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Korruptionsverdacht bei Seniorendiensten erschüttert Mülheim

Korruptionsverdacht bei Seniorendiensten erschüttert Mülheim

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Foto: WAZ FotoPool
Ein Korruptionsverdacht erschüttert die Stadt Mülheim. Heinz Rinas, der Ex-Chef der Seniorendienste, soll mit Geschäftspartnern ein Netzwerk der Bestechlichkeit, Bestechung, Vorteilsannahme und -gewährung aufgebaut haben. Rinas glaubt, die Vorwürfe von Stadt und Ermittlern entkräften zu können.

Mülheim. 

Die Stadt Mülheim wird offenbar von einem weitreichenden Korruptionsskandal erschüttert, der sich um den im August 2013 fristlos gekündigten Chef der Mülheimer Seniorendienste, Heinz Rinas, rankt. Rinas wird vorgeworfen, ab 2010 ein umfangreiches Korruptionsnetzwerk aufgebaut zu haben, an dem er und Geschäftspartner der Stadttochter sich bereichert haben.

Die Stadt machte den Korruptionsverdacht am Freitag öffentlich. Man werde die Aufklärung durch die Staatsanwaltschaft „nach allen Kräften unterstützen“. Zeitgleich mit der fristlosen Kündigung Rinas’ im August 2013 hatte die Stadt Strafanzeige gegen den Geschäftsführer gestellt. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern an, das Landeskriminalamt ist eingeschaltet. Eine parallele Klage Rinas’ gegen seine Kündigung am Landgericht Duisburg bringt aber brisante Details ans Tageslicht. So bestätigte ein Gerichtssprecher nun, dass die Stadt jüngst eine umfangreiche Stellungnahme zu den Kündigungsgründen abgegeben habe, die Bezug nehme auf die Ermittlungsakten. So gehe die Stadt davon aus, dass Rinas ein „Korruptionsnetzwerk“ rund um die Seniorendienste aufgebaut habe.

Vorwurf der persönlichen Bereicherung

Die Stadt werfe Rinas vor, sich privat an Geschäftsbeziehungen der Seniorendienste mit Dritten bereichert zu haben. So soll er Geschäftspartnern im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe privat Rechnungen gestellt haben. Angeblich für Beratungs- und Vermittlungstätigkeiten, tatsächlich aber, so der Vorwurf der Stadt, allein für das Zuschanzen von städtischen Aufträgen, die Rinas eigenmächtig, ohne vorherige Ausschreibung vergeben haben soll.

Der von der Stadt eingesetzte Strafrechtler Volker Stuckmann sieht den Skandal Kreise ziehen: „Es stehen eine Reihe von Personen, die aus der Stadtgesellschaft bekannt sind, auf der Liste der Geschäfte, für die ein Korruptionsverdacht abzuklären ist.“ Rinas-Anwalt Andreas Schmidt sagte: „Herr Rinas ist davon überzeugt, alle Vorwürfe entkräften zu können.“

Stadt will gegebenenfalls Schadenersatz einfordern

Im vermeintlichen Korruptionsskandal um den vor 15 Monaten fristlos gekündigten Geschäftsführer der Mülheimer Seniorendienste, Heinz Rinas, wollen Stadt und Aufsichtsräte betroffener Stadttöchter alles daran setzen, für Aufklärung zu sorgen, und gegebenenfalls Schadenersatzansprüche gegen beteiligte Personen geltend machen.

Dies geht aus einer gemeinsamen Erklärung von Stadt, Mülheimer Seniorendiensten und städtischer Beteiligungsholding hervor, die am späten Freitagnachmittag das Rathaus verließ. Nach Einsicht in die Ermittlungsakten bei der Staatsanwaltschaft Duisburg wagt die Stadt sich mit ihren Vorwürfen gegen Rinas und weitere vermeintliche, zumeist noch unbekannte Mitglieder des vermeintlichen „Korruptionsnetzwerkes“ weit in die Öffentlichkeit: „Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Gründe der Kündigung von Herrn Rinas durch die vorläufigen Ermittlungsergebnisse der Behörden erhärtet worden sind.“

Alte Vorwürfe aus August 2013 deutlich erweitert

Mittlerweile ist nicht mehr nur die Rede davon, dass Rinas private Einkäufe dienstlich abgerechnet, immer wieder Lebensmittel aus der Küche von Haus Gracht nach Hause mitgehen lassen und sich auf Kosten der Seniorendienste technisches Gerät für private Zwecke beschafft haben soll. Dass Rinas Mitarbeiter der Stadttochter für private Zwecke eingesetzt, allein hierfür laut Landgericht gar zusätzlich zwei 400-Euro-Kräfte auf Kosten der Seniorendienste eingestellt haben soll – offenbar nur noch eine Randnotiz. Ebenso bekannt war, dass die Stadt Rinas vorwirft, Gelder abgezweigt zu haben für ein privat verfolgtes Sozialprojekt in Mazedonien.

Nun steht überdies der Verdacht der Korruption im Raum. In mehreren Fällen, so skizziert das Landgericht die jüngste städtische Stellungnahme zum Kündigungsverfahren, soll Rinas sich privat an den Geschäftsbeziehungen der Seniorendienste bereichert haben. So soll Rinas, dem eine Nebentätigkeit vertraglich nicht gestattet gewesen sei, den Geschäftspartnern zu diesem Zweck über eine private Firma von sich (Steinbeis Beratungszentrum für das Gesundheits- und Sozialwesen) Rechnungen gestellt haben, etwa für Beratungs- oder Vermittlungstätigkeiten. In diesen Zusammenhängen will die Stadt den Verdacht der Korruption geprüft sehen.

Stadt will Auftragsvolumen in Höhe von Hunderttausenden Euro geprüft sehen

Deutlich wird Volker Stuckmann, der von der städtischen Beteiligungsholding mit dem Fall betraute Strafrechtler. Er spricht von einem „Auftragsvolumen in Höhe von Hunderttausenden Euro“, hinter dem der Verdacht der Korruption stehe. Dabei gehe es um „utopische Beratungsaufträge“, auch um Aufträge für Handwerker und Dienstleister, die Rinas allesamt eigenmächtig, ohne die nötige Ausschreibung vergeben habe. In mehreren Fällen könne mit Hilfe der Ermittlungsergebnisse mittlerweile aufgezeigt werden, dass sich Rinas an diesen Geschäften persönlich bereichert habe. Geschäftspartner habe Rinas teilweise gezielt aus seinem privaten Umfeld gewählt. Verquickungen sieht Stuckmann gar bis weit in die Stadtgesellschaft.

Rinas selbst wollte am Freitag offiziell keine Stellung nehmen zu den schwerwiegenden Vorwürfen. „Erst einmal gilt die Unschuldsvermutung“, sagte am Freitag der Mülheimer Rechtsanwalt Andreas Schmidt, der Rinas im laufenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft vertritt, zur WAZ. „Herr Rinas ist davon überzeugt, sämtliche Vorwürfe entkräften zu können. OB Dagmar Mühlenfeld gab sich derweil „zutiefst empört, sollten sich die Vorwürfe als korrekt erweisen“. Sie wolle persönlich dafür Sorge tragen, dass die Stadt die Ermittlungsbehörden weiter größtmöglich unterstützt.

Korruption: Gibt es in Mülheim ein System Rinas? 

Lange hat die städtische Beteiligungsholding (BHM) die Strafanzeige gegen Heinz Rinas gemäß § 12 des NRW-Korruptionsbekämpfungsgesetzes versucht unter dem Deckel zu halten – nach eigener Darstellung, um die Ermittlungen zu schützen. Nun aber, da die Klage des Ex-Geschäftsführers der Seniorendienste gegen seine fristlose Kündigung am 11. November eigentlich in die heiße Phase des Nachverfahrens gehen sollte, musste die BHM damit rechnen, dass auch der Korruptionsvorwurf an die Öffentlichkeit gelangen würde.

Der von der BHM mit der Vertretung im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren beauftragte Anwalt Volker Stuckmann sagte zu dieser Zeitung, dass den Ermittlern der umfangreiche Mail-Verkehr von Rinas’ Dienst-PC zur Verfügung stehe. „Rinas’ Rechner und die Mails haben den Verdacht der Korruption aufkommen lassen“, so Stuckmann.

Am Donnerstag trommelten die Beteiligungsholding und die Seniorendienste eiligst ihre Aufsichtsräte zu Sondersitzungen zusammen. Teilnehmer berichten, dass BHM-Chef Hendrik Dönnebrink an Beispielen den Verdacht der Korruption, Untreue und Unterschlagung erläutert habe. Sei es, dass Rinas sich von Lieferanten der Seniorendienste für den Privatgebrauch immer wieder Torten, Brötchen oder Roastbeef habe kommen lassen, sei es, dass Rinas den Koch der Seniorendienste eingespannt habe für eine opulente private Geburtstagsparty mit Geschäftsfreunden.

Korruptionsverdacht im Examina-Projekt

Insbesondere soll Dönnebrink den Korruptionsverdacht im Examina-Projekt zur Ausbildung rumänischer Pflegekräfte für den Einsatz in Deutschland erläutert haben. Die Beratungsfirma Aleha von FDP-Fraktionschef Peter Beitz habe als Kooperationspartner von Rinas ohne Ausschreibung ein Auftragsvolumen von 150 000 Euro zugeschanzt bekommen, im Gegenzug sollen gut 20 000 Euro von Aleha an eine Rinas-Firma geflossen sein. Ein klarer Vorwurf persönlicher Bereicherung steht damit im Raum.

FDP-Mann Beitz verließ die Sondersitzung des BHM-Aufsichtsrates zum besagten Tagesordnungspunkt „aus Befangenheit“, wie er bestätigte. Der Unternehmensberater gab gegenüber dieser Zeitung an, erst am Mittwoch von den Korruptionsvorwürfen erfahren zu haben. Er werde nun mit Anwalt Akteneinsicht einfordern, sagte er und wies gleichzeitig alle Vorwürfe zurück. Es sei richtig, dass seine Aleha dem Steinbeis-Beratungszentrum von Rinas die gut 20 000 Euro überwiesen habe. Dahinter habe aber eine konkrete Gegenleistung gestanden: „Steinbeis hat die von uns geholten Pflegekräfte auf deutsches Niveau geschult.“

FDP-Fraktionschef sieht seinen Ruf beschädigt

Beitz sieht durch die öffentlich gewordenen Anschuldigungen aus dem schwebenden Ermittlungsverfahren den Ruf seiner Firma, von sich und seiner Frau Sabine Dreiling-Beitz als Aleha-Inhaberin beschädigt. Mit Hilfe seines Anwaltes werde er sich dagegen wehren, kündigte er an.