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Streit um die Bezahlung von Busfahrern in NRW

Streit um die Bezahlung von Busfahrern in NRW

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Busfahrer am Steuer Foto: Olaf Ziegler / WAZ FotoPool
Unter Busfahrern im Öffentlichen Nahverkehr in NRW herrscht ein Zwei-Klassen-System. Es gibt zwei Tarifverträge, einer besser, einer schlechter bezahlt. Das Land will die Löhne angleichen, doch die Entscheidung lässt seit Wochen auf sich warten. Die privaten Busunternehmen drohen mit Klagen.

Essen. 

Die Essener Buslinien 170 und 174 fahren auf einem Teilstück dieselben Stationen an. Sie verkehren meist im gleichen Takt, die Fahrzeuge sind gelb lackiert, und als Unterschied mag nur noch auffallen, dass auf Bussen der einen Linie nicht „Evag“ steht sondern der Name „Mesenhohl“. Hinter’m Steuer findet sich noch ein Unterschied: Die Fahrer auf der Linie 174 werden schlechter bezahlt, als die auf der Linie 170.

Dahinter steckt ein Prinzip: Private Busunternehmen decken in NRW im Durchschnitt knapp 40 Prozent des Verkehrs-Angebots im öffentlichen Nahverkehr ab. Mal als Tochterbetriebe der örtlichen Verkehrsgesellschaft, mal in deren Auftrag als Sub- oder Fremdfirma. Eingesetzt werden sie stets aus dem gleichen Grund: weil diese Firmen ihre Leistung billiger anbieten, als die kommunalen Unternehmen.

Lohnkostenunterschied etwa 8500 Euro pro Busfahrer

Für die geschätzt zwischen 5000 und 8000 Busfahrerinnen und –fahrer der privaten Omnibusunternehmen, die im Nahverkehr aktiv sind, gilt der private Omnibustarifvertrag NWO. Sie erhalten etwa 11,60 Euro je Stunde am Steuer. Die etwa 11.000 Frauen und Männer, die bei den 48 kommunalen Verkehrsunternehmen in NRW beschäftigt sind, werden nach „TV-N“ entlohnt – dem Tarifvertrag Nahverkehr Nordrhein-Westfalen. Der Stundenlohn liegt, je nach Betriebszugehörigkeit, bei um die 15 Euro. Dazu kommen unterschiedliche Regelungen bei Zuschlägen, Urlaubsanspruch, Sonderleistungen und betriebliche Altersvorsorge; die bietet der NWO gar nicht.

Beim Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) beziffert NRW-Landesgruppengeschäftsführer Volker Wente in einer Modellrechnung die Lohnkostenunterschiede pro Beschäftigtem im Fahrdienst für die Bus-Unternehmen zwischen beiden Tarifverträgen mit etwa 8500 Euro pro Jahr.

Tariftreuegesetz soll auch innerhalb der Landesregierung umstritten sein

Die rot-grüne Landesregierung möchte, dass privat beschäftigte Busfahrer wie ihre Kollegen in Diensten von Evag, Bogestra, Rheinbahn und Co. entlohnt werden. Den Schlüssel dazu soll das Hintergrund ist das Tariftreue- und Vergabegesetz liefern, das seit diesem Mai in Kraft ist. Doch NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider tut sich schwer mit der Entscheidung, die innerhalb der Landesregierung umstritten sein soll. „Das Thema ist in der Ressort-Abstimmung“, sagt ein Ministeriumssprecher dazu. Mehr mag er nicht erklären.

Der Verband der kommunalen Arbeitgeber fürchtet enorme Mehrausgaben. Auf 40 Millionen Euro pro Jahr werden die Kosten geschätzt, sollten der Tarif NWO auf das Niveau des TV N gehoben werden. Die Gewerkschaft Verdi hat die Mehrausgaben dagegen auf höchstens 17 Millionen Euro geschätzt und hält diese Summe mit Blick auf die Unternehmen für tragbar. Der Verband der kommunalen Arbeitgeber glaubt, dass die Mehrkosten „angesichts der schwierigen Haushaltslage nicht geschultert werden“ können.

„Busfahrer sind noch sehr gut bezahlt“ 

Für die Düsseldorfer Rheinbahn schätzt Vorstand Dirk Biesenbach 3,8 Millionen Euro zusätzliche Personalkosten pro Jahr. Bei der Essener Evag rechnet man mit knapp einer Million Euro. Und die Vestische Straßenbahnen AG in Herten – die allerdings schon seit 30 Jahren nur mehr Busse betreibt – geht von rund 2,5 Millionen Euro „Mehrbelastung“ aus. Summen, die der Zuschussbetrieb ÖPNV nur über a) höhere Fahrpreise kompensieren könnte oder b) indem das Angebot ausgedünnt werde, heißt es.

Für Volker Wente vom Verband der Verkehrsunternehmen markiert der Tarifvertrag des privaten Busgewerbes „die untere tarifvertragliche Grenze“. Er sieht Busfahrer im Vergleich mit anderen Beschäftigten wie etwa Rettungssanitätern oder Krankenpflegern jedoch als „noch sehr gut bezahlt“, zumal sie in Mehrheit „ungelernte Arbeiter sind“, wie Wente hervorhebt. Die Konditionen des NWO-Tarif lägen in punkto Löhne zudem „meilenweit“ weg von allen Mindestlohn-Debatten, meint Wente mit Blick auf das NRW-Tariftreuegesetz. Dort wird ein Mindestlohn von 8,62 Euro je Stunde definiert.

Verband der Omnibusunternehmen droht mit Klagen

Beim Verband der NRW-Busunternehmen NWO mag auch Christian Gladasch den NWO-Tarif nicht im Dumping-Verdacht sehen. Wenn die rot-grüne Landesregierung nun mit Verweis auf das Tariftreuegesetz daran gehe, einen einzigen Tarifvertrag als „repräsentativ“ zu definieren, will man dies beim NWO jedenfalls nicht hinnehmen. Etwa 750 private Busunternehmen gibt es in NRW, 500 von ihnen sind im Verband der NRW-Busunternehmen NWO organisiert. Für etwa 400 von ihnen ist der öffentlichen Nahverkehr ein wichtiges Standbein. Die Mehrheit dieser Firmen zahlen nach Tarif, sagt Gladasch.

„Wir haben uns bereits auf Klagen vorbereitet“, sagt NWO-Justitiar Christian Gladasch. Er geht davon aus, „dass sich Arbeitsminister Schneider durchsetzt“ und die Tarifangleichung anordnet, er stehe schließlich als früherer NRW-DGB-Chef den Gewerkschaften nahe. Aus Sicht des Verbandes aber wäre eine solche Entscheidung verfassungsgwidrig. „Weil der Staat damit Einfluss auf die im Grundgesetz geschützte Tarifautonomie ausüben würde“. Gladaschs Lösung wäre deshalb: „Der Staat soll sich ‚raushalten“. Oder er möge beide Tarifverträge „ als repräsentativ definieren“. Dann ändert sich in punkto Bezahlung nichts.