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Jürgen Pomorin ist der Mann hinter dem „starken Team“

Jürgen Pomorin ist der Mann hinter dem „starken Team“

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Foto: Jürgen Pomorin
Er ist ein Junge des Reviers. Jürgen Pomorin kommt aus Bochum. Bekannt wurde er mit Revier-Krimis wie „Das Ekel von Datteln“. Erfolgreicher aber ist der 61-Jährige als graue Eminenz von ZDF-Krimis wie der Reihe „Ein starkes Team“. Das Ermittler-Duo Maranow und Martens feiert am Samstag Jubiläum.

Bochum/Mainz. 

Jürgen Pomorin ist der Mann hinter der erfolgreichen ZDF-Krimireihe „Ein starkes Team“. In seiner Heimatstadt Bochum plauderte der Drehbuch-Autor im Gespräch mit Jürgen Overkott aus dem Nähkästchen.

Sie verbringen viel Zeit auf Mallorca. Haben Sie irgendwann das Weite gesucht?

Jürgen Pomorin:

Nee. Im Sommer sind in Cala Millor mehr Leute aus dem Ruhrgebiet unterwegs als in Bochum auf der Kortumstraße. Es war Zufall, dass wir nach Mallorca kamen. Eigentlich war damals Kreta angesagt. Mallorca hatte einen schlechten Ruf. Aber meine Freundin sagte, komm’, lass uns mal nach Mallorca fliegen, und dann haben wir uns Hals über Kopf in die Insel verliebt. Wir haben gemerkt, dass es nicht nur den Ballermann gibt, sondern viele traumhafte Gegenden.

Als wir beim zweiten Mal da waren, hatten wir die Möglichkeit, eine Finca zu besichtigen, die damals für wenig Geld zu haben war. Wir haben uns die Finca zu Viert gekauft. Wir wollten das Haus eigentlich für Ferien nutzen, aber dann habe ich festgestellt, dass sich das Haus für meine Arbeit als Drehbuch-Autor gut eignet. Es macht einfach mehr zu arbeiten, wenn man nach draußen guckt, und die Sonne scheint, als wenn man im November vor einer verregneten Wand sitzt, und ab vier ist es dunkel. Für die Phantasie ist Sonne besser.

Sie sind einer der wichtigsten Autoren für „Das starke Team“. Wie kam es dazu?

Pomorin:

Ich habe fast die Hälfte aller Folgen geschrieben. Die aktuelle ist meine 25. Ich bin aber erst in der zehnten Folge dazugestoßen. Ich hatte aber vorher schon mit Michael Illner einen Roman mit dem Titel „Gemischtes Doppel“ geschrieben. Die Hauptfiguren waren ein Ost- und ein West-Kommissar.

Die Grundidee ist ein gemischtes Doppel ermitteln zu lassen: Mann-Frau, Ost-West. Ich vermute, das war eine Reaktion auf die Wiedervereinigung.

Pomorin:

Ja. Aber ich muss dazu sagen, ich habe damals mit Michael Illner zusammen eine andere Serie entwickelt, die vor dem „Starken Team“ lief: „Totes Gleis“. Und da haben wir das „Gemischte Doppel“ umgesetzt. Doch nach zwei Staffeln wurde die Serie nicht mehr verlängert, weil gesagt wurde: Das hat keine Perspektive, die Unterschiede zwischen Ost und West werden bald vorbei sein. Das war ‘95/’96. Dass sich die Unterschiede zwischen Ost und West so lange halten – damit hat keiner gerechnet. Und selbst jetzt, ich wohne mit meiner Freundin in (Berlin-)Charlottenburg, ist es so, dass man nicht in den Osten fährt.

Die Grenze zwischen West und Ost besteht immer noch – in den Köpfen

Die Teilung der Stadt hat de facto schon vor dem Mauerbau gegeben: bürgerlicher Westen, Arbeiterbereich im Osten.

Pomorin:

Ich habe Freunde im Osten, sie wohnen am Prenzlauer Berg. Und als sie uns besuchten, waren sie zum ersten Mal im Westen Berlins.

Was hat Sie dazu gebracht, nach Berlin zu ziehen?

Pomorin:

Das ist eine unheimlich spannende Stadt – was ich vor zehn, 15 Jahren nicht gedacht hätte. Meine Frau ist vor zwei Jahren gestorben, und ich dachte damals, allein leben auf Mallorca bringt nichts. Ich will wieder eintauchen ins Leben. Berlin war die richtige Entscheidung. Schon wegen des riesigen Kulturangebots. Es gibt jeden Tag irgendwo eine neue Ausstellung. Philharmonie, Konzerte, Jazzclubs und und. Bochum fiel raus – trotz vieler Freunde. Ich wollte in eine richtige Stadt.

Nun spielt ein „Starkes Team“ auch in Berlin. Hilft das, vor Ort zu sein?

Pomorin:

Auf jeden Fall. Es gibt zum Jubiläum eine Russen-Amerikaner-Geschichte. Und deshalb war es wichtig zu sehen, wie die 100 000 Russen in Berlin, vorwiegend in West-Berlin leben, wie sie die Kultur beeinflussen und den Einzelhandel mit ihren Läden.

Hat Sie die Serie „Im Angesichts des Verbrechens“ beim Russen-Thema beeinflusst?

Pomorin:

Ich habe die Serie gern gesehen. Aber inspiriert? Nein. Aber eine Geschichte über 100 000 Russen in Berlin: Das musste mal sein. Das ist eine echte Berliner Geschichte. Das ist Stoff, den Du nicht in Bochum und auch nicht in Hamburg erzählen kannst.

„Es ist schwierig, wenn die Hauptfigur auf Dauer eher unsympathisch wirkt“

Ist es leichter, Stoffe zu entwickeln, wenn die Figuren schon feststehen?

Pomorin:

Ja. Die Figuren, die Konstellation und der Ton sind vorgegeben. Beim „Starken Team“ gibt es Humor und unverwechselbare Hauptfiguren. Wenn man die oft bedient hat, weiß man, wie die reden. Wenn ich einen 90-Minüter schreibe, zum Beispiel für einen Montagsfilm im ZDF, muss ich alles neu erfinden. Das ist ungleich schwerer.

Sie haben auch die dritte Folge von „Helen Dorn“ geschrieben.

Pomorin:

Auch da waren die Figuren und die Konstellationen vorgegeben. Aber mit war Anna Loos als Helen Dorn zu düster. Ich war mir nicht sicher, ob die acht Millionen Zuschauer, die der Krimi am Anfang hatte, der Reihe auf Dauer erhalten bleiben würden. Es ist schwierig, wenn die Hauptfigur auf Dauer eher unsympathisch wirkt.

Welchen Einfluss haben amerikanische oder skandinavische Serien?

Pomorin:

Es ist schon so, dass Drehbuch-Autoren gern Serien sehen wie „Breaking Bad“, „House of Cards“ oder auch „Die Sopranos“. Autoren und auch Redakteure möchten gern was Neues ausprobieren. Aber wir wissen auch, dass ein Großteil der Zuschauer unseren Geschmack nicht teilt. Das ist also immer ein Spagat: Man möchte ja nicht immer eine „Derrick“-Geschichte erzählen.

Wie „Das Ekel von Datteln“ zum Bestseller wurde

Vor Jahren haben Sie ja was Neues ausprobiert. Sie haben die Regionalkrimis in Romanform angeschoben.

Pomorin:

Wir sind nicht mit dem Gedanken daran gegangen, eine neue Marke zu schaffen. Reinhard Junge und ich haben als Kinder des Reviers gesagt, wir schreiben eine Geschichte, die bei uns zuhause spielt. Und dann hat sich herausgestellt, dass die Leute Bücher wie „Das Ekel von Datteln“ mögen, weil sie die Straßenzüge wiedererkennen und auch den Stau auf der B 1. Das haben andere Autoren auch begriffen. Man kann ja inzwischen jeden Stadtteil bedienen. Mag sein, dass Kleinverlage von solchen Krimis nur 1000 Stück drucken. Aber sie werden gekauft.

Der damalige Bürgermeister von Datteln, Horst Niggemeier, bezog den Titel auf sich – und schäumte. War das Ihr bester Werbemann?

Pomorin:

Ja. (lacht) Er hat sich so aufgeregt, dass das Buch in Datteln nicht verkauft wurde. Die örtliche Buchhandlung hat sich nicht getraut. Wer das Buch haben wollte, musste nach Waltrop fahren. Die einzige Buchhandlung in Waltrop hat 1000 Exemplare verkauft. Niggemeier hat übrigens zu seinem 60. Geburtstag von (SPD-)Fraktionskollegen vier Exemplare bekommen.