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Prostituierte, Hippies und Räuber: Ausstellung im Haus der Geschichte in Essen

Historischer Streifzug am Rande der Essener Gesellschaft

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Foto: Essen
Die Ausstellung „Anders sein. Außenseiter der Geschichte“ im Haus der Geschichte in Essen handelt von Hexenverfolgung, Räuberbanden, Prostituierten und Hippies.

Essen. 

„Anders sein. Außenseiter in der Geschichte“ – so heißt die neue Wechselausstellung im Haus der Geschichte. Eine kurzweilige Schau, die von vermeintlichen Hexen und Zauberinnen, Scharfrichtern und Räubern, Prostituierten und Hippies, Kirmeskerlen und Zirkusakrobaten, Juden und RAF-Terroristen handelt. Von Menschen also, die in ihrer jeweiligen Zeit anders waren und am Rande der Gesellschaft standen – und deshalb meistens auch verachtet, geächtet oder gar verfolgt wurden.

Die Ausstellung umfasst lediglich sieben Vitrinen und ein halbes Dutzend historische Plakate. Trotzdem handelt es sich um einen spannenden Streifzug durch mehr als 600 Jahre Essener Stadtgeschichte. Stolz weisen die beiden Ausstellungsmacher, Monika Josten und Klaus Wisotzky, auf den immensen Reichtum an Archivalien hin, der in den gut gefüllten Regalen des Stadtarchivs schlummert.

„Von Frauenspersonen belästigt“

Das älteste Exponat datiert von 1447, knapp 50 Jahre vor der Entdeckung Amerikas, dem Beginn der Neuzeit. Es ist ein vergilbtes Blatt, darauf ein handgeschriebener Text, in dem ein gewisser „Gerart van Cleve den Magistrat um Zusendung des Essener Scharfrichters nach Kaiserswerth“ bittet. In den beiden Vitrinen davor ruhen Schriftstücke, in denen etwa „Marschall Rutger von Horst über der Zauberei der Frau Boffkens“ berichtet (1571) oder dem Juden Benjamin Isaac und seiner Familie ein Geleitbrief ausgestellt wird. Der ungeübte Betrachter hat allerdings Mühe, die zum Teil in niederdeutscher Sprache abgefassten Texte zu entziffern.

Verständlicher sind die jüngeren Dokumente. Exzellenten Lesestoff bieten die „Beschreibung der ermittelten Verbrecher der Essendischen Räuberbande“ von 1803 und die gepfefferte „Beschwerde des Elternbeirates der Mädchen-Mittelschule Essen-Altstadt über die Prostitution am Viehofer Platz“ (1930/31). In einem Wutbrief an den OB heißt es: „Der Viehoferplatz und seine nähere Umgebung war ein beliebter Aufenthaltsort solcher Frauenspersonen, die der Gewerbeunzucht nachgehen. Am hellen Tage werden die Männer in der Schützenbahn von Frauenspersonen belästigt.“

In die Gegenwart springen die Abschnitte „Fahrendes Volk“ und „Internationale Essener Songtagen“ (1968), die damals Rocklegenden wie Pink Floyd und Frank Zappa in die Stadt brachten. Ein aufgebrachter Bürger schickte diese Eingabe an die Stadtverwaltung: „Mädchen und Jungen ‘feiern’ unvorstellbare Orgien! Jeder sogenannte Primitive aus Afrikas unerforschten Buschgebieten würde sich dessen schämen.“