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Ludger Beerbaum sieht Springreiter in der Bringschuld

Ludger Beerbaum sieht Springreiter in der Bringschuld

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Foto: dpa
Ludger Beerbaum will mit den deutschen Springreitern endlich mal wieder einen großen Titel gewinnen. Am liebsten bei Olympia 2016 in Rio.

Riesenbeck. 

Zwölf der besten Springreiter der Welt treten vom 23. bis 25. Oktober in Peking beim „Longines Equestrian Beijing Masters“ gegen 24 Chinesen an. Das Besondere an diesem Turnier: Wegen der Quarantäne-Bestimmungen reisen die ausländischen Asse ohne Pferd an. Vor Ort werden ihnen ihre Pferde zugelost. In unserem Interview spricht der 52-jährige Ludger Beerbaum, viermaliger Olympiasieger, nicht nur über die bereits fünfte Auflage des Turniers, sondern auch über seine Ziele für die Olympischen Spiele 2016, über das Ticken seiner biologischen Uhr und über den Teamgeist in der deutschen National-Equipe.

Herr Beerbaum, wie wird man Botschafter eines Turniers in Peking?

Ludger Beerbaum: Das ist nicht aus dem Boden gestampft und die Chinesen haben mich auch nicht im Telefonbuch gefunden. Es hat eine Vorgeschichte. Im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2008 in Peking habe ich auf Bitte des chinesischen Verbandes einige Reiter auf meinem Hof in Riesenbeck trainiert. 2009 entstand dann die Idee, im Vogelnest, in diesem beeindruckenden Olympiastadion ein Turnier auszurichten. Damals hat man mich angesprochen.

Wie stark sind die chinesischen Reiter?

Ludger Beerbaum: Sie haben sich enorm verbessert. 24 Chinesen werden diesmal antreten. Vor fünf Jahren hätten höchstens fünf chinesische Paare die nötigen Fähigkeiten für 1,45 Meter hohe Hindernisse gehabt.

Ist China ein Wachstumsmarkt für Sie als Pferde-Unternehmer?

Ludger Beerbaum: Ganz sicher. Aber es ist nicht zu vergleichen mit Konsummärkten wie der Automobil-Industrie. Es gibt ein wachsendes Interesse. Wir haben inzwischen 35 Pferde nach China vermietet. Wir bieten eine Rundumbetreuung. Alle sechs Wochen fährt ein Schmied zum Beschlagen nach Peking, es sind immer Trainer und Pfleger von uns vor Ort. Wenn es die Quarantäne-Bestimmungen nicht geben würde, wäre der Austausch noch leichter.

An der Quarantäne liegt es auch, dass Sie zum Turnier nach Peking ohne Pferde anreisen. Den zwölf internationalen Reitern werden vor Ort Pferde zugelost. Wann wissen Sie, wie gut Ihr Pferd ist?

Ludger Beerbaum: Wie gut es ist, das weiß ich erst nach dem Turnier. Ob ich mit ihm zurecht komme, das spüre ich innerhalb von einer Stunde. Wenn es überhaupt nicht passt, tauschen wir kurzfristig.

Also ist es so wie im wirklichen Leben, dass nicht jedes Paar miteinander harmoniert?

Ludger Beerbaum: So kann man es ausdrücken. Deshalb machen wir einen Tag vor dem Turnier einen Test.

Amt des Bundestrainers ist für Ludger Beerbaum nicht reizvoll 

Nach Peking fahren Sie nicht nur, weil das Vogelnest architektonisch so imposant ist, sondern weil es auch einen finanziellen Anreiz gibt. An einem Turnier, bei dem keine Prämien oder Antrittsgelder ausgeschüttet werden, wollen alle teilnehmen. Wie groß ist für Sie der Anreiz der Olympischen Spiele 2016 in Rio?

Ludger Beerbaum: Sehr groß, weil olympische Medaillen nur alle vier Jahre vergeben werden. Im Vergleich zu allen anderen Championaten ist das Interesse der Öffentlichkeit viel größer. Selbst bei Leuten, die sonst nie Reiten verfolgen. Man wird über die Grenzen des eigenen Sports und des Landes bekannt und kann das später bei Sponsoren in die Waagschale werfen.

Auch mit 52 Jahren ist der olympische Anreiz noch riesig?

Ludger Beerbaum: Das stimmt. Der Appetit kommt beim Essen.

Eigentlich wollten Sie 2012 nach den Olympischen Spielen Ihre Karriere beenden. Als Sie die Teilnahme in London kurzfristig verpassten, haben Sie Ihre Laufbahn um vier Jahre verlängert. Ist denn nach Rio 2016 wirklich Schluss?

Ludger Beerbaum: Diese Frage stelle ich mir auch. Je näher der Termin heranrückt, umso häufiger. Wahrscheinlich ist dann Schluss. Aber nicht komplett. Statt in der Nationalmannschaft spiele ich dann nur noch in der Bundesliga.

Spüren Sie das Ticken der biologischen Uhr?

Ludger Beerbaum: Ja. Ich spüre es schon. Ich bin nicht mehr so geschmeidig wie mit 25, aber noch nicht so gebrechlich, dass ich es nicht mehr hinkriege. Ich tue auch viel dafür.

Haben Sie schon Ihr Pferd für Rio 2016 gefunden. Ist es Chiara?

Ludger Beerbaum: An erster Stelle steht Chiara, die in den vergangenen Jahren mein erstes Pferd war. Wenn sie gesund bleibt, wird sie es auch 2016 sein. Ich habe noch zwei junge Pferde, in die ich große Hoffnungen setze.

Haben Sie ein Lieblingspferd?

Ludger Beerbaum: Schwer zu sagen. Das ist so, als ob ein Vater sagen müsste, ob er ein Lieblingskind habe.

Wäre das Bundestrainer-Amt nicht auch ein reizvoller Job?

Ludger Beerbaum: Eher nicht. Als Bundestrainer ist man abhängig von der Situation im eigenen Land, welche Pferde die Besitzer zur Verfügung stellen.

Welche Chancen hat die deutsche Equipe in Rio?

Ludger Beerbaum: Die deutschen Reiter haben immer eine gute Chance. Bei der WM 2014 waren wir einen Fehler weg vom WM-Titel, bei der EM 2015 haben wir Silber geholt. Aber am Ende muss am richtigen Tag wirklich alles passen. Da sind wir in der Bringschuld.

Es hieß zuletzt, bei den zuletzt so erfolgreichen Niederländern soll der Teamgeist der Championatsreiter sehr groß sein, während für Deutschland vier Einzel-Reiter an den Start gehen würden.

Ludger Beerbaum: Nein, das kann ich überhaupt nicht unterstreichen. Wir hatten schon bei größeren Erfolgen einen viel schlechteren Teamgeist. Wir waren zuletzt richtige Kumpel. In den 30 Jahren, in denen ich reite, war das nicht immer so. Da hat auch schon mal der eine mit dem anderen sehr wenig geredet.