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Wie sich Geflügelhalter mit der Stallpflicht arrangieren

Wie sich Geflügelhalter mit der Stallpflicht arrangieren

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Im Freien lebende Hühner Foto: Heiko Kempken/WAZ FotoPool
In weiten Teilen des Niederrheins müssen Hühner und anderes Geflügel jetzt im Stall bleiben. Die Halter halten sich dran, suchen nach Alternativen zur Wiese und telefonieren deshalb auch schon mal mit einem Zirkus. Wir haben uns umgehört in Dinslaken und Voerde.

Kreis Wesel. 

Die grüne Wiese lockt. Wäre die Sorge vor der Vogelgrippe nicht – dann, ja dann würden hier am Scholtenhof, einem Biobetrieb in Dinslaken, rund 800 Hühner herumlaufen, hier picken, da picken. „Den Tieren merkt man an, dass sie raus wollen“, sagt Matthias Drescher, der auf dem Scholtenhof Hühner hält und einen Bioladen betreibt. Aber, verboten ist verbote , und zwar von Amts wegen. Damit sich Nutzgeflügel nicht bei Wildvögeln mit der Vogelgrippe ansteckt, gilt in weiten Teilen des Niederrheins nun die Stallpflicht.

Drei Fälle von Vogelgrippe in den Niederlanden, einer in Großbritannien, einer in einem Mastbetrieb in Mecklenburg-Vorpommern: An beunruhigenden Nachrichten für Geflügelhalter herrschte zuletzt kein Mangel. Die wirklich schlechte Kunde war jedoch die, dass vor wenigen Tagen das hochansteckende Virus H5N8 erstmals auch bei einem Wildvogel, einer Krickente in Mecklenburg-Vorpommern festgestellt wurde.

Die Stallpflicht gilt für ein Zehntel der Landesfläche

Für Fachleute hat sich damit der Verdacht erhärtet, dass Wildvögel die gefährliche Krankheit verbreiten. Behörden gehen seither auf Nummer sicher. Für 10 Prozent der Landesfläche, nämlich dort wo Vogelzuggebiete in der Nähe sind, hat Nordrhein-Westfalen die Stallpflicht ausgerufen. Andere Bundesländer halten es ähnlich, und gestern zog die Bundeshauptstadt Berlin nach.

„Da blutet einem das Herz“, sagt Tobias Höffner. Für Bio-Landwirt Christian Hülsermann betreibt er in Voerde ein „Hühnermobil“ mit 222 Hennen und drei Hähnen. Das Federvieh der Rasse „Lohmann“ ist verwöhnt. 5000 Quadratmeter Auslauf hat die Hühnerschar für gewöhnlich, das „Hühnermobil“ parkt jede Woche auf einer anderen Wiese im Ortsteil Spellen. Und jetzt? 63 Quadratmeter, verteilt auf drei Etagen, stehen der Hühnerversammlung im Innern des Mobils zur Verfügung. Die sind aber vergleichsweise wohnlich (Gestänge, Scharrbereich und andere Extras).

Dringend gesucht: ein großes Zelt

So schön das „Hühnermobil“ aber auch ist: „Die Tiere können nun nicht ganz ohne Auslauf bleiben“, sagt Höffner. Freiwillige Feuerwehr, ein Zirkus – der 28-Jährige und Christian Hülsermann haben schon angefangen, herumzutelefonieren. Ein Zelt soll her, vielleicht 150 bis 200 Quadratmeter groß, damit die Hühner wenigstens (überdachten) Auslauf bekommen.

In Dinslaken ist Matthias Drescher derweil überzeugt, dass die Größe seiner Ställe ausreicht. Trotzdem: Gut sollen es die Hühner auch haben. In jedem Stall gibt es mehrere Wannen für Sandbäder, und im Scharrbereich befindet sich Getreide, damit die Tiere beschäftigt sind. Dass die Hühner drinnen aggressiv werden und sich gegenseitig hacken, das befürchten weder Drescher noch Tobis Höffner. Rein vorsorglich will Drescher aber die Hähne bei sich „beobachten“. Die könnten schon eher Probleme bereiten. Schwieriger könnten es Gänsehalter haben: Weil sie ihre Tiere auf Weidehaltung ausgelegt haben, verfügen viele über kleinere Ställe.

Die Halter haben Verständnis für die Stallpflicht

Gegen Habichte helfen Vogelscheuchen. Gegen Füchse gibt es nachts ein einfaches Rezept: Klappe zu an den Ställen. Ein Schutz gegen unsichtbare Vogelgrippe-Viren ist schwieriger. Für die Stallpflicht gibt es unter den Geflügelhaltern deshalb Verständnis: „Um ganz sicher zu sein, ist es vernünftig, die Tiere im Stall zu lassen. Es geht ja um den Schutz der Tiere“, sagt Matthias Drescher. Nur ein Dauerzustand sollte das nicht werden. Bereits 2005/2006 hatte es von Oktober bis Mai eine Stallpflicht gegeben, damals wegen eines anderen Vogelgrippeerregers.

Wann das Federvieh wieder nach draußen kann, ist ungewiss. Zugvögel könnten das Virus verbreiten. Dann kann die Sperre auch bis zum Frühjahr dauern. „Daran darf ich überhaupt nicht denken“, meint Drescher. „Hühnermobil“-Betreiber Höffner graut es ebenfalls davor: „Das wäre das Schlimmste.“