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Mendiger Vulkan-Bräu – aus dem tiefsten Bierkeller der Welt

Mendiger Vulkan-Bräu – aus dem tiefsten Bierkeller der Welt

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Foto: Fotodesigner
Vor 200.000 Jahren als der Wingertsberg-Vulkan explodierte und den Rhein bei Koblenz zum Binnensee staute, entstand der tiefste Bierkeller der Welt.

Mendig. 

Es muss gewaltig gescheppert haben, damals in der Eifel. Als vor 200.000 Jahren der Wingertsberg-Vulkan explodierte und es Asche bis Norwegen regnete. Dort, wo heute Koblenz ist, staute der Auswurf den Rhein zum Binnensee. Und so ganz nebenbei entstand der tiefste Bierkeller der Welt. Sonntag, Sommer, Durst: Der Biergarten vom Vulkan-Bräu in Mendig brummt an diesem Tag wie ein geschäftiger Bienenkorb. Unter Platanen klirren Glaskrüge mit süffigem Hellem und bananigem Weizen. Moderne Biere, gebraut in Edelstahl hinter spiegelnden Rauchglasscheiben. Aber über uraltem Grund, auf Basaltlava.

„Das Geläuf muss in Ordnung sein, die Pumpe auch, und bitte keine Klaustrophobie“, warnt Guide Ernst Pfisterer am Einstieg zum Orkus. Der Ex-Pilot weiß, warum er eine wattierte Weste trägt: „Drunten sind es fünf bis acht Grad.“ Und wer möchte schon Bibbern im Vulkan? 153 Tritte geht’s hinab auf engsten Stufen. Die Stimmen werden leiser, verstummen plötzlich ganz: In 30 Metern Tiefe weitet sich die Szene zu einer acht Meter hohen Unterwelt.

Fahle Lichter locken in die Tiefe

So muss sich Dante sein Inferno ausgemalt haben, den Beginn seiner Reise durch die neun Kreise der Hölle: zyklopische Felswände mit schwarzen Decken, wie kassettiert aus sechskantig kristallisierter Lava, gestützt von mächtigen Säulen. Die kantigen Träger schützen ein Labyrinth von drei Quadratkilometern vor dem Einsturz unter einer zig meterhohen Bimsschicht. Fahle Lichter locken in immer neue dunkle Tiefen.

Römer hatten die ersten Basaltsäulen durch schlotartige Schächte ans Tageslicht gehievt und die daraus gemeißelten Mühlsteine bis Schottland geschifft. Jahrhundertelang höhlten Eifeler „Leyer“ ihr Steinbergwerk aus. Manche Rundlinge drehen sich heute noch, wie jene in der alten Senfmühle von Monschau. Die schwere Arbeit formte Männer von eigenem Schlag – zupackend, aber mit dem rheinischen Hang zum Feiern. Und Frauen mit unterschiedlichsten Ansprüchen: Bundesministerin Andrea Nahles ist in Mendig geboren, aber auch Rosemarie Nitribitt, eine bekannte Edelprostituierte der 50er Jahre, wuchs hier auf.

Im 19. Jahrhundert entdeckten Bierbrauer die verwaiste Mendiger Unterwelt. In Boomzeiten seilten 29 Brauereien ihre Sude zum Gären und Reifen in die ideal temperierte Tiefe. Verblüfft steht man urplötzlich vor einer ganzen Batterie offener Gärtonnen. Brauner Rost frisst sich durch den weißen Anstrich. Hinter einer Trennmauer sind Lagertanks auf bis zu drei Etagen getürmt. Jeder einzelne Speicher hat das Format eines Esso-Tanklasters.

Mendiger Bier in Paris und London

„Mendiger Bier ging bis Paris und London“, sagt Ernst, unser Führer. Bier und Basalt machten damals die Strecke zum Rhein zur meist frequentierten Güterbahn in ganz Preußen. Erst das Unternehmen Linde mit seiner Kühlmaschine bescherte dem Treiben in der Tiefe ein Ende. Untergäriges Bier konnte ab 1876 sommers überall selbst gebraut werden. Und so rotten inzwischen auch die Abfüller und Stapel von Bierkästen der noch im Jahr zuvor eröffneten Wölker Brauerei in der hohen Luftfeuchtigkeit unaufhaltsam dahin.

Da steigt man dann gerne wieder schnaufend die 153 Stufen hinauf zur Nachfolgerin, der Vulkan Brauerei. Hinauf in sommerliche Wärme. Bei einem Dunklen aus fein gerösteter Eifelgerste blickt man vom rustikalen Gastraum noch immer leicht fröstelnd in den sicher eingeglasten Schlund des Göpelwerks, auf dessen finsterer Sohle matt ein Lichtlein schimmert. Doch da kommt ja auch schon das saftige Rumpsteak vom Eifelbullen herbei geschwebt. Knusprig gegrillt – na klar doch! – auf dem Lavastein.