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Die Konditorei-Cafés verschwinden

Die Konditorei-Cafés verschwinden

Essen. 

Leckere Kuchen und Torten stehen hinter einer Glasscheibe, sie sind mit Obst belegt oder mit Marzipan und Sahnehaube überzogen. Drei ältere Paare haben sich bereits für das passende Stück entschieden und sitzen nun bei einer Tasse Kaffee im Konditorei-Café Kötter an der Rüttenscheider Straße in Essen. Es ist 14.30 Uhr an einem Freitag. Viel ist nicht los.

Einfach ist es für die Konditoreien zur Zeit nicht. Café Overbeck, das Essener Traditionsunternehmen überhaupt, hat im Oktober Insolvenz angemeldet. In derselben Stadt musste das Café Luxem am Limbecker Platz schließen.

Jede Stadt hat ihre Traditions-Cafés, aber auch immer mehr Filialen der großen Ketten wie Starbucks, Extrablatt und Co. „Die Amerikanisierung merken wir auch. Teilweise kommen Besucher in Cafés und bestellen an der Theke“, sagt Gerhard Schenk, Präsident des Deutschen Konditorenbundes. Der Servicegedanke breche weg. Vielleicht seien gerade deshalb Cafés die romantische Alternative zu Starbucks. Denn im Gegensatz zu den modernen Varianten bieten die „Oma-Cafés“ einen Kurzurlaub vom Alltag.

„Wir können uns mit Ketten wie Starbucks nicht messen, es steckt mehr Kapital dahinter und die Filialen haben oft die bessere Lage“, sagt Anja Dobbelstein. Sie betreibt das Café Dobbelstein am Sonnenwall in Duisburg. Die Ketten benötigten weniger Platz. Denn ihre Waren müssen sie nicht frisch produzieren. Und diese zusätzlichen Quadratmeter würden sich deutlich in der Miete niederschlagen.

Nicht nur im Ruhrgebiet

Der Abwärtstrend von Konditorei-Cafés zeichnet sich nicht nur im Ruhrgebiet ab, sagt Schenk. „In den letzten Jahren gibt es immer weniger mittelständische Betriebe im Lebensmittelhandwerk“, erklärt Schenk. Dabei sei auch das Nachwuchsproblem nicht außer Acht zu lassen. Es sei nicht einfach, einen Käufer zu finden, der über die nötigen Mittel verfüge.

Zur Zeit gibt es etwa 2 900 Konditoreien in Deutschland, 581 davon befinden sich in NRW. Die Zahl sank stetig seit 1998. Damals waren es noch 813 Konditoreien, 2004 nur noch 658. Auch der Gesamtumsatz der nordrhein-westfälischen Konditoreien sinkt, 2013 betrug dieser 358 Millionen Euro. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Einbruch von 1,25 Prozent.

„Reich wird man mit einem Konditorei-Café nicht. Ich liebe meinen Beruf, aber nicht jeder hat diese ideelle Einstellung“, erklärt Susanne Kötter. Ihre Eltern eröffneten 1959 das Café.

„Unter der Woche ist der Großteil unsere Besucher im Rentenalter. Am Wochenende haben wir auch viele junge Familien, die bei uns einen Kaffee trinken“, sagt Susanne Kötter. Einerseits, weil viele unter der Woche arbeiten müssen. Auf der anderen Seite könne es sich nicht jeder leisten, fünf bis sieben Euro pro Tag für Kuchen auszugeben. Auch Anja Dobbelstein bestätigt das. Sie und ihre Schwester haben das Café in fünfter Generation übernommen. Dort sitzen bei gutem Wetter viele junge Menschen während ihrer Mittagspause. Denn es reiche längst nicht mehr, nur Kaffee und Kuchen anzubieten. „Wir müssen auch einen kleinen Mittagstisch bereitstellen. Damit machen wir fast die Hälfte unseres Umsatzes des Cafébetriebes“, sagt Anja Dobbelstein. Während früher die Besucher zwei bis drei Stückchen Kuchen gegessen hätten, würden ihre Gäste heute lediglich ein Stück bestellen.

Traditionelle Konditorei-Cafés verschwinden langsam aus dem Stadtbild, wenn sie nicht mit der Zeit gehen. Das Café Wiaker aus Herne hat es geschafft: Es eröffnete in diesem Jahr eine neue Filiale in Bochum. Die Besucher standen Schlange. Weitere Filialen sind an Blumen Risse angeordnet. Und der Erfolg hält an, Unternehmen sprechen die Konditorei verstärkt an.

Nischen suchen

Wichtig sei es für die Konditoreien, sich Nischen zu suchen. „Wir können uns nicht mit den großen Ketten messen. Wir müssen uns über Qualität und Individualität absetzten“, erläutert Schenk. Das probiert auch Susanne Kötter. So kreiert sie immer wieder neue Torten mit beliebten Zutaten wie weiße Mousse-au-Chocolat und Cranberrys. Auch Anja Dobbelstein ist sich sicher: „Wir müssen uns immer auf Neuerungen einstellen. Wenn wir uns halten wollen, müssen wir mit der Zeit gehen.“