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Tintenfisch, frisch geklebt – so tricksen die Hersteller bei Calamari

Tintenfisch, frisch geklebt – so wird bei Calamari getrickst

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Foto: Getty Images/iStockphoto
Anstelle von echten Ringen landen jetzt auch Kringel aus Calamari-Brei auf dem Teller. Als Bindemittel dient ein Stoff, der auch in Tapetenkleister steckt. Die Aufmachung des Produkts suggeriert dem Verbraucher auf den ersten Blick allerdings echten Calamari-Ring-Genuss.

Essen. 

Die Lebensmittelindustrie zeigt sich erfinderisch: Nach Analogkäse und Klebeschinken kommt jetzt auch Pansch-Tintenfisch auf den Tisch. Mithilfe von Zusatzstoffen wie Methylcellulose, die unter anderem Hauptbestandteil vieler Tapetenkleister ist, schaffen es die Produzenten, Calamari-Ringe aus Tintenfischbrei nachzubauen. Verbrauchern fällt die Täuschung auf den ersten Blick nicht auf.

Eigentlich möchte man meinen, tunken die Hersteller für die Produktion von Calamari-Ringen im Teigmantel, die als Tiefkühlware in den Handel kommen, Abschnitte von Tintenfischen in einen Teig. Häufig ist das auch der Fall, wie bei den „Calamares à la Romana“ von Edeka, deren Backteig es auf sage und schreibe 15 Ingredienzien bringt – von Wasser über das Verdickungsmittel Guarkernmehl bis hin zum Farbstoff Riboflavin.

Nur 50 Prozent Fisch im Gericht

Doch es geht auch anders. „Calamares à la Romana“ bietet auch das Hamburger Unternehmen Iceland Seafood an. Die Kringel tragen im Titel noch den Zusatz „à la Saison“. Wie bei Edeka stecken hier ebenso 50 Prozent Tintenfisch im Gericht. Doch mit echten Tintenfischringen hat der Tüteninhalt nicht mehr viel zu tun.

Als „Tintenfischringe, geformt aus zerkleinertem Tintenfischfleisch im Backteig“, bewirbt der Hersteller seine Kreation. Die Aufmachung des Produkts suggeriert dem Verbraucher auf den ersten Blick allerdings echten Calamari-Ring-Genuss. Beim Anblick der goldbraunen Ringe auf der Vorderseite der Verpackung lässt sich erst einmal nicht erahnen, dass es sich lediglich um Brei handelt.

Neben Weizenmehl, Wasser und Paniermehl findet sich auch Methylcellulose als Zutat im Form-Tintenfisch. „Methylcellulose ist ein Multifunktionstalent“, erläutert der Biologe Christian Niemeyer, der das Hamburger Zusatzstoffmuseum leitet. „Sie ist nicht nur Hauptbestandteil vieler Tapetenkleister, sondern dient zum Beispiel auch als Füllstoff und Verdickungsmittel in verschiedenen Nahrungsmitteln und Kosmetikprodukten.“ Der menschliche Organismus könne den Stoff nicht verdauen. Giftig sei er allerdings nicht.

Verbraucherzentrale nennt es „Pampe“

„Pampe“: Mit diesem Wort bringt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg auf den Punkt, was er von den Tapetenkleister-Calamari hält. Aus Sicht der Verbraucherzentralen handele es sich hier um Verbrauchertäuschung, so der Lebensmittelexperte. Rein rechtlich könne der Anbieter dem Vorwurf jedoch entgegenhalten, dass ja alles auf der Verpackung stehe. Das sei ähnlich wie beim Schinken, der häufig aus einzelnen Fleischstücken zusammengefügt werde.

Beim Produzent Iceland Seafood, der die „falschen“ Calamari beispielsweise an Kaiser’s Tengelmann, Rewe Dortmund oder Norma liefert – bisweilen als Eigenmarke mit unterschiedlicher Aufmachung – sieht man durchaus eine Berechtigung für das Produkt. „Wir bieten die Calamari schon etliche Jahre am Markt an“, sagt Daniel Braun, Marketingleiter des Unternehmens.

„Auf die Idee für ein Mus aus zerkleinerten Tintenfischringen sind wir unter anderem gekommen, weil die Population des Illex argentinus’, der Tintenfischart, die für die Herstellung von klassischen Calamari-Ringen verwendet wird, irgendwann nicht mehr in die Netze gegangen und die Spezies auf die ‚Rote Liste’ der bedrohten Arten gesetzt worden ist.“

Handel fragte nach einer Alternative

So sei man auf eine andere Tintenfischart, den Dosidicus gigas, umgestiegen. Weil der Fisch, wie der Name schon sage, sehr viel größer sei, sei die Produktion von klassischen Calamari-Ringen, wie sie der Verbraucher bereits kenne, nicht mehr möglich gewesen.

Auch von den Handelspartnern habe es Nachfrage nach einem alternativen Produkt gegeben. „Durch die Verknappung des Illex argentinus hat sich die Herstellung der klassischen Tintenfischringe verteuert“, erläutert Braun. „Unsere Kooperationspartner wollen aber auch weiterhin zu günstigen Preisen einkaufen.“