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Nokia, Opel, Thyssen-Krupp – was bleibt Bochum?

Nokia, Opel, Thyssen-Krupp – was bleibt Bochum?

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Foto: WAZ FotoPool
Nokia, Opel, Thyssen-Krupp – hat es Bochum besonders schwer? Ein Interview mit IHK-Präsident Jürgen Fiege, der Optimismus verbreiten möchte. „Klagen hilft uns aber ohnehin nicht weiter“, sagt er.

Bochum hat Nokia verloren, bangt um Opel und Thyssen-Krupp. Jürgen Fiege, der Präsident der zuständigen Industrie- und Handelskammer Mittleres Ruhrgebiet, gibt sich trotzdem demonstrativ gelassen.

Stimmt der Eindruck, dass es Bochum wirtschaftlich besonders schwer hat?

Fiege: Jedes Unternehmen, das vom Markt, auch vom Arbeitsmarkt verschwindet, tut weh – das ganz grundsätzlich. Klar also, der Abschied von Nokia hat wehgetan, aber er hat uns nicht umgehauen. Natürlich beobachten wir aufmerksam, was bei Opel und Thyssen-Krupp passiert. Klagen hilft uns aber ohnehin nicht weiter. Nur mit Optimismus können wir die Probleme lösen.

Woher nehmen Sie die Zuversicht?

Viele Unternehmen schätzen ihre Lage trotz der europäischen Schuldenkrise optimistisch ein. Insbesondere bei den exportorientierten Unternehmen läuft es rund. Wir können auf einen starken Mittelstand in der Region setzen. Als IHK Mittleres Ruhrgebiet vertreten wir rund 30.000 Unternehmen in Bochum, Hattingen, Herne und Witten. Allein diese Zahl zeigt schon, wie viel Potenzial vorhanden ist.

Gleichwohl stellt sich die Frage, ob die Werke von Opel und Thyssen-Krupp auch in zehn Jahren noch zu Bochums Stadtbild gehören. Ist der industrielle Kern bedroht?

Natürlich sind große Arbeitgeber wie Opel und Thyssen-Krupp extrem wichtig für die Stadt und die Region. An jedem Arbeitsplatz des Opel-Werks hängen drei oder vier weitere Jobs in Zulieferbetrieben und bei Dienstleistungsfirmen wie Bäckern oder Friseuren vor Ort. Ähnlich ist es im Fall Thyssen-Krupp. Deshalb werden wir uns dafür einsetzen, dass auch die großen industriellen Arbeitgeber in Bochum eine Zukunft haben.

Was haben Sie vor?

Zum Beispiel setzen wir gemeinsam mit Opel auf das Thema Elektromobilität. Unser Ziel ist es, das Revier zum Vorreiter auf diesem Gebiet zu machen. Derzeit läuft ein entsprechender Wettbewerb des Bundes, bei dem wir uns gute Chancen ausrechnen. Wir erwarten eine Entscheidung im Frühjahr. Klar ist: Wenn Elektromobilität im Ruhrgebiet nicht funktioniert, funktioniert sie nirgendwo.

Teilen Sie die Ansicht, dass der Mittelstand in der öffentlichen Wahrnehmung zu kurz kommt, da die großen Konzerne viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen?

Richtig ist jedenfalls, dass es im Herzen des Ruhrgebiets viele starke Mittelständler gibt, die das Zeug zum Weltmarktführer haben, aber eher „Hidden Champions“ sind. Ich denke beispielsweise an Unternehmen wie den Klebstoffhersteller Ardex oder den Hydraulik-Spezialisten J.D. Neuhaus in Witten, die Herner Betonpumpen-Firma Schwing oder die Hattinger Maschinenfabrik Köppern. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Dennoch suchen sich viele Absolventen der Ruhr-Universität jenseits des Reviers einen Job. Die Städte im Großraum Bochum schrumpfen.

Es stimmt leider, dass wir noch nicht zu den bevorzugten Gegenden gehören. Das muss sich ändern. Es muss uns gelingen, die jungen Leute hier zu halten, damit sie das, was sie bei uns gelernt haben, auch in der Region einsetzen können.

Welche Argumente haben Sie für einen hochqualifizierten Ingenieur, Juristen oder Betriebswirt, der sich zwischen München, Stuttgart und Bochum entscheiden kann?

Natürlich sind wir nicht die Heimat von Bosch, Daimler oder Siemens, aber bei uns gibt es jede Menge Mittelständler, bei denen ein junger Akademiker schnell Karriere machen kann. Meine Erfahrung ist, dass es den meisten Menschen nicht so sehr darum geht, wo sie arbeiten, sondern bei wem. Die Unternehmen im Ruhrgebiet hier sind vielleicht nicht so groß, aber sie sind extrem interessant.

Haben die Unternehmen ein Umfeld, in dem sie sich entfalten können? Sind die Gewerbesteuern zu hoch?

Die Unternehmen haben zunehmend mit Kosten zu kämpfen, die sie nicht beeinflussen können. Die Energie- und Rohstoffpreise sind ein Thema, aber auch die Gewerbesteuer. Ich warne davor, die klammen kommunalen Haushalte des Ruhrgebiets über die Gewerbesteuern sanieren zu wollen. Es sind schließlich die Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen. Es wäre gefährlich, den Ast abzusägen, auf dem man sitzt.

Wie steht es um das Image von Bochum?

Wenn ich in Deutschland unterwegs bin, stelle ich fest, dass es vor allem zwei Markenzeichen gibt, die man überall in der Republik kennt: Starlight Express und VfL Bochum.

Leider ist der VfL nur noch zweitklassig…

Die steigen nächstes Jahr wieder auf. Davon bin ich überzeugt. Aber es stimmt schon: Einen Fußballclub in der ersten Liga zu haben, ist für das Image einer Stadt sehr, sehr wichtig.

Gibt es zu wenig Unternehmen, die sich für den Verein einsetzen?

Ohne Sponsoring geht heute im Fußball nichts mehr – und natürlich findet ein Tabellenführer leichter Sponsoren als die Konkurrenz. Aber im VfL steckt viel Potenzial. Die Bindung der Menschen in der Stadt zum Verein ist sehr eng. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass Bochum zu den wenigen deutschen Großstädten zählt, in denen sich das Stadion noch im Ortszentrum befindet.

Müssen die Städte des Ruhrgebiets enger zusammenarbeiten, um die Region nach vorne zu bringen?

Der Ruhrpott muss zusammenhalten, keine Frage. Alle Institutionen sind aufgefordert, über den eigenen Kirchturm zu schauen. Aber ich bin nicht der Meinung, dass durch eine fusionierte Ruhrstadt alles besser würde. Die Region sollte langsam zusammenwachsen.