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Schienenkartell – Erst Preise abgesprochen, dann ins Bordell

Schienenkartell – Erst Preise abgesprochen, dann ins Bordell

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Foto: Getty Images
Die Affäre um das Schienenkartell weitet sich aus. Nach Recherchen der WAZ Mediengruppe hatte das Kartell für Preisabsprachen zu Lasten kommunaler Verkehrsbetriebe Deutschland in vier Zonen aufgeteilt. Nach den Verhandlungen wurden häufig Bordelle besucht.

Essen. 

Informationen zufolge, die dem Bundeskartellamt vorliegen, umfasste die Kartellzone „West“ NRW und das Saarland. Hier hatte Thyssen-Krupp-Tochter GFT Gleistechnik die Führung des Kartells. Treffen von Thyssen-Krupp und Voest­alpine wurden telefonisch verabredet, um Vergaben an kommunale Verkehrsbetriebe zu manipulieren. Dabei wurde berücksichtigt, welcher Konzern gute Kontakte zu den Kunden hatte, um auch langfristig ein „in sich stimmiges Preisgefüge“ vorspielen zu können.

Insgesamt gab es bis zu 20 Kartellabsprachen pro Jahr zu lasten kommunaler Betriebe. Bereits bekannt waren Preismanipulationen in großem Stil auf Kosten der Deutschen Bahn. Im nun aufgedeckten Fall geht es vor allem um städtische Großprojekte wie U-Bahnen oder neue Straßenbahnen. Der jeweilige Auftragnehmer der Kommunen gab in der Regel Unteraufträge an seine Kartellpartner weiter. Die Details zu den Absprachen zeichnete vor allem Thyssen-Krupp auf. Betroffen waren in erster Linie die Düsseldorfer Rheinbahn und die Essener Verkehrs AG (Evag).

Thyssen-Krupp führte die Zone „West“

Letztere erklärte gestern, nach Hinweisen der Bochumer Staatsanwaltschaft ihre Akten zu prüfen. Wenn möglich, werde man das zu viel gezahlte Geld zurückfordern, „und zwar mit Zins und Zinseszins“, so ein Evag-Sprecher.

Nach Kartellabsprachen in der Zone „West“ soll es, wie auch sonst im Kartell üblich, zu Besuchen im Rotlicht-Milieu gekommen sein. In Oberhausen soll regelmäßig ein Swingerclub aufgesucht worden sein, ebenso in Ratingen. Dieser Zeitung liegt eine Liste von mehr als 25 Teilnehmern der Sex-Parties vor. Gerichtlich festgestellt wurden 35 Bordellbesuche, die ein Geschäftsführer mit dem Decknamen „Nuttenprinz“ über Firmenkonten der Voestalpine abrechnete. Zusätzlich hätten weitere Mitarbeiter Bordellbesuche als Bewirtungen verrechnet, sagte der „Nuttenprinz“. Zu den Teilnehmern der Sex-Orgien, bei denen auch Champagner der Marke Moet & Chandon floss, sollen neben Kartellmitgliedern auch Mitarbeiter kommunaler Betriebe gehört haben.

Etliche Bordellbesuche des Kartells führten auch nach Berlin, ins „Bel Ami“. „Da ging es drunter und drüber“, sagte ein Teilnehmer der Partys. Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt. Thyssen-Krupp und Voestalpine wollten sich zu den Ermittlungen nicht äußern.

Bahn-Absprachen in der Zone „Ost“

Von Berlin aus wurde die Zone „Ost“ unter anderem vom „Nuttenprinz“ gesteuert. Hier wurden die wichtigsten Projekte der Deutschen Einheit und der Hochgeschwindigkeitstrassen der Deutschen Bahn verschoben. Dabei handelte das Kartell nicht direkt mit der Bahn Preise aus, sondern rechnete über zwischengeschaltete Baufirmen ab. Der Umsatz ging in die Milliarden. Von den Kommunalbetrieben wurden vor allem die Berliner und Leipziger Verkehrsbetriebe ausgenommen. In der Zone „Nord“ reicht das Kartell mindestens bis Anfang der 80er Jahre zurück. Betrogen wurden die Hamburger Hochbahn und die Bremer Straßenbahn. Hier wurden die Absprachen erst im März 2011 beendet. In der Kartellzone „Süd“ wurden vor allem die Stadtwerke München geschädigt.