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Ein Besuch in Brenntags Supermarkt für Chemikalien

Ein Besuch in Brenntags Supermarkt für Chemikalien

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Foto: Kai Kitschenberg
In Duisburg betreibt Brenntag das größte Chemikalien-Lager in Europa. Über 10 000 Produkte werden dort abgefüllt. Wenn es nach Gas riecht, kommt nicht die Feuerwehr.

Duisburg. 

In der großen Lagerhalle riecht es verdächtig nach Gas. Die Feuerwehr muss trotzdem nicht einschreiten. Denn an seinem Duisburger Standort lagert der weltgrößte Chemiehändler Brenntag den Duftstoff THT, der dem geruchlosen Erdgas beigemischt wird, damit man es überhaupt in der Nase registrieren kann.

Der Gaswarnstoff ist nur eine von mehr als 10 000 Chemikalien, die Brenntag weltweit vertreibt. Duisburg ist der größte europäische Standort des Mülheimer Konzerns, der im MDax notiert ist. In einem Radius von 150 bis 200 Kilometern beliefert Brenntag vom Duisburger Stadtteil Mündelheim aus seine Kunden.

„Auch wenn Privatpersonen bei uns nicht direkt einkaufen können, sind wir so etwas wie ein Supermarkt für Chemikalien“, sagt Michael Thürmer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Brenntag GmbH, die das Deutschland-Geschäft steuert. Das Spektrum ist breit: Über Säuren, Laugen und Lösemittel bis hin zu Substanzen für die Ernährungs-, Kosmetik-, Futtermittel- und Pharmaindustrie reicht der Produktkatalog. In Duisburg hat man allerdings das Nahrungsmittel-Angebot ausgespart. „Aromen für vegane Wurst kann man nicht ohne besondere Vorkehrungen neben brennbaren Chemikalien lagern“, betont Thürmer. Dabei sei Brenntag an anderen Standorten „quasi in der Lage, eine vegane Wurst komplett zu entwickeln“. Als Lieferant und Partner der Lebensmittelindustrie beschäftigt das Unternehmen auch Lebensmitteltechnologen, Fleischer und Bäcker. „Die sprechen die Sprache der Branche“, so Thürmer.

In Duisburg stehen jedoch die klassischen Industriechemikalien im Mittelpunkt. „Natronlauge ist vom Volumen her unser größtes Produkt“, erklärt der Geschäftsführer. Die Substanz wird auch als Reinigungsmittel von Mehrwegflaschen eingesetzt. Geht es nach den Verantwortlichen, würde der Chemiedistributeur sein stärkstes Produkt, die Natronlauge, öfter per Bahn transportieren. „Doch wir sind immer häufiger auf die Straße angewiesen, weil die Bahn Gleise abbaut“, klagt Thürmer.

Das Geschäftsmodell von Brenntag ist einfach und dennoch kompliziert. In großen Mengen bezieht das Unternehmen seine Chemikalien von Herstellern wie BASF oder Evonik. In Duisburg werden die Substanzen zwischengelagert, in Gebinde von 30 bis 1000 Kilogramm verpackt und an die Kunden ausgeliefert. Dabei profitiert Brenntag von dem Trend, dass sich die industriellen Produzenten weitgehend vom Geschäft mit Endkunden verabschieden.

Brenntag füllt aber nicht nur um und liefert aus. Das Unternehmen mischt etwa Vorstufen für Lacke und entwickelt eigene Rezepturen. Säuren und Laugen werden in Duisburg nach den Vorgaben der Besteller verdünnt. Brenntag überwacht inzwischen auch die Tanks ihrer Kunden per Fernabfrage. Geht der Aceton-Vorrat zur Neige, wird automatisch nachgeliefert.

Hohe Sicherheitsanforderungen in Duisburg

Die Logistik auf dem Duisburger Betriebsgelände ist ausgefeilt: Auf der „Lösemitteltankstraße“ rollen die vollen Tanks per Bahnkesselwagen oder Lkw an. Die Flüssigkeiten werden in unterirdische Lagertanks geleitet. Über ein Rohrsystem werden die Chemikalien später zu den Abfüllstellen gepumpt, um die Gebinde zu befüllen. Für den Transport von Gefahrgütern setzen sich immer stärker IBCs, eckige Container aus Kunststoff oder Stahl, durch, die im Gegensatz zu Fässern eckig und damit leichter zu lagern und zu verladen sind. Brenntag-Standortleiter Frank Roers zeigt auf den Boden: „Die Tanks in der Erde sind brandgeschützt. Die Betonplatte darüber ist isoliert, damit Flüssigkeiten nicht in die Erde eindringen können“, sagt er im Hinblick auf die Sicherheitsanforderungen in Duisburg. Mitarbeiter aus dem Labor prüfen die Ware, die an- und ausgeliefert wird.

1996 zog Brenntag vom Duisburger Hafen zum jetzigen Standort nach Mündelheim um. Vis a vis der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann und nahe einiger Autobahnkreuze arbeiten hier inzwischen 140 Beschäftigte. Im 40 Meter hohen vollautomatischen Hochregallager gibt es 8500 Palettenstellplätze. „Ladenhüter gibt es bei uns nicht“, sagt Roers. Denn Brenntag kennt seine Kunden und kann nach Angaben des Standortleiters innerhalb von 24 Stunden nachliefern. Leergelaufen, sagt er, sei der „Supermarkt für Chemikalien“ bislang noch nicht.