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Verdi wirft Post vor, Streikenden mit Rauswurf zu drohen

Gewerkschaft Verdi – Post droht Streikenden

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Foto: dpa
Die Gewerkschaft beschuldigt den Konzern, unzulässig raue Methoden im Arbeitskampf einzusetzen. SPD-Chef Gabriel schaltet sich ein.

Berlin. 

Post wird liegen bleiben – am Freitag und in der nächsten Woche auch. Die Zusteller werden weiter streiken und sich von ihrem Arbeitgeber nicht einschüchtern lassen. So ist Verdi-Sprecher Jan Jurczyk zu verstehen, wenn er sagt: „Es wird in den nächsten Tagen weitere Streiks geben“, es sei mit „spürbaren Beeinträchtigungen“ des Postverkehrs zu rechnen. Auch wenn die Post auf Streikende Druck ausübe. Druck?

Seit Ende Januar herrscht Kampfstimmung zwischen Verdi und dem Bonner Konzern. Das Dax-Unternehmen will bis 2020 rund 10 000 Paketzusteller einstellen, allerdings nicht zum Haustarif, sondern zum wesentlich günstigeren Logistiktarifvertrag. Dafür hat die Post extra die Delivery GmbH mit 49 Regionalgesellschaften gegründet. Das wollen die Gewerkschafter nicht hinnehmen und kündigten ihrerseits die zum Haustarifvertrag gehörenden Bestimmungen zur Arbeitszeit. Nun fordern sie für die 140 000 Tarifkräfte eine Arbeitszeitverkürzung von 38,5 auf 36 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich und 5,5 Prozent mehr Lohn obendrauf.

Ein „systematisch gesteuertes Bild“

Doch die Auseinandersetzung wird für Beschäftigte zur heiklen Sache. Die Post soll Streikenden mit befristeten Verträgen mit Jobverlust gedroht haben. Das beklagt Verdi-Vizechefin Andrea Kocsis in einem dieser Zeitung vorliegenden Brief an den Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Beschäftigte hätten „von ihren Vorgesetzten Anrufe, SMS oder persönlich adressierte Briefe“ erhalten, in denen „Druck ausgeübt wird“. Kocsis stützt sich auf Gedächtnisprotokolle und Notizen von Betroffenen, die sich zu einem „systematisch gesteuerten Bild“ fügten.

Ein Beispiel: Eine Betriebsrätin aus einem Zustellstützpunkt berichtete, der Leiter habe mit allen befristet Beschäftigten, die streikten, Einzelgespräche geführt. Einige seien nun „total eingeschüchtert“ und nähmen aus „Angst“ nicht mehr am Streik teil. Ihr habe der Leiter gesagt, er müsse eine Liste der Streikenden an seinen Vorgesetzten schicken.

Anderer Fall: Ein Beschäftigter notierte, dass nach einem Streik ein Verantwortlicher für den Dienstplan zu ihm ans Auto gekommen sei und gesagt habe, dass die Post sein Gehalt zahle, nicht die Gewerkschaft. Er solle an seinen Vertrag denken. Eine Drohung solle das aber nicht sein. „Aber was war das dann?“, will der Beschäftigte erwidert haben.

Gabriel hält Vorwürfe offenbar für glaubhaft

Zudem sei im April Streikenden zu viel Lohn abgezogen worden – 1/23 ihres Monatsentgelts, obwohl nur 1/30 zulässig sei. Die „materiellen Verluste“ sollten „Einfluss auf die Streikbereitschaft“ nehmen“, urteilt Verdi. Das Management missachte „Grundrechte der Beschäftigen“ in einer „nie dagewesenen“ und „unerträglichen“ Weise, heißt es im Brief an Gabriel.

Der hält die Vorwürfe offenbar für glaubhaft und schrieb an Post-Chef Franz Appel, dass große Unternehmen mit Bundesbeteiligung „unbedingte Achtung sowohl persönlicher wie kollektiver Arbeitnehmerrechte abverlangt werden“ müsse. Das machte die Süddeutsche Zeitung öffentlich.

Ein Ministeriumssprecher betonte gestern allerdings, dass Gabriel dies als SPD-Chef und nicht als Wirtschaftsminister tat. Er habe sich auch nur „erkundigt“. Als Anteilseigner mische man sich nicht in das operative Geschäft ein.

Von „Rufschädigung“ sprach die Post AG. Die Lohnauszahlung von April solle korrigiert werden. Es gebe keine gezielte Einschüchterung der Mitarbeiter durch die Unternehmensführung. Allerdings ließen sich bei der Größe des Konzerns solche Vorgänge nicht grundsätzlich ausschließen.