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Musiker Laith Al-Deen: „Ich hatte eine Lebenskrise“

Musiker Laith Al-Deen: „Ich hatte eine Lebenskrise“

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1491EC0063F963A9.jpg Foto: dpa
Sänger Laith Al-Deen spricht im Interview über sein neues Album „Bleib unterwegs“, Burn-out und Welthits, die keiner hören wollte.

Hamburg. 

Nach fünf Top-Ten-Alben in Folge ist die neue Platte „Bleib unterwegs“ trotzdem keine Routinescheibe. Der Sound ist wuchtiger, die Texte nachdenklich und tiefgründig, und auch im Hintergrund hat der Mannheimer Sänger, der zum ersten Mal nicht sein Gesicht auf dem Covermotiv zeigt, einiges geändert. Im Interview spricht er über Burn-out, seine neue Platte und warum ihn die berühmten Sockenkondome der Red Hot Chili Peppers einst inspiriert haben.

Steve McQueen sagte im Film „Le Mans“: „Rennfahren ist Leben, die Zeit zwischen den Rennen ist nur Warten.“ Was ist für Sie Leben und was ist Warten?

Laith Al-Deen:

Das lässt sich damit beantworten, dass ich mir einen Triumph gekauft habe. Ein guter Anfang, oder? Aber es ist nicht so, dass Leben für mich nur Musik bedeutet und dahinter nur ein Vakuum herrscht.

Anders gefragt: Gibt es ein Leben zwischen Bühne und Tonstudio?

Al-Deen:

Das geht immer Hand in Hand. Das Studio ist der Ort, um auch mal innezuhalten, zu reflektieren und zu schauen, was ich gemacht habe. Wie geht es dir, wo geht es hin? Die Bühne ist der Ort des Erlebens, was im Studio entstanden ist. Und die Zeit dazwischen ist kein Warten. Es gehört alles zusammen.

Professionelles Arbeiten mit Musik und Leidenschaft gehen noch Hand in Hand?

Al-Deen:

Das ist ein bisschen von allem. Mein Management sorgt dafür, dass nicht alles im Chaos versinkt, und ich nehme, gerade musikalisch, alles nicht zu ernst. Das musste ich erst lernen. Ich bin zwar immer noch Perfektionist, war für das neue Album aber erstmals bereit, Aufgaben wie Produktion oder Musiker- und Technikerauswahl zu delegieren. Früher saß ich auf dem Berg Arbeit wie eine Henne.

Sie erzählten in Interviews des Öfteren von einem „kleinen Burn-out“, den sie vor einigen Jahren überstanden haben. Wie ist man denn nur ein bisschen komplett durch?

Al-Deen:

Also ich hatte pathologisch keinen hundertprozentigen Burn-out. Ich hatte keine Depressionen, ich habe großen Respekt und Mitleid mit Menschen, die echte Depressionen haben. Ich würde sagen, ich hatte eine Lebenskrise, über Jahre, und hab das erst erkannt, als mein Umfeld es bemerkte und mich auffangen konnte. Ich habe das lange ausgeblendet und war daher nur ein bisschen komplett durch, weil ich noch funktionieren konnte.

Trotzdem kehrten sie in die Nervenmühle Studio-Bühne-PR-Leistungsdruck zurück. Was haben Sie verändert? Welche Warnsysteme haben Sie scharf geschaltet?

Al-Deen:

Es fing mit dem Abgeben von Aufgaben an und das zieht viel nach sich. Wenn sich jemand über den Sound des Albums beschwert, dann kratzt mich das null. Das war früher anders. Da reichte nur ein negativer Kommentar irgendwo und ich habe mich daran aufgerieben. Ich habe dieses Jahr auch das erste Mal in über 25 Jahren zwei Konzerte abgesagt, weil ich nicht fit war. Das war mir zwar auch ein wenig peinlich, aber wenn sich der Mann im Ohr meldet mit „ruh Dich aus, entspann dich, werde gesund“, dann höre ich auf ihn. Früher war ich stolz darauf, immer abzuliefern, koste es, was es wolle. Aber die Rechnung wird so nur länger.

Das Lied „Geheimnis“ wird viele Menschen ansprechen, denn wer hat keine Geheimnisse? Nur: Sie singen „Liebe ist elektrisch“, dabei scheint Liebe in Zeiten von Flirt-Apps und „Beziehungsoptimierung“ eher digital zu sein. On/off. Romantische Popsongs scheinen nicht mehr zeitgemäß.

Al-Deen:

Sie sind immer zeitgemäß. Ich weiß nicht mehr von wie vielen verschiedenen Beziehungsmodellen ich in den letzten 30 Jahren in Frauenzeitschriften gelesen habe. Ohne Liebe funktionieren die alle nicht. Aber was stimmt: Die Geduld mit dem Partner fehlt heutzutage.

Generation beziehungsunfähig.

Al-Deen:

Ich habe in den letzten Jahren mit acht goldenen Hochzeitspaaren gesprochen. Wenn man die fragt, wie sie es geschafft haben, dann werden ihre Blicke meistens ernst. Man sieht die Erinnerungen, die Geheimnisse, die offenen Fragen in den Augen. Und dann wird sich gegenseitig auf die Schulter geklopft, weil man es trotz allem so lange durchgehalten hat. Das nenne ich Romantik. Romantik ist nämlich Arbeit. Alles andere kannst du knicken.

In „Im Vorbeigehen“ erklingt eine Art Bontempi-Klimperkeyboard, „Du fehlst“ hingegen wildert in Progressive-Stadionrock. Relikte der 80er, in denen sie aufwuchsen?

Al-Deen:

Die 80er begannen für mich mit Saxon. „Princess Of The Night“, Heavy Metal! Über Iron Maiden, Slayer und Celtic Frost ging es in das Jahr 1991. Red Hot Chili Peppers. Wir wollten alle funk­rocken und uns Socken über die Schwänze ziehen. Wir haben zwar versagt, aber wir haben es versucht. Dann habe ich zehn Jahre lang daran gearbeitet, The Prodigy, Depeche Mode und U2 unter einen Hut zu bekommen und unfassbare Welthits an unfassbar viele Plattenfirmen geschickt. Das hat auch nicht geklappt, aber ein wenig von alledem steckt in den beiden Songs drin. Ich plane übrigens seit Jahren ein Rockalbum. Metallica-Megadeth-Gehacke, Foo-Fighters-Melodien – acht Songs stehen schon. Und ob die jemanden interessieren, ist für mich irrelevant. Ich mache das, auch wenn das mein einziger Ausflug bleibt.

Auf Deutsch oder Englisch?

Al-Deen:

Ich wurde vorgestern gefragt, ob es wichtig ist, auf Deutsch zu singen. Meine Antwort war: Nö. Ich finde es schön, dass ich immer seltener gefragt werde, warum ich auf Deutsch singe. Es ist selbstverständlich geworden, für junge Künstler wie Joris, Maxim oder Mark Forster auf Deutsch zu singen, und besonders der Hip-Hop, großes Kino, hat da immens viel bewegt.

Was ist Ihr „Heimathafen“?

Al-Deen:

Ich. Hauptsächlich. Das ist das Bestreben. Das klingt etwas komisch, aber das beinhaltet alles. Mein ganzes Umfeld und meinen Haufen Zuhause, der mich zusammenhält und wieder abholt. Ich bin genug unterwegs, um gern Zuhause zu sein.

Als letzte Frage benutze ich mal den Titel des Vorgängeralbums: Was, wenn alles gut geht?

Al-Deen:

Das ist mein Lebensmotto seit der Platte. Und es ist verdammt schwer, es umzusetzen. Aber es lohnt sich.