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Häftlinge bauen und testen ihre eigenen Gefängnisgitter

Häftlinge bauen und testen ihre eigenen Gefängnisgitter

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In der JVA Kleve bauen Schlosser aussbruchsichere Gefängnisgitter. Foto: dpa
Verkehrte Welt: Ausbruchsichere Gefängnisgitter aus dem Knast – hergestellt von Häftlingen. Eine ganz normale Arbeit und nichts Besonderes, sagen sie in der Justizvollzugsanstalt Kleve. In Siegburg nähen Gefangene ja auch ohne Probleme Richterroben.

Kleve. 

In der Justizvollzugsanstalt Kleve werden Gitter für Gefängnisse in Nordrhein-Westfalen produziert. Dass das ausgerechnet Häftlinge machen, erscheint im ersten Augenblick seltsam. Aber für die Häftlinge ist dies nichts Besonderes.

„Das ist eine Arbeit wie jede andere“, sagt der Häftling Michele (24). An einer Maschine schneidet er mit einem Kollegen die Rohre, die später in den Profilrahmen des Gitters kommen, wie Sprossen einer Leiter. Michele ist gelernter Schlosser. Ein paar Stunden noch, dann ist Feierabend. Dann wird der junge Mann über den Hof in seine Zelle gehen. Wie so oft wird er zum Fenster gucken und die Gitter dahinter. Sein Blick wird an den Schweißnähten hängenbleiben, „gucken, ob die gut gemacht sind“. Sind sie, weiß er doch.

Arbeitspflicht für Strafgefangene

In NRW besteht für erwachsene Strafgefangene Arbeitspflicht, damit sie nach der Entlassung eine Chance auf einen Arbeitsplatz haben. Früher hat die JVA Kleve mal in Leberwurstdosen gemacht. Millionen von Leberwurstdosen haben die Häftlinge etikettiert. Dafür hat die Firma mittlerweile eine Maschine.

Unter den Häftlingen sei die Arbeit in der Schlosserei gut angesehen, sagt Schweinhagen: „Das ist keine Arbeit, die in jeder Anstalt angeboten wird. Jeder ist heilfroh, wenn er so eine Arbeit bekommen hat.“ Schweinhagen spricht von „Sahnehäubchen“.

Letzter Ausbruchversuch 2012

Wie Schlosser Michele gucken alle rund 200 Häftlinge in Kleve durch schwedische Gardinen „made in Kleve“ und kommen wohl nicht auf dumme Gedanken. Zuletzt hatte 2012 noch ein Häftling in der JVA Bochum ganz klassisch Gitter der alten Generation durchgesägt und hatte sich auf dem Dachboden der Anstalt versteckt. Danach hatte Bochum Gitter aus Manganhartstahl bekommen. „Die sind ausbruchsicher“, sagt Anstaltsleiter Klaus-Dieter Schweinhagen. Was denn auch sonst, schwingt in seinem Tonfall mit.

Draußen auf dem Hof liegen Gitter für Werl, wo auch der Gladbecker Geiselgangster Dieter Degowski sitzt. In JVAs mit schweren Kalibern werden nach und nach die Gitter ausgetauscht, sagt Peter Marchlewski, Sprecher des NRW Justizministeriums. Die neuen werden seit 14 Jahren zentral in Kleve produziert. Schneiden, Stanzen, Richten, Löten. „Das Gitter ist von A bis Z Handarbeit“, sagt Schlosserei-Leiter Jörg Hebing.

Häftlinge prüfen die Gitter mit Sägen

Der Hersteller des Stahls muss mit einem Prüfprotokoll die Qualität des Materials bescheinigen. Ein Mal im Jahr sägen die JVA-Bediensteten selbst, zur Qualitätsprüfung. Mit großer Säge, feiner Feile, an den Schweißnähten vielleicht? Hebing schweigt, Betriebsgeheimnis.

Dass sich die JVAs in NRW selbst versorgen, habe Tradition, sagt Ministeriumssprecher Marchlewski. Das Brot kommt weitgehend aus eigenen Bäckereien, einige Anstalten halten Tiere, bauen Gemüse an, produzieren für die Knastläden. Bei 37 JVAs komme ein rundes Angebot zusammen, eben auch Tür- und Fenstergitter. Die ganze Justiz in NRW arbeite an Schreibtischen aus JVA-Werkstätten und auch Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). Irgendwie gibt’s kein Tabu: In der JVA Siegburg nähen Häftlinge Richterroben. (dpa)