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Kraftwerksbauten auf der Kippe

Kraftwerksbauten auf der Kippe

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Foto: Trianel

Aachen. 

Nach der Bundestagsentscheidung für die Laufzeit-Verlängerung für Atomkraftwerke stellen die kommunalen Stromversorger bereits geplante Investitionen in hocheffiziente Kohlekraftwerke wieder in Frage.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hatte vorgeschlagen, dass die Nutznießer der Laufzeitverlängerung – also die vier großen Stromkonzerne – im Gegenzug genauso viel Kapazität in ihren alten Braun- und Steinkohlekraftwerken stilllegen müssten. Der Sprecher der Stadtwerke-Verbundes Trianel, Elmar Thyen, betonte im Gespräch mit der WR, dass so zumindest eine deutliche Verbesserung bei den Kohlendioxid-Emissionen gelungen wäre. Thyen: „Seriös kann Ihnen heute keiner mehr sagen, ob sich ein Neubau derzeit lohnt oder nicht.“

Ein Unsicherheitsfaktor, der sich bei der Geldbeschaffung durchschlägt. Stadtwerke fi­nanzieren Kraftwerksprojekte zum allergrößten Teil über geliehenes Geld. Die Kohlekraftwerke sollen sich selbst re­finanzieren. Angesichts der nuklearen Konkurrenz sehen die Finanzinstitute ein Kohlekraftwerk nicht mehr automatisch als absolut sichere Investition an. Und Risiko heißt bei Krediten: höhere Zinsen.

Angesichts von Investitionssummen von einer Milliarde Euro oder mehr für ein Kraftwerk, ist jede Stelle hinter dem Komma Millionen wert. Geld, das dann bei den Banken, aber nicht den Stadtwerken und ihren Eigentümern, den Kommunen, an­kommt.

Vor allem die SPD-Fraktionen in den Räten, die mit grünen Koalitionspartnern zu tun ha­ben, argumentieren pro Kohlekraftwerke meist mit dem Hinweis auf sprudelnde Geldquellen für die leeren Stadtkassen. Sinkt die Rentabilität aufgrund höherer Kreditkosten von acht auf sechs oder nur noch fünf Prozent, wird sich mancher SPD-Ratsvertreter überlegen, ob er dafür ein Fass aufmacht. Die Folge wäre ein Verzicht auf die Investition und damit zu­sätzlich verbesserte Rahmenbedingungen für die vier großen Stromkonzerne.

„Stadtwerke sind der energiewirtschaftliche Mittelstand und stehen für mehr Wettbewerb und eine umweltverträgliche Weiterentwicklung der Energiewirtschaft“, erklärt da­zu VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck. Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil, der zugleich Präsident des VKU ist, hatte zuvor die Bundesregierung ge­warnt, dass ein „Ja“ zur Laufzeitverlängerung ohne gleichzeitige Stilllegung alter Anlagen zu einem mehrjährigen Stillstand in der Energiebranche führen würde. Weil wies darauf hin, dass der Entscheidung wohl eine juristische Auseinandersetzung folgen wer­de und bereits 2014 eine mögliche neue Bundesregierung die Rahmenbedingungen wieder ändern könnte: „Egal, welche Interessen man in der Energiewirtschaft verfolgt, das ist eine denkbar schlechte Entwicklung.“

Trianel stellte gestern die neusten Baufortschritte ihre Steinkohle-Kraftwerks in Lü­nen vor. Dort sind die Bauarbeiten weit fortgeschritten. Bei der Planung eines neuen hocheffizienten Kraftwerks in Uerdingen will Trianel zu­nächst weitermachen. Sprecher Thyen nannte den Standort „einen der vier besten in Deutschland“, da dort ganzjährig Wärme für einen Industriepark ausgekoppelt werden könnte. Das Genehmigungsverfahren würde weiter betrieben, gleichzeitig prüfe Trianel genau, ob sich das Projekt unter den neuen Rahmenbedingungen noch lohne und ob es sogar für eine 15-prozentige Förderung durch den Bund in Frage käme.

Ivo Grünhagen, Vorstandschef des regionalen Versorgers Enervie mit Sitz in Hagen, hatte im Vorfeld der Entscheidung eine mögliche Klage seines Unternehmens erwogen, da es gerade erst ein neues Erdgas betriebenes Kraftwerk in Herdecke fertiggestellt hatte. Grünhagen: „Das Energiekonzept verzerrt aus unserer Sicht den Wettbewerb erheblich und schwächt insbesondere die Position von Marktteilnehmern wie der Enervie-Gruppe. Die Laufzeitverlängerung verschlechtert die Bedingungen für bestehende Kraftwerke – darunter auch modernste Anlagen wie unsere Gas- und Dampfturbinenanlage in Herdecke, die dann nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben ist. Unter diesen Vorzeichen sind aus unserer Sicht auch keine neuen Anlagen zu realisieren.“