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Jugendamtsskandal: Ex-OB Wittke soll vor Ausschuss aussagen

Jugendamtsskandal: Ex-OB Wittke soll vor Ausschuss aussagen

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Foto: Funke Foto Services
Die Grünen stellten den Antrag, die CDU unterstützte ihn: Ex-OB Oliver Wittke soll vor dem Ausschuss zur Aufklärung des Jugendamtsskandals aussagen.

Gelsenkirchen. 

Schriftführer wissen es: Protokolle schreiben, das ist zuweilen anstrengend – zumal, wenn es um ein Wortprotokoll in einem Untersuchungsausschuss geht. Mag sein, dass Rechtsdezernent Dr. Christopher Schmitt aus diesem Grund in seinem Vorstandsbereich 1 niemanden gefunden hat, der die Urlaubsvertretung von Birte Blankenautulland übernehmen konnte – oder wollte.

So saß Manfred Fokking auf dem Schriftführerplatz. Der aber ist im Vorstandsbereich 4 beschäftigt. Dem das Referat 51 mit seinem unrühmlich ausgeschiedenen Leiter Alfons Wissmann und seinem nicht minder „geschäftstüchtigen“ Ex-Stellvertreter Thomas Frings angehört.

Für die SPD ein reiner Showantrag

Peter Tertocha (Grüne) legte den Finger in die Wunde. „Das ist formal kein glücklicher Weg. Das geht so nicht“, sagte er zu Beginn der dritten Marathonsitzung des Untersuchungsausschusses. Und erinnerte an den im Juni einstimmig gefassten Beschluss, dass eine Vertretung der Schriftführung ebenfalls aus Vorstandsbereich 1 kommen müsse. Seine Kritik, betonte Tertocha, beziehe sich aber keineswegs auf Manfred Fokking persönlich.

Klaus Haertel (SPD) empfand die „pauschale Verdächtigung aller Mitarbeiter aus dem Vorstandsbereich 4 als unglaublich frech“. Und Wolfgang Heinberg (CDU) schob nach, Tertocha sei nicht „der Hüter der Moral“. Der Grüne enthielt sich – der Rest votierte einstimmig für Fokking als (einmaligen) stellvertretenden Schriftführer.

Gar als „Showantrag“ wertete SPD-Fraktionschef Haertel dann die Forderung der Grünen, den CDU- Kreisvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Oliver Wittke anzuhören. Immerhin sei der, so Tertocha, in der Zeit der Vorbereitung der Neustart-Aktivitäten von Wissmann und Frings (1999 bis 2004) Oberbürgermeister gewesen. „Wie sollte der etwas mitbekommen haben, was im stillen Kämmerlein vorbereitet worden ist?“, wetterte Haertel. Im Gegensatz zu CDU-Fraktionschef Heinberg, der den Antrag – wohl zur Überraschung Haertels – unterstützte. Und sicher war: „Oliver Wittke wird kommen. Allein, um einer Legendenbildung vorzubeugen.“ Der Grünen-Antrag wurde mit nur fünf Stimmen abgesegnet. Die SPD beteiligte sich nicht an der Abstimmung.

Keine unangemeldeten Kontrollen 

Detailliert beschrieb Stadtrat Dr. Manfred Beck (Grüne) auf Antrag der Linken die Schritte bis zur stationären Aufnahme eines Kindes bzw. Jugendlichen. Wenn es um die Zuweisung in das Kinderheim St. Josef ging, „gab es immer eine Einflussnahme des Referatsleiters“.

Wörtlich sagte Dezernent Beck, was der Ex-Heim-Mitarbeiter Dirk Hausberg später im Ausschuss bestätigte: „Wenn die Vertretung der Einrichtung sagte, man habe keine Kapazitäten, gab es nach Intervention des Referatsleiters dann doch noch einen Platz.“ Er betonte: „Alle Mitarbeiter hatten keine Kenntnis von diesem System der Überbelegung und keine Ahnung von Neustart.“

Stichtagserhebungen des LWL

Wohl auch der Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL) nicht. Matthias Lehmkuhl berichtete, die Betriebserlaubnis fuße auf Stichtagserhebungen. Die offensichtlich geschönten Belegungsnachweise trugen immer eine Unterschrift: die der inzwischen gekündigten Heimleiterin Anja Gresch. Als die Überbelegung 2013 durch einen Hinweis von Hausberg aufflog – der die Kündigung kassierte – hatte diese wohl ein Ende. Zu unangemeldeten Besuchen hätte der LWL in der Vergangenheit keine Veranlassung gehabt. Die Belegungszahlen hätten ja gestimmt.

Im Geschäftsbericht des Heimträgers wird 2014 bei einer Belegung von 99,4 Prozent ein „Einbruch“ beklagt. Die Aufnahmekapazität galt bei 96 Prozent als ausgelastet.

Günter Pruin (SPD) kommentierte das an die Adresse Lehmkuhls (LWL) so: „Packt Sie nicht die kalte Wut, wenn Sie merken, dass sie zehn Jahre systematisch betrogen wurden?“ Und ob er es für möglich halte, dass das System auf eine Person zu reduzieren sei? Die Antwort schlichte Lehmkuhls lautete: „Nein.“