlich eine echte Maus – aus unerfindlichen Gründen gibt es bei der Bundeswehr keinen Kampfpanzer Maus.