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Tankstellenkette HEM will „immer billiger“ sein als Aral, Esso und Co.

Tankstellenkette HEM greift Aral, Esso und Co. über Preis an

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Foto: Gerhard Schypulla
Die Tankstellenkette HEM will den Branchenriesen Aral, Shell und Co. Marktanteile abjagen. „Unsere Strategie ist es, Benzin immer billiger anzubieten als die großen Marken“, sagt HEM-Chef Carsten Pohl. Ein Gespräch über hohe Benzinpreise, die Zukunft von E10 und den Tankstellen-Überblick per Handy.

Essen. 

Die Tankstellenkette HEM will den Branchenriesen Aral, Shell, Esso und Co. Marktanteile abjagen. Knapp 400 Tankstellen gehören in Deutschland zum HEM-Mutterkonzern Tamoil, der sich vollständig im Besitz der staatlichen libyschen Investmentgruppe Oilinvest befindet.

Nun will HEM angreifen. „Unser Ziel ist, flächendeckend in ganz Deutschland präsent zu sein. In den nächsten zehn Jahren wollen wir rund 100 bis 150 zusätzliche Tankstellen haben“, sagte Tamoil-Deutschlandchef Carsten Pohl im Interview mit der WAZ Mediengruppe. HEM verfolgt eine aggressive Preispolitik. „Unsere Strategie ist es, Benzin immer billiger anzubieten als die großen Marken“, sagt Pohl. Die Tankstellenkette setzt auch auf den Wettbewerb, der durch die von der Bundesregierung initiierte neue Markttransparenzstelle entstehen könnte. „Der Benzinmarkt wird sich auf einen Schlag so stark verändern wie noch nie“, kündigt Pohl an.

Herr Pohl, viele Autofahrer ärgern sich über hohe Benzinpreise. Das Bundeskartellamt hat die Branche im Visier. Können Sie das nachvollziehen?

Carsten Pohl: Der Wettbewerb auf dem deutschen Tankstellenmarkt ist hart. Ein Auf und Ab der Preise gehört zum Tagesgeschäft. Zur Wahrheit gehört auch, dass Benzin im europäischen Vergleich in Deutschland relativ günstig ist.

Ein großer Kostentreiber für die Autofahrer ist der Staat. Bei einem Benzinpreis von 1,55 Euro fließen 92 Cent als Steuern und Abgaben in die Staatskasse. Dazu gehören Mineralölsteuer, Mehrwertsteuer und Kosten für die von der Bundesregierung eingeführte Bio-Abgabe.

Und doch macht die Branche ordentliche Gewinne.

Pohl: Am Ende bleiben für uns als Tankstellenbetreiber nur weniger als ein Cent pro Liter Benzin als Gewinn. Schauen Sie in unsere Bilanz: Bei über zwei Milliarden Euro Umsatz verbuchen wir am Jahresende einen Gewinn im einstelligen Millionenbereich. Das Tankstellengeschäft rechnet sich nur, da die Pächter neben Kraftstoffen auch Kaffee, Brötchen oder Süßigkeiten verkaufen.

HEM will immer billiger sein als die großen Marken

Ein Vorwurf lautet: Höhere Rohölpreise geben die Tankstellenketten schnell an die Kunden weiter, niedrige Einkaufspreise aber nur langsam…

Pohl: Der Autofahrer hat Macht. Wenn er konsequent dort tankt, wo es am günstigsten ist, zwingt er die anderen Tankstellen, ebenfalls die Preise zu senken. Die Tankstellen-Betreiber unterbieten sich dann so lange, bis kaum noch eine Kostendeckung gegeben ist – in der Hoffnung auf einen steigenden Benzin-Absatz. Ist der Spielraum nach unten hin ausgeschöpft, werden die Preise angepasst – und das Spiel beginnt von vorn.

Kann sich ein vergleichsweise kleiner Anbieter wie HEM gegen die Branchenriesen Aral, Shell, Esso und Total behaupten?

Pohl: Ja. Unsere Strategie ist es, Benzin immer billiger anzubieten als die großen Marken. Das heißt, wir unterbieten jeden Tag den Preis unserer großen Wettbewerber. Das gelingt uns, weil wir besonders effizient arbeiten und keine große Verwaltung haben. In unserer Zentrale arbeiten nicht einmal 100 Beschäftigte.

Markttransparenzstelle wird Benzinmarkt verändern

Stichwort Markttransparenzstelle: Bald sollen die Autofahrer in Deutschland praktisch auf einen Blick die Benzinpreise vergleichen können – im Internet und auf dem Handy. Sinken dadurch die Preise?

Pohl: Der Benzinmarkt wird sich auf einen Schlag so stark verändern wie noch nie. Ich gehe davon aus, dass private Online-Vergleichsportale auf die Daten der Markttransparenzstelle zugreifen werden. Durch die Preisvergleiche in Echtzeit verschärft sich der Wettbewerb massiv – und zwar schon sehr bald.

Wir gehen davon aus, dass die neuen Preisvergleichsportale im Laufe des Sommers an den Start stehen. Da wir Benzin grundsätzlich günstiger verkaufen als die großen Anbieter, jagt uns das aber keine Angst ein. Im Gegenteil.

Fühlen Sie sich als Tankstellenbetreiber zu Unrecht in der Rolle des Buhmanns?

Pohl: Keine andere Branche präsentiert ihre Preise so sichtbar am Straßenrand wie das Tankstellengewerbe. Stellen Sie sich einmal einen Bäcker vor, der seine Brötchenpreise mit großen Zahlen ins Schaufenster hängt.

Bei E10 bewegt sich nicht viel

Viele Autofahrer machen immer noch einen Bogen um den Biosprit E10. Glauben Sie, dass sich E10 jemals durchsetzen wird?

Pohl: E10 wurde politisch gewollt, aber von den Kunden nie wirklich angenommen. Ich glaube nicht, dass sich dies noch gravierend ändern wird. Derzeit tankt bei uns gerade einmal jeder zehnte Kunde, der Ottokraftstoff benötigt, E10. Viel bewegt sich an dieser Stelle nicht.

Die Folge ist, dass die Tankstellenketten Strafgelder zahlen müssen und die Kosten an die Autofahrer weitergeben…

Pohl: Am Ende ist das so. Leider bleibt uns keine andere Wahl.

Vor zwei Jahren gab es Boykottaufrufe gegen HEM, da sich das Unternehmen im Besitz des libyschen Staates befindet. Die Finanzströme zum damaligen Machthaber Gaddafi sollten gestoppt werden.

Pohl: Es gab nie Finanzströme. Jeder Cent, den wir verdient haben und verdienen, wird in unser Tankstellennetz und die rund 4.000 Arbeitsplätze in Deutschland investiert. Das wissen unsere Kunden und haben auch deshalb uns immer die Treue gehalten.

HEM will in ganz Deutschland präsent sein

Stammt das Benzin von HEM eigentlich aus libyschen Quellen?

Pohl: Das Benzin, das wir an unseren Tankstellen verkaufen, wurde zu einem Großteil in deutschen Raffinerien hergestellt. Dafür wird Rohöl von den internationalen Rohölmärkten eingesetzt. Hier wird Öl aus Saudi-Arabien ebenso verwendet wie Produkte aus Nigeria, Russland oder eben auch Libyen.

Derzeit zählt HEM knapp 397 Tankstellen. Wollen Sie expandieren?

Pohl: Unser Ziel ist, flächendeckend in ganz Deutschland präsent zu sein. In den nächsten zehn Jahren wollen wir rund 100 bis 150 zusätzliche Tankstellen haben, also insgesamt 500 bis 550 Stationen. Traditionell sind wir in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachen stark vertreten. In Nordrhein-Westfalen zählen wir derzeit 43 Tankstellen, also etwa jede zehnte Station. Gerade in NRW sehen wir erhebliche Wachstumspotenziale.

Wollen Sie neuen Tankstellen von Wettbewerbern kaufen oder selbst neue Stationen bauen?

Pohl: Beides. Wir errichten neue Tankstellen auf der grünen Wiese und wir übernehmen Tankstellen von Wettbewerbern.

Wollen Sie Aral, Shell, Esso und Co. Marktanteile abjagen?

Pohl: Unser Marktanteil liegt derzeit bei vier Prozent. Unser Ziel sind fünf Prozent. Schon jetzt zählen wir zu den zehn größten Tankstellenketten Deutschlands. Aber klar ist auch: Größe allein ist kein Selbstzweck. Wir denken langfristig und haben die Unternehmenskultur eines mittelständischen Betriebs

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