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Mannschaftsbilder, die ins Auge gehen

Mannschaftsbilder, die ins Auge gehen

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Foto: IMAGO

Essen. Mehr als 40 Jahre Langeweile: Mannschaftsaufnahmen haben sich im Grunde nie verändert, auch wenn der Aufwand und die Aufdringlichkeit der Sponsoren immer größer wird.

Sezgin Özhan ist kein Bundesliga-Profi. Sezgin Özhan ist der Albtraum aller Mannschaftsfotografen.

Es gibt viele Gründe, warum Fußballer Mannschaftsfotos nicht mögen. Wahrscheinlich, weil man schwerer um sie herumkommt als um den härtesten Abwehrknochen der Liga. Vielleicht, weil sie unvermeidlich sind. Mannschaftsfotos sind so alt wie der Fußball selbst, und sie kommen so sicher wie die nächste Saison.

In drei Reihen

Und sie sind seit jeher ein Monument der Langeweile. Der Klassiker hält sich seit 1963, seit es die Bundesliga gibt: Drei Reihen hintereinander, die erste sitzt auf einem Bänkchen, die zweite Reihe steht, die dritte stellt sich auf eine Bank hinter der zweiten. Torhüter sitzen grundsätzlich vorne in der Mitte und haben nahezu immer einen Ball in der Hand. Vielleicht, weil sie die einzigen sind, die das im Fußball dürfen.

Der Rest der ersten Reihe ist für die Kleinen reserviert, die Großen kommen nach hinten. Das schafft Abstand auf dem Bild und der ist wichtig für die Spieler, weil sie im Laufe der Saison auf tausenden von Mannschaftsfotos Autogramme schreiben müssen. Wahrscheinlich mögen sie die Bilder deshalb so wenig.

Mannschaftsfotos sind genormt und einfallslos, denn nichts hassen Vereine und Sponsoren mehr als Überraschungen. Es sind ja harmlose Scherze, mit denen Spieler ab und zu mal aufbegehren: Torsten Legat hat sich vor neun Jahren die Hose bis unter die Achseln gezogen. Niemand hat’s bemerkt, bis das Teamfoto des FC Schalke 04 in den Saisonheften erschien. Legat hatte mit zwei Mitspielern um 1000 Mark gewettet, dass er sich das traut. Schalkes Manager Rudi Assauer schäumte und verdonnerte ihn zu 10 000 Mark Strafe.

Oder der Bielefelder Jonas Kamper: Er hielt eine Postkarte in der Hand, auf der eine Frau die Zunge herausstreckt. Gedacht war’s als Gruß an alle, die Bielefeld als ersten Absteiger sahen. Gebracht hat’s nichts, Kamper bekam Ärger mit dem Trainer und abgestiegen sind die Bielefelder dann auch.

Vereine mögen solche Mätzchen nicht, die Fotos sind eine ernste Sache. Es gibt Gerüchte, dass den Spielern am Rücken mit Wäscheklammern die Trikots zusammengesteckt werden, damit auf der Brust der Schriftzug des Sponsors gut zu lesen ist. Längst hat die Bundesliga da jede Unschuld verloren: Anfang der Siebziger stellte sich Borussia Mönchengladbachs Mannschaft ohne jede Werbung auf den Platz. Inzwischen undenkbar. Der Sündenfall Trikotwerbung kam früh, Anfang der Neunziger brachen alle anderen Dämme: Erst schleppten die Masseure ihre Medizinkoffer mit Werbeaufschrift aufs Bild. Dann kamen die Sponsorentafeln, hinter denen die Spieler aufgebaut werden.

Heute fahren Sponsoren Autos neben die Kicker, stecken immer alberner werdende Maskottchen ins Trikot. Es wird professionell ausgeleuchtet, es wird vermessen und geplant, Spieler schauen staatstragend ins Nichts.

Immer ein Spiegel ihrer Zeit

Berechenbare Routine, aus der seit Jahrzehnten niemand auszubrechen wagt, auch wenn Mannschaftsbilder immer ein Spiegel ihrer Zeit sind. Früher gehörten sie Spielern und Trainern, dann drängten die Funktionäre nach. Manche möchte man gar nicht mehr missen. Der Klassiker: Rainer Falkenhain. Sein Titel „Leiter der Lizenzspielerabteilung” ist so sperrig wie sein ewiger Schnäuzer, der selbst in der Bundesliga aus der Mode gekommen ist. Aber Rainer Falkenhain steht jetzt seit 16 Jahren immer ganz links auf dem Foto der Frankfurter Eintracht und sieht jedes Mal so aus, als wüsste er schon, dass die neue Saison nicht einfach wird.

Leute wie Falkenhain sind die Konstante in einer Zeit, in der das Teamfoto für die neue Saison oft schon überholt ist, wenn es in Druck geht. Im Vorjahr setzte Mönchengladbach 34 Akteure ein, wechselte frühzeitig den Trainer aus – im Winter war nach diversen Zu- und Abgängen ein neues Foto fällig. Kein Sponsor will mehr mit einem längst geschassten Trainer in Verbindung gebracht werden. In Zeiten, in denen Trainerteams in Mode stehen, ist das gar nicht so einfach: Beim 1. FC Köln tummeln sich in diesem Sommer 16 Trainer und Betreuer auf dem Foto. Sechzehn? Auf alten Bildern stehen mitunter nicht mal 16 Spieler.

Nicht genau hingeschaut

Aber was ist das alles gegen Sezgin Özhan, den Albtraum aller Mannschaftsfotografen: Er hatte vor einem Jahr gewettet, dass er unbemerkt sein bestes Stück ins Bild rücken würde. Wette gewonnen, beide gingen zehntausendfach in Druck, Herr Özhan und sein kleiner Freund. In der Bundesliga dürfte man tief durchgeatmet haben: Özhan spielt ja nur in der Duisburger Bezirksliga, beim VfvB Ruhrort. Dort, wo man offensichtlich nicht so auf Kleinigkeiten achtet.