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Das Wunder um Magic Johnson

Magic Johnson – Vom Korbjäger zum Aids-Aufklärer

Als vor zwanzig Jahren bekannt wurde, dass sich Basketball-Star Earvin Johnson mit dem HI-Virus infiziert hatte, war es ein Schock für Amerika, für die Welt. Doch Magic Johnson erkrankte nicht. Ein Film zeigt nun, wie sich sein Leben vom Korbjäger zum Aids-Aufklärer veränderte.

Washington. 

Als seine Teddybär-Augen neulich beim Allstar-Spiel in Orlando in Großaufnahme auf dem Videowürfel unter der Hallendecke erschienen, ging ein Raunen durch die Basketball-Arena. Dazu war kein No-Look-Pass nötig, jene unerreichte Finesse, dem Gegner ohne hinzusehen den Ball durch die Nase zu spielen, für die er bei den Los Angeles Lakers berühmt war. Earvin Johnson reicht ein einziges hinreißendes Lachen. Breit wie ein Fußballtor. Und jeder Saal ist seiner. Immer noch. Eine angeborene Gabe, ohne die der 2,06 Meter große ewige Junge nicht wäre, was er ist. Einer der größten Basketballer aller Zeiten. Und seit 20 Jahren der bekannteste HIV-Patient der Welt. „The Announcement“ (die Ankündigung), eine Dokumentation des US-Sportkanals ESPN liefert jetzt zum ersten Mal bis dato seltene Einblicke in das Leben des Mannes, der völlig zurecht „Magic“ gerufen wird.

In Amerika gibt es Millionen Menschen, die wissen, wo sie waren, als John F. Kennedy starb. Oder was sie am 7.11.1991 gemacht haben. Jenem Tag, als ein 32-jähriger Superstar der Profi-Liga NBA vor die Mikrofone im ehrwürdigen Forum von Inglewood trat und bekannte, durch ungeschützten Sex eine tödliche Krankheit erlangt zu haben: HIV. Damals gleichbedeutend mit einem Todesurteil.

„Wir dachten alle, dass Magic bald sterben würde”, erinnerte sich Team-Kollege James Worthy. Magic dachte nicht daran. Nicht nach außen. „Ich werde es besiegen. Ich werde Spaß haben. Wir sehen uns wieder”, erklärte er bei seinem Rücktritt. Schockzustand. Ganz Amerika sah zu. „Es“ das bis dahin allein im Schwulen-Millieu vermutete Virus, hatte über Nacht die heterosexuelle Spaßgesellschaft Amerikas aus ihrer Gleichgültigkeit gerissen.

Die besten Ärzte

Johnson, Arbeitersohn aus einer zwölfköpfigen Familie aus Michigan, stellte fortan seine in fünf Meisterschaften erwachsene immense Popularität in den Dienst der vorbeugenden Sache. Aids-Aufklärer statt Korbjäger. Herzerweichend die Szene, als er in einer Fernsehsendung einem weinenden Mädchen Mut macht. Die Kleine hatte auch das Virus und war in ihrer Klasse isoliert. „Behandelt sie wie alle anderen auch“, rief Magic in die Kamera. Und seine Worte trockneten die Tränen.

An der Seite seiner unaufdringlichen und ungemein starken Frau Cookie, ohne die er nach eigenen Worten heute tot wäre, konsolidiert der Sympathieträger sein Leben, hält die Krankheit mit Medikamenten und Sport in Schach.

So erfolgreich, dass Mini-Comebacks möglich werden, die Fans noch heute einen Kloß im Hals verursachen: das NBA-Allstar-Spiel kurz nach dem HIV-Geständnis. Der Auftritt von „Dreamteam Amerika I” bei Olympia ’92 in Barcelona. Seine Rückkehr zu den Los Angeles Lakers 1996, wo er bis zum Abschied noch 32 Mal das Trikot mit der Nr. 32 überstreift.

Innere Furcht vor der Krankheit

Aber auch die aus Unwissenheit gespeisten Demütigungen blendet der Film nicht aus. Karl Malone, Star der Utah JaBezz, weigerte sich nach Barcelona gegen Johnson in der NBA zu spielen, aus Angst sich anzustecken. Im Interview bekundet er heute kleinlaut Hochachtung vor dem Mann, der sich nach den Worten seines Agenten Lon Rosen die „innere Furcht vor der Krankheit” nie hat anmerken lassen. Freunde wie Chris Rock und Arsenio Hall, bekannte Fernseh-Entertainer, sprechen voller Bewunderung von dem unbeirrbaren Überlebenswillen ihres Vorbilds.

Earvin Magic Johnson besitzt heute ein prosperierendes Firmen-Imperium aus Restaurants, Fitness-Centern, Kinos und einem Fernsehsender. Er gehört zu den wichtigsten Investoren, wenn es um die Wiederbelebung innerstädtischer Brennpunkte geht. Da, wo HIV und Aids in Amerika zuhause sind. Dass er Glück hatte, dass ihm sein Ruhm von Anfang an die Tür zu den besten Ärzten öffnete, verschweigt der 52-Jährige nicht. Das Privileg ist ihm Verpflichtung, in Würde alt zu werden. Pat Riley, sein früherer Trainer in L.A., weiß den Grund. „Gott hat auf Magic Johnson aufgepasst.” Er wird gebraucht.