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Unternehmen Samenbank

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Essen. 

Rund 10 000 Babys werden jedes Jahr in Deutschland im Reagenzglas gezeugt. Mittlerweile gibt es 110 Schwerpunktpraxen, die die ambulante Behandlung durchführen – ein riesiger Markt.

Nackte Frauen lächeln von den Titelblättern der Zeitschriften, die in dem kleinen Raum auf dem Tisch liegen. Daneben: ein Schalke-Magazin. Jeder Mann hat eben seine eigene Vorlieben, wenn er den Masturbationsraum im Kinderwunsch-Zentrum Novum in Essen betritt. Die einen kommen regelmäßig hierhin, um ihren Samen zu spenden. Die anderen treibt die Verzweiflung, der sehnliche Wunsch, endlich Vater zu werden. Wenn es auf dem natürlichen Wege nicht klappt, sind immer mehr Paare zu einer künstlichen Befruchtung bereit. Rund 10 000 Babys kommen mit dieser medizinischen Unterstützung jährlich in Deutschland zur Welt. Ein großer Markt für die 110 Schwerpunktpraxen.

„Ungewollte Kinderlosigkeit ist fast wie eine Volkskrankheit“, sagt Professor Thomas Katzorke. Seit 1981 hilft er in dem privaten Essener Zen­trum für Reproduktionsmedizin der Biologie auf die Sprünge. Die Gemeinschaftspraxis, die er mit drei Kollegen führt, war das erste Zentrum für Fortpflanzungsmedizin in NRW und ist eines der ältesten der Welt. 2000 bis 3000 Paare werden hier jährlich behandelt. Bis heute zählt das Zentrum zu den größten Deutschlands. Weit über 70 000 Babys haben Katzorke und seine 25 Mitarbeiter zum Leben verholfen – eine Mittelstadt aus Retortenbabys.

Silberne Behälter halten 5000 Samenspenden frisch

Dabei stammt der Samen nicht immer vom Partner der Frau. Das Kinderwunsch-Zentrum hat auch eine Samenbank mit Erbgut von Spendern. Die größte Samenbank Deutschlands, schätzt Katzorke. In mehreren Behältern werden die Samen bei minus 195 Grad Celsius tiefgefroren. Zwei größere, rund eineinhalb Meter hohe, silberne Behälter halten zusätzlich je rund 5000 Samenspenden frisch. Männer, die etwa auf Montage gehen, können hier ihr Erbgut einfrieren lassen für die nächste Befruchtung in ihrer Abwesenheit. Die meisten Samen stammen aber von den 500 Spendern, die regelmäßig ihr Sperma abgeben und dafür 75 bis 150 Euro kassieren – je nach Blutgruppe.

Um Romantik geht es im Zentrum für Reproduktionsmedizin nicht. Katzorke schiebt die metallene Tür einer Durchreiche beiseite, die an die Essensausgabe einer Küche erinnert. Dahinter: ein OP-Saal – steril, voller Fachinstrumente. „Mit dieser Atmosphäre haben die Frauen kein Problem“, sagt Katzorke. Die fünf bis 15 Patientinnen, die täglich auf dem gynäkologischen Stuhl Platz nehmen, kämen mit sehr hohen Erwartungen in die Klinik. „Heute traut man uns mehr zu, als wir tatsächlich leisten können.“

Die Erfolgsquote liege bei 30 bis 35 Prozent pro Versuch – wie auch beim normalen Geschlechtsverkehr. Etwa 70 Prozent der Kunden könnten sich irgendwann über Nachwuchs freuen. Bis dahin fließen aber häufig viele Tränen.

Krankenkassen übernehmen einen Teil der Kosten

Jede Reagenzglasbefruchtung kostet pro Versuch zwischen 2000 und 3000 Euro. Bis 2004 übernahmen die gesetzlichen Krankenkassen noch die Gesamtkosten für die ersten vier Eingriffe. Heute zahlen sie nur noch 50 Prozent bei den ersten drei Versuchen – wenn die Patientin zwischen 25 und 40 Jahre alt ist. Bis heute leiden die Reproduktionszentren unter dieser Änderung. Der Umsatz im Bereich der gesetzlich Versicherten, der gut 90 Prozent des Marktes ausmacht, lag zuvor bei 163 Millionen Euro. Nach Angaben des Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands (BRZ) brach er durch die Änderung um 50 Prozent ein.

In einem großen Raum zwischen dem Masturbationszimmer und dem OP-Saal stehen mehrere Brutkästen. Es ist warm und ein Summton zeigt, dass Technik die biologischen Prozesse unterstützen muss. In Reagenzgläsern entwickeln sich die befruchteten Eizellen, bis sie nach fünf Tagen in die Gebärmutter eingesetzt werden können.

Dann bleibt nur noch die Hoffnung der Patienten, dass sich die Investition gelohnt hat und ihr großer Wunsch wahr wird: das eigene Baby.