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Elizabeth Holmes: Der tiefe Fall einer Milliardärin

Elizabeth Holmes: Der tiefe Fall einer Milliardärin

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Getty Images Editorial All-2_491436304-HighRes.jpg Foto: Getty Images Entertainment/Getty Images
Die US-Amerikanerin Elizabeth Holmes versprach mit ihrem Unternehmen Bluttests für Jedermann – doch Zweifel an ihrer Idee mehren sich.

Washington . 

In den vielen Märchen, die das Silicon Valley schreibt, war Elizabeth Holmes die strahlende Prinzessin. Schwarzer Rollkragenpullover, blond wallendes Haar, tiefe Stimme. Mit ihrem Unternehmen Theranos brachte sie es innerhalb weniger Jahre zur Milliardärin. Auf den Titeln der Wirtschaftsmagazine war sie ebenso präsent wie in den gehobenen Kreisen von Politik und Geldadel. Ihr Versprechen, mit günstigen Bluttests das sündhaft teure US-amerikanische Gesundheitssystem umzukrempeln, machte die Jungunternehmerin über Kalifornien hinaus zum Shootingstar in einer von Männern dominierten Szene.

Mittlerweile steht der junge Stern am Hightech-Himmel kurz vor dem Verglühen. Die Börsenaufsicht SEC, die Krankenversicherung Medicare, die Arzneimittelkontrolleure der FDA sowie die kalifornische Staatsanwaltschaft haben die 32-Jährige und ihre Firma Theranos ins Visier genommen. Die oft mit Apple-Gründer Steve Jobs verglichene Entrepreneurin, die für ihr Unternehmen Wagniskapital von insgesamt rund 750 Millionen Dollar eingesammelt hat, soll bei der Markteinführung ihres „Edison“-Systems mehr als nur geflunkert haben.

Auslöser der Ermittlungen, die Holmes zähneknirschend im US-Frühstücksfernsehen einräumte, war vor einem halben Jahr ein detaillierter Bericht im „Wall Street Journal“. Die Wirtschaftszeitung ging Zweifeln nach, wonach die von Theranos angepriesenen Tests ­– mit ein paar Tropfen Blut nach einem kleinen Piekser in den Finger statt einer aufwendigen Entnahme durch die Vene – bei weitem nicht so revolutionär besser und preiswerter sind als das, was in konventionellen Labors praktiziert wird.

Die meisten Tests laufen auf herkömmlichen Maschinen

Dabei kam heraus, dass Theranos bis auf wenige Ausnahmen das Gros der potenziell insgesamt 200 Tests auf Krankheiten von Herpes über Aids bis Diabetes mithilfe von traditionellen Maschinen erledigt, auf die auch der Rest der Branche zurückgreift. Gebaut von bekannten Technologieanbietern wie Siemens. Die Rechercheure taten frühere Mitarbeiter von Holmes’ Unternehmen auf, die von fehlerhaften Testergebnissen erzählten. Bei einigen Patienten waren die Kalium-Werte offenbar so hoch, dass sie längst tot sein müssten. Als diese auch noch anonym bei den Aufsichtsbehörden vorstellig wurden, ging Holmes mit ihren Anwälten in die Offensive. Alle Anschuldigungen seien falsch, sagt die Milliardärin. „Ich war schockiert über die fahrlässige Berichterstattung.“

Allein, wie ihre Untersuchungsverfahren exakt ablaufen und wie sie sich von der Konkurrenz unterscheiden, das behielt Holmes bislang hartnäckig für sich und warf ihren Kritikern Missgunst vor. „So ist das, wenn man Dinge verändern will. Zuerst glauben sie, du bist verrückt. Dann kämpfen sie gegen dich und dann, plötzlich, veränderst du die Welt.“

Mittlerweile ist die leidenschaftliche Veganerin, die sich von Säften ernährt, entschieden kleinlauter geworden. „Wir haben die Probleme zu spät in Angriff genommen“, sagte sie in der „Today Show“. Die Behörden erklärten, es gebe den berechtigten Verdacht, dass Investoren nicht wahrheitsgemäß über das Projekt informiert wurden. Und dass Test-Probleme möglicherweise bewusst verschleiert wurden. Die Apothekenkette Walgreens hat bereits Konsequenzen gezogen. Holmes’ Bluttests, die dort für zehn Dollar zu haben sind, sollen ausgemustert werden.

Vom „Time“-Magazin wurde sie unter die 100 mächtigsten Menschen gewählt

Im Silicon Valley, wo potente Geldgeber jährlich Hunderte Geschäftsideen auf Markttauglichkeit testen, taucht nach der Causa Theranos plötzlich die Frage auf, ob man in der Vergangenheit vielleicht generell zu lax bei der Bewertung von hochtrabenden Versprechen gewesen ist.

Für Holmes ist die Wende bitter. Mit gerade einmal 19 Jahren gründete sie nach dem Abbruch ihres Chemiestudiums in Stanford ihre Firma, die zuletzt mit knapp neun Milliarden Dollar bewertet wurde. Das „Time“-Magazin wählte sie in die Liste der 100 mächtigsten Menschen der Welt. Präsident Barack Obama lobte sie als „Botschafterin für globalen Gründergeist“. Und als Vorbild für Mädchen in der Wissenschaft. Holmes war gefeierte Gastrednerin beim World Economic Forum in Davos. Ihr Ruf ging so weit, dass sich Prominente wie der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger bereitwillig in den Verwaltungsrat von Theranos wählen ließen.

Sollten die Untersuchungen der Behörden den Betrugsverdacht bestätigen, muss Elizabeth Holmes binnen einer Woche von der Unternehmensspitze zurücktreten. Das Märchen von der jungen Frau, die aus Angst vor Spritzen die Blutdiagnostik revolutionieren wollte, wäre dann auf einen Schlag vorbei.